Aggression auf der Autobahn & Schleicher, die es nicht schaffen, die Spur zu wechesln

Je mehr Fahrstreifen, desto größer ist die Versuchung Was uns auf Österreichs Straßen richtig in Rage bringt

Aggressionen beim Fahren auf der Autobahn lassen sich auf die unterschiedlichsten Arten hervorrufen. Die eine Gruppe lässt zum Beispiel mit zu dichtem Auffahren und Aufblend-Lichtspielen das Blut in Wallung geraten. "Eine zweite Gruppe provoziert - möglicher Weise unbewusst, aber trotzdem - durch Passivität", betont Dr. Othmar Thann, Direktor des Kurato-riums für Verkehrssicherheit (KfV).

Aggression auf der Autobahn & Schleicher, die es nicht schaffen, die Spur zu wechesln

"Obwohl es gesetzlich verboten ist, bleiben sie nach einem Überholmanöver unentwegt auf einem der linken Fahrstreifen "picken" - und handeln sich damit das Prädikat "Schleicher" ein." Das KfV hat im März von 18 Autobahnbrücken im ganzen Bundesgebiet aus erhoben, wie genau oder ungenau es die Lenker auf Österreichs Autobahnen mit dem Satz "Links überholen - rechts fahren!" nehmen. Insgesamt nahmen die Erheber des KfV 46.464 Fahrzeuge unter die Lupe. Verglichen wurden zwei-, drei- und vierspurige Streckenabschnitte mit Verkehrsstärken zwischen 500 bis 3.700 Fahrzeugen pro Stunde und Fahrtrichtung. Fazit: Insgesamt gesehen fährt jeder fünfte auf der Autobahn ungerechtfertigt links, obwohl rechts genug Platz zum Einordnen wäre. Und: Je breiter die Autobahn, desto höher der Anteil der Linksfahrer.

Vier Spuren
Man lernt es in der Fahrschule und auch die Straßenverkehrsordnung sagt es eindeutig: Auf der Autobahn gibt es keine freie Fahrstreifenwahl, es gilt die Rechtsfahrordnung. Wer überholt, muss sich danach also wieder rechts einordnen, sofern es das Verkehrsaufkommen zulässt und man den Hintermann nicht schneiden muss. Auf vierspurigen Autobahnen verfliegt dieses Wissen scheinbar - soweit es überhaupt vorhanden war. Bezogen auf alle vier Fahrstreifen halten sich 37,5 Prozent aller Fahrzeuge nicht an die Rechtsfahrordnung. Besonders beliebt ist dabei der dritte Fahrstreifen: Mehr als jeder zweite Fahrer am dritten Fahrstreifen fuhr dort ungerechtfertigt, weil er sich angesichts der vorhandenen Verkehrsdichte eigentlich rechts einordnen hätte können und laut StVO auch hätte einordnen müssen. Unter den Fahrern am vierten - also äußerst linken - Fahrstreifen blieb bei den Erhebungen fast jeder dritte Lenker kleben, ohne der Rechtsfahrordnung weitere Beachtung zu schenken. Dieser Fahrstreifen hat offensichtlich eine so gemütliche Wirkung, dass ein Autofahrer sogar beim Lesen von A4-Blättern beobachtet wurde.

Je höher die Verkehrsbelastung, desto mehr links
Jedes siebente Fahrzeug auf zweispurigen und fast jedes vierte Fahrzeug auf dreispurigen Autobahnen fuhr bei den Erhebungen des KfV grundlos links. Interessant dabei ist, dass die Versuchung des Linksfahrens offensichtlich zunimmt, je höher die Verkehrsdichte ist. Während auf zweispurigen Autobahnen mit einer Verkehrsbelastung von 500 bis 1.000 Fahrzeugen pro Stunde und Fahrtrichtung nur rund acht Prozent der Fahrzeuge den linken Streifen ungerechtfertigt benutzten, stieg dieser Prozentsatz bei einer Belastung von über 1.500 Kfz pro Stunde und Fahrtrichtung auf fast 21 Prozent an. Entweder sind die Fahrer der Meinung, dass ein Spurwechsel bei mehr Verkehr den Aufwand nicht lohnt, oder sie fürchten sich vor dem Einordnen. Dasselbe Phänomen zeigte sich auch auf den dreispurigen Abschnitten: Bei einer Verkehrsbelastung von 500 bis 1.000 Kfz fuhren 22 Prozent grundlos links, bei einer Belastung von mehr als 1.500 Kfz waren es über 24 Prozent.

Frauen bleiben seltener kleben
Bei den Beobachtungen auf den Autobahnen hat sich gezeigt, dass kollegiales Autofahren eher eine weibliche Domäne ist. Während 32 Prozent aller beobachteten Männer zu den Spurklebern zu zählen waren, verhielten sich nur 24 Prozent der Frauen im Widerspruch zur Rechtsfahrordnung. "Egal ob Mann oder Frau: Es scheint vielen nicht bewusst, oder im schlimmsten Fall sogar egal zu sein, dass schneller nachkommende Lenker durch ungerechtfertigtes Linksfahren teilweise zum Drängeln und absolut verbotenen Rechtsüberholen genötigt werden", prangert Thann dieses Verhalten an. "Da man sich gerade im Straßenverkehr die Regeln nicht nach den eigenen Bedürfnissen auslegen darf, wird deshalb auch das ungerechtfertigte Linksfahren be-straft." Im leichtesten Fall gibt es dafür ein Organmandat in Höhe zwischen sieben und 27 Euro, im schlimmsten Fall droht eine Anzeige, die eine Strafe bis zu 726 Euro nach sich ziehen kann. In Tirol ist das Phänomen des "Spurpickens" bereits so aufgefallen, dass bei Aktionen besonders auf diese Gefahrenquelle geachtet wird.