Alle gemeinsam gegen Castrop-Rauxel!

Thomas Drozda leitet jetzt die höchsten Gremien der "Josefstadt". Was das bedeutet, wird sich herausstellen, wenn die Direktion des Hauses neu zu besetzen ist. Vor auswärtigen Provinzdramaturgien bewahre uns der Herr.

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Gestaltungswille ist ja nicht just das, was die österreichische Politik im Augenblick antreibt. Eher schleudert man durch irrationale kollektive Befindlichkeiten, die über Nacht Helden in Aussätzige und Verhöhnte in Lichtgestalten verwandeln, ich denke an Kurz und Rendi-Wagner. Wie kann sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu Grauzonendelikten, die seit der Republikgründung parteienübergreifend eingeübt wurden, ausschließlich mit der ÖVP beschäftigen? Meint tatsächlich einer, es gediehen im Einzugsbereich anderer Parteien keine dubiosen Medien, die sich aus Inseratenzuwendungen finanzieren? Wie lang wird es dauern, bis sich der schwarze Apparat im Justizministerium von seiner Teilentmachtung erholt und die roten Hoffnungsträger im Monatsrhythmus die Hauptstraße hinunterjagt? Oder können Sie noch mitzählen, wieviele Ermittlungen gegen Blümel bisher eingestellt wurden? Schuldig oder nicht, er ist weg, und ich vermisse ihn nicht. Aber wenn die beiden sozusagen staatstragenden Parteien ihre Kräfte darauf konzentrieren, über die Auflösung der Gegenseite zu frohlocken: Dann bleiben bald nur noch diejenigen übrig, die zu kurz an der Macht sind, um schon etwas ausgefressen zu haben.

Die Blauen haben sich diesbezüglich schon anno Schüssel assimiliert. Die Grünen wollten -man denke an den armen Chorherr -mit dem ihnen eigenen Ungeschick nachziehen. Bleiben die Neos, die von der absoluten Mehrheit dankenswerterweise ein Stück entfernt sind. Könnte ich mir etwas wünschen, wäre es das, was man einst die Große Koalition nannte, solange sie noch die erforderliche Mehrheit hat. Was gäbe ich drum, hätte sie 2017 den ihr wesenseigenen Stillstand prolongiert! Die Konsequenzen des Aufbruchs von Kurz bis Nehammer könnte ich jedenfalls leichten Herzens entbehren.

Weshalb ich hier in fremden Ressortzuständigkeiten wildere? Weil sich derzeit auch in meiner Kernkompetenz, der Kulturpolitik, viel ereignet. Und speziell in Wien herrscht sogar Gestaltungswille. Ich weiß nur nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Nach der Ära Mailath-Pokorny, die sich dem noblen Abwarten verpflichtet hatte, fährt ein scharfer Wind durch die Stadt. Dass ich die Entscheidungen über das Volkstheater, die Festwochen, das Jüdische Museum, die Kunsthalle, eventuell auch das Theater an der Wien und die Mittelbühnen, maximal verhalten goutiere, habe ich Ihnen nicht verheimlicht. Jetzt wurde eine Art Vorentscheidung über die fernere Zukunft getroffen: Günter Rhomberg, der die private, aber suventionsabhängige "Josefstadt" als Vorsitzender der Stiftung und des Aufsichtsrats durch glückliche Jahre geführt hat, weicht Thomas Drozda, dem bis dato letzten roten Kunstminister.

Der aufgeklärte Konservative Rhomberg, Wirtschaftskapitän von Beruf und Kulturmensch aus Berufung, hat den amtierenden Direktor Föttinger 2005 quasi inthronisiert. Dessen mutige Entscheidung, auf die Kurzarbeit zu verzichten, um den Angestellten das Prekariat zu ersparen, hat Rhomberg ebenso mitgetragen wie die Einwendungen gegen die inferiore Corona-Politik der Bundesregierung. Jetzt hat sich, bei wieder steigender Auslastung, die endlos paradiesische Wirtschaftslage des Hauses verdunkelt. Föttinger, beim Bund schlecht angeschrieben, wird die Solidarität der Stadt brauchen. Der rote Stiftungschef ist da gewiss ein Garant. Aber Föttinger geht 2026 aus dem Amt, und Drozda wird in zwei Jahren wesentlich den Nachfolger zu bestimmen haben.

Personalbesetzungen waren schon anno Kern seine Passion. Sein Saldo? Schattiert. Er hat mit Fortüne den soeben bis 2030 im Amt verlängerten Staatsoperndirektor Roščić berufen. Dafür hat er sich im Umgang mit dem Kunsthistorischen Museum ein Debakel geleistet, als er sinnlos die Demontage der Direktorin Sabine Haag betrieb. Sie musste kniefällig zurückgebeten werden, weil der Deutsche Eike Schmidt das Amt offenbar nur angenommen hatte, um sich für die Vertragsverlängerung in Florenz ein Druckmittel zu verschaffen. Die dritte Personalie der schmalen Ära betraf das Burgtheater, und dass Martin Kušej länger als bis 2024 am Ring verweilen wird, wollte ich nicht zum Gegenstand einer eidesstattlichen Erklärung machen. Was nun die "Josefstadt" betrifft, so ist hier die Identität eines exquisiten Autoren-und Schauspielertheaters zu erhalten. Schon jetzt das Ensemblemitglied Johannes Krisch aufzubauen, die publikumsmagnetische Maria Happel behutsam an das Haus heranzuführen: Das wäre nicht dumm. Oder Föttinger bleibt. Nur vor den Begehrlichkeiten der Chefdramaturgien von Wanne-Eickel oder Castrop-Rauxel möge Gott die "Josefstadt" bewahren.