Luftbrücke Operation Solomon

Rettung von 15.000 Flüchtlingen aus Äthiopien in 36 Stunden

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Schlaglichter - Luftbrücke Operation Solomon

Am 23. Mai 1991 begann in Addis Ababa, der Hauptstadt Äthiopiens, die israelische Luftwaffe mit der Rettung der äthiopischen Juden in 34 Flugzeugen, darunter zahlreiche zivile Jets von El Al, der israelischen Fluggesellschaft. 41-mal flogen die Transporter ohne Sitze mit Matratzen auf den Böden nonstop zwischen der Hauptstadt Äthiopiens und Tel Aviv. In einer Boeing der El Al saßen 1.137 Passagiere, immer noch der Weltrekord an Personen in einer Boeing, in der normalerweise nur 480 Personen mitgenommen werden. Während dieses Fluges wurden zwei Babys geboren.

Nach Auffassung einiger Historiker waren die Vorfahren der Juden in Äthiopien ("Beta Israel" genannt) Israeliten, die im 10. Jahrhundert v. Chr. zur Zeit der Königin von Saba aus dem Königreich Israel nach Äthiopien ausgewandert sind. Das äthiopische Nationalepos Kebra Negest beschreibt in seiner aus dem 14. Jahrhundert n. Chr. stammenden schriftlichen Fassung, wie Menelik, der Sohn von Königin Makeda, aus Äthiopien kommend seinen Vater Salome in Jerusalem besucht habe. Bei seiner Rückkehr sei er von 12.000 Männern begleitet worden. Nach einer anderen Theorie wanderten die Beta Israel nach der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier (587/586 v. Chr.) nach Ägypten aus. Von dort seien sie weiter nach Äthiopien geflohen. Eine dritte Hypothese besagt, dass sie dem Stamm Dan angehörten, einem der zwölf Stämme Israels, und in Folge der Zerstörung Jerusalems durch die Römer (70 n. Chr.) und der anschließenden Zerstreuung der jüdischen Bevölkerung nach Äthiopien gelangt seien. Dies ist auch die offizielle Meinung der israelischen Regierung, die es den äthiopischen Juden erlaubt, nach Israel einzuwandern.

Angesichts des Chaos in Kabul sind die Vorbereitungen und Methoden der Israelis beeindruckend, die sich mit einer ähnlichen Situation konfrontiert sahen. Im März 1991, zwei Monate vor der Operation, beschloss die israelische Regierung, die in Äthiopien lebende jüdische Minderheit aus dem Land zu holen. Das damalige Regime unter Mengistu Haile Mariam drohte, zu kollabieren, und die Rebellen der "Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front" näherten sich der Hauptstadt. Nach Ansicht des Geheimdienstes Mossad wäre die jüdische Minderheit bei einem Sieg der Rebellen nicht mehr sicher gewesen. Die vorerst über mehrere Monate geplante Aktion musste geändert werden, da Agenten warnten, die Regierung könnte weitaus früher zusammenbrechen als ursprünglich angenommen. So einigte sich die israelische Regierung gemeinsam mit der Armeeführung auf den Plan, die jüdische Bevölkerung so schnell wie möglich zu evakuieren.

Zeitfenster von 48 Stunden

Die Armee unter Leitung des Generals der Luftwaffe, Meir Gagan, der nach der Operation zum Chef des Mossad befördert wurde, entschied sich für eine Luftbrücke mit möglichst vielen Flugzeugen, die ohne Landung zwischen Addis Ababa und Tel Aviv hin und her fliegen würden. Unter der Leitung des Offiziers Amnon Lipkin-Shahak reiste am 6. Mai eine Gruppe Geheimagenten und Militärs nach Äthiopien, die mit der amtierenden Regierung und den Rebellen verhandelte, die bereits die Außenbezirke von Addis Abeba besetzt hatten.

Den Israelis gelang es mit Bestechungen, Geschenken und anderen Zusagen, ein Zeitfenster von 48 Stunden zu vereinbaren, in denen der Flughafen für aus Israel kommende Flugzeuge offen war und die Straße von der israelischen Botschaft zum Flughafen von eigenen Sicherheitskräfte bewacht werden konnte. Die Luftbrücke begann am 24. Mai mit den ersten Flugzeugen, die den Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv verließen, in Afrika eine Zwischenlandung einplanten, um vollgetankt die Strecke Addis Ababa nach Tel Aviv nonstop fliegen zu können.

