Adi Hütter, der Smart Export

Adi Hütter hat Eintracht Frankfurt unaufgeregt in historische Sphären dirigiert. Nach der Sommerpause will der Vorarlberger als zweitteuerster Fußballtrainer Deutschlands auch in Mönchengladbach Wunder wirken. Einziger Wermutstropfen: das Social Distancing von seiner Familie.

von Sport - Adi Hütter, der Smart Export © Bild: imago images/foto2press
Adi Hütter, geboren am 11. Februar 1970 in Hohenems, spielte für Altach, GAK, LASK, Austria Salzburg, Kapfenberg und die RB Salzburg Juniors. 3 Mal österreichischer Meister mit Austria Salzburg (1994,1995,1997), 1 Cupsieg mit dem GAK (2002), 14 Länderspiele mit 3 Toren für Österreich. Als Profitrainer dirigierte er den "Dorfklub" SV Grödig ins Oberhaus und als Dritten in die Europa League (trotz Wettskandal um Dominique Taboga), schaffte bei Red Bull Salzburg 2014/15 das Double, ehe er in je drei Saisonen bei YB Bern und Eintracht Frankfurt (2018-2021) die Erwartungen erneut übererfüllte. FAMILIE: verheiratet, eine erwachsene Tochter. Hobbys: grillen, kochen, golfen. Auto: Maserati.

Die unerwarteten Fußballfeste von Eintracht Frankfurt in der Europa League, die vor zwei Jahren erst im Semifinale im Elferschießen gegen Chelsea ein Unhappy End fanden, hallen noch immer nach. Die Tore, die Stimmung, der Fan-Roar: Souvenirs für die Ewigkeit. Einer, der noch ausreichend Restadrenalin im Blut hat, ist Peter Fischer, der Klubpräsident: "Wir haben Europa fasziniert."

Das ist in Hessen unvergessen.

In der Saison 2020/21 gelang es der Eintracht, auch noch die top vier der deutschen Bundesliga zu entern: Mit der historischen Chance auf die erstmalige Qualifikation für die Champions League ging es in die letzten Runden (finaler Spieltag: 22. Mai). Getrübt allerdings schon von der Ansage von Erfolgscoach Adi Hütter, im Sommer zu Borussia Mönchengladbach zu wechseln, und zwischenzeitlichen Pleiten auf dem Rasen. 0 : 4 bei seinem künftigen Arbeitgeber Gladbach, 1 : 3 in Leverkusen. Bei letzterem Auftritt musste Peter Fischer zu mehr Beruhigungszigaretten greifen, als ihