Überwachung und Erniedrigung
bei Amazon in Österreich?

Mitarbeiter prangert Arbeitsbedingungen an - Unternehmen: "Denken nicht, dass Vorwürfe Wirklichkeit widerspiegeln"

Die Arbeitsbedingungen beim Online-Versandhändler Amazon stehen seit Jahren in der Kritik. Nun hat auch in Österreich erstmals ein Beschäftigter ausgepackt. Seine Vorwürfe reichen von Überwachung über Disziplinierungsmaßnahmen bis hin zu erniedrigenden Vorschriften, denen die Beschäftigten ausgesetzt seien. Amazon meinte in einer Stellungnahme: "Wir denken nicht, dass die Vorwürfe die Wirklichkeit in unseren Gebäuden widerspiegeln", hieß es.

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Werk in NÖ - Überwachung und Erniedrigung
bei Amazon in Österreich?

Der Holländer Maarten N. arbeitet seit sechs Monaten im Verteilzentrum von Amazon in Großebersdorf (NÖ). "Wir wollen nicht, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei uns respektlos und menschenunwürdig behandelt werden", sagte die Vorsitzende der Privatangestellten-Gewerkschaft GPA-djp, Barbara Teiber, am Mittwoch bei einem Pressegespräch in Wien. Maarten N. hat sich an die Gewerkschaft gewandt. Er ist wie die meisten seiner Kollegen über eine Leiharbeitsfirma bei Amazon beschäftigt. Derzeit seien lediglich 16 Filialmanager bei Amazon selbst angestellt, so Teiber. Operativ arbeite das Unternehmen ausschließlich mit Leiharbeitern. Derzeit seien es etwa 150.

"Weiß am Anfang der Woche nicht, ob man am Ende noch einen Job hat"

"Am schlimmsten ist es, dass man am Anfang der Woche nicht weiß, ob man am Ende der Woche noch einen Job hat", sagte Maarten N. vor zahlreichen Journalisten. Im November 2018 habe er einen 25-Stunden-Vertrag unterzeichnet. Nach dem Weihnachtsgeschäft sei seine Arbeitszeit reduziert worden, da es weniger Geschäft gab. Mitarbeiter seien unter der Androhung von Personalreduktion ersucht worden, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Doch trotz Stundenreduktionen seien Beschäftigte gekündigt worden, erzählte er.

Hoher Arbeitsdruck

Den Arbeitsdruck im Verteilerzentrum schilderte der Holländer als hoch. Da Amazon räumliche Anpassungen vorgenommen habe, um mehr Pakete pro Tag ausliefern zu können, sei es in der Halle sehr eng. Zudem seien die Beschäftigten einer ständigen Überwachung ausgesetzt. Ein Scanner, der als Arbeitsgerät benutzt wird, registriere die Arbeitsleistung. Die Mitarbeiter selbst hätten keine Erlaubnis, ihre Daten einzusehen. Die gewonnenen Daten würden aber zur Entscheidung über eine Verlängerung der Beschäftigung herangezogen.

Keine persönlichen Gegenstände

Während der Arbeitszeit dürften die Beschäftigten im Verteilzentrum keine persönlichen Gegenstände wie Handys, Uhren, Gürtel oder sogar Kaugummi bei sich haben. "Wer etwas dabei hat, steht unter Pauschalverdacht, es womöglich aus einem Paket entwendet zu haben", so Maarten N. Abgesehen von den Umkleideräumen gebe es überall Überwachungskameras.

Disziplinarmaßnahmen bei "Fehlverhalten"

Der Onlinehändler arbeitet in Österreich mit Auslieferungsboten zusammen, darunter Intersprint, Albatros, Veloce und LTS. Die Fahrer liefern pro Tag zwischen 80 und 300 Pakete aus. Ihnen drohten bei "Fehlverhalten" wie falscher Bekleidung Disziplinierungsmaßnahmen, erzählte Maarten N. Zur Strafe müssten sie dann jedes Paket unter Aufsicht einzeln scannen, obwohl es die Möglichkeit einer gruppierten Scannung gebe.

Amazon: "Denken nicht, dass die Vorwürfe die Wirklichkeit widerspiegeln"

In einem schriftlichen Statement hat der Onlinehändler Amazon Stellung zu den Vorwürfen genommen. "Wir denken nicht, dass die Vorwürfe die Wirklichkeit in unseren Gebäuden widerspiegeln", hieß es am Mittwoch zur APA.