In den Tagen vor dem Beginn der Luftbrücke mussten sich sämtliche Piloten der zivilen Fluggesellschaft El Al bei der Zentrale der Operation melden, und Reservisten der Luftwaffe wurden einberufen. Die Leiter der Servicezentralen und Werkstätten ersuchten die Mitarbeiter, auf Urlaub, Freizeit und Wochenende zu verzichten, um in möglichst kurzer Zeit so viele Flugzeuge wie möglich für den Einsatz vorzubereiten. Techniker, Elektriker, Mechaniker und andere Fachleute arbeiteten ohne Unterbrechung, schliefen und aßen in den Werkshallen. Die Innenräume wurden umgebaut, Sitze herausgenommen und selbst Teile der Laderäume mit Matratzen bedeckt. Flüchtlinge sollten kein Gepäck mitnehmen dürfen, so dass möglichst viele mit jedem Flug transportiert werden konnten.

200 Soldaten einer Spezialeinheit

Mit dem ersten Flugzeug, das aus Israel landete, kamen 200 Soldaten einer Spezialeinheit in Zivilkleidung und mit Waffen in ihren Rucksäcken. Weiters brachte der erste Transport eine komplette Ausrüstung, um den Tower und die Air-Traffic-Kontrolle zu übernehmen sowie eine Kommandozentrale einzurichten, und kistenweise Zigaretten, alkoholische Getränke und Geschenke für Soldaten der regulären Armee und Rebellen, die eventuell die Aktion stören wollten.

Ein organisatorisches Problem ergab sich bei der Kontrolle der Flüchtlinge und dem sicheren Transport zum Flughafen. Die israelischen Offizieren beschlossen, die Flüchtlingen zuerst in der israelischen Botschaft zu sammeln und dort zu überprüfen. Zusätzliches Botschaftspersonal wurde eingeflogen. Die Botschaft lag 3,5 Kilometer entfernt vom Flughafen. Etwa 15.000 Flüchtlinge sammelten sich in der Botschaft. Als es sich herumsprach, dass dies eine Möglichkeit sein könnte, das Land zu verlassen, belagerten Zehntausende das Botschaftsgelände. Um das totale Chaos zu verhindern, erließ die Regierung eine Ausgangssperre während der Dunkelheit und verhinderte dadurch Szenen, wie sie sich rund um den Flughafen von Kabul ereigneten.

Nach den Kontrollen in der Botschaft wurden Passagiere in Gruppen zum Flughafen gebracht, die von einem einzelnen Flugzeug aufgenommen werden konnten. Ein Stau am Flughafen von nervösen Passagieren, die um Zutritt zu den Flugzeugen kämpfen könnten, sollte um jeden Preis verhindert werden. Dennoch gab es Probleme mit den äthiopischen Behörden, die bestimmten Flugzeugtypen wie der Boeing 747 die Landung verboten, mit dem Argument, diese würden die Landebahn zerstören. Zwei der 747-Passagierflugzeuge wurden in letzter Minute äußerlich als Cargo-Transporter geändert und landeten dennoch.

Kontrolle des Towers

Die Kontrolle der Landebahn, des Towers, der Zufahrtstraße von der Botschaft und der Abfertigung im Flughafen durch bewaffnete, israelische Sicherheitskräfte in Zivilkleidung schaffte Verwirrung unter äthiopischen Soldaten, die die Aktion immer wieder stören oder blockieren wollten. Nach 36 Stunden, zwölf Stunden früher als die vereinbarten 48 Stunden, war Operation Solomon beendet. Im Laufe der folgenden Monate versuchte Israel, mit begrenzten Aktionen weitere äthiopische Juden nach Israel zu holen. Insgesamt nahm Israel etwa 35.000 Mitglieder der Beta-Israel-Gemeinde auf.

In einem Interview kritisiert der damals verantwortliche Offizier Amnon die Organisation in Kabul. Man könne nicht Soldaten und Botschaftsmitarbeiter vor Ort verantwortlich machen. Eine derartige Aktion hätte in Washington geplant werden müssen. Von der Kontrolle der Flüchtlinge bis zum Geleit zu den Flugzeugen muss jeder Schritt geplant und abgesichert werden. Szenen wie in Kabul, dass Menschen die Rollfelder stürmen und sich an Flugzeuge hängen, dürften bei einer genauen Vorbereitung nicht passieren. Der Hauptfehler sei der späte Beginn der Luftbrücke in Kabul gewesen, meint der Offizier. Man ließ Monate verstreichen, in denen der Flughafen und die Zufahrt noch unter der Kontrolle der offiziellen Regierung standen. Die Operation Solomon hätte keine Chance gehabt, wenn die Stadt und damit der Flughafen in Addis Ababa bereits in den Händen der Rebellen gewesen wäre. Das letzte Flugzeug mit Flüchtlingen, Soldaten und Botschaftspersonal verließ die Stadt, bevor die Rebellen sie einnahmen.