"Erwarten bestimmte Leistung"

An allen Standorten seien seit dem Start von Amazon sichere und attraktive Arbeitsplätze entstanden. "Die Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeiter haben dabei immer die höchste Priorität. Wie jedes Unternehmen erwarten wir eine bestimmte Leistung von den Mitarbeitern. Deshalb arbeiten unsere Manager eng mit den Mitarbeitern zusammen, um sie zu fördern und zu unterstützen", so das Unternehmen.

Seit Jahren in der Kritik

Der Onlineriese ist seit Jahren in der Kritik von Gewerkschaften. In Deutschland etwa wird die Bezahlung der Beschäftigten in den Logistikzentren kritisiert. Die deutsche Gewerkschaft verdi fordert, dass die Amazon-Beschäftigten nach dem Tarif für den Einzel- und Versandhandel bezahlt werden. Amazon betonte bisher, man könne auch ohne einen solchen Vertrag ein fairer und verantwortungsvoller Arbeitgeber sein.

Im Verteilzentrum in Niederösterreich sind die meisten Beschäftigten gar nicht bei Amazon selbst angestellt, sondern über Leiharbeiterfirmen. Sie werden nach dem Leiharbeiter-Kollektivvertrag bezahlt.

Amazon Statement

»Bieten gute Arbeitsbedingungen«

Am Freitag meldete sich Amazon erneut zu Wort. "Es ist nicht richtig, dass es im Verteilzentrum in Großebersdorf zu Veränderungen im Management gekommen ist oder das Gebäude umgebaut werden musste. Unser Verteilzentrum wird seit Inbetriebnahme von demselben Management Team geleitet. Wir haben auch keinen Umbau vor, da das Gebäude absolut sicher ist, und gute Arbeitsbedingungen bietet.", heißt es in dem Amazon Statement.

Gekündigter Manager meldete sich zu Wort

Der Streit um die Arbeitsbedingungen bei Amazon Österreich ist um eine Facette reicher: Freitagvormittag sprach die Gewerkschaft GPA davon, dass es nach dem Gang an die Öffentlichkeit eines Mitarbeiters, der von schweren Missständen sprach, zu Veränderungen im Management gekommen sei. Replik des US-Konzerns wenige Stunden später: "Unsinn."

Doch nun hat sich ein Abteilungsleiter bei der APA gemeldet, der nach Eigenangaben heute, Freitag, ein Kündigungsschreiben erhalten hat. Begründet sei dies damit worden, dass sich seine Mitarbeiter nicht auf ihn verlassen hätten können. Was sich der Gekündigte nur so erklären kann, dass damit sein Krankenstand nach einem Autounfall gemeint ist.

»Wir können alle Daten einsehen«

Verwundert hat den sogenannten Filialleiter auch, dass er gehen musste, obwohl der Mitarbeiter, der sich am Dienstag mit Kritik am Konzern an die Medien wandte, gar nicht in seiner Schicht arbeitete. Die Vorwürfe des Kollegen - unter anderem sollen die Mitarbeiter exzessiv kontrolliert worden sein - würde er jedenfalls zu hundert Prozent unterschreiben. "Wir können alle Daten einsehen", so der Mann.

Eine Amazon-Stellungnahme zu den Aussagen der nunmehr gekündigten Führungskraft war kurzfristig nicht zu erhalten.

Händler: Gekündigter Mitarbeiter kein Manager


Im Streit um die Arbeitsbedingungen bei Amazon Österreich bestreitet der US-Konzern, einen Manager gekündigt zu haben. Jener Mitarbeiter, der heute nach der Kündigung in die Öffentlichkeit gegangen ist, habe aufgrund seiner Erfahrung zwar nicht auf der einfachsten Ebene gearbeitet, aber auch keine Leitungsfunktion inne gehabt, hieß es zur APA.

Der Beschäftigte wiederum behauptet, operativer Schichtführer der Nachtschicht gewesen zu sein. Beworben habe er sich um eine Stelle als "Teamleiter mit Führungsfunktion", für die er auch angestellt wurde. Laut Gewerkschaft GPA soll es aber auch beim Dienstvertrag des Mitarbeiters Ungereimtheiten geben. Die GPA will sich den Vertrag nun genauer anschauen.

Kommentare

Lucas Di Lorenzo

Es gibt doch ein Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, dass offensichtlich über Leiharbeitsfirmen leicht ausgehebelt werden kann. Mich wundert gar nichts mehr, alles amerikanisierte Mitarbeiterausbeutungsmethoden egal ob bei MS, Apple, Amazon, etc.. Warum kommen diese Unternehmen in den Medien so gut weg? Schaut man da nicht genau hin?

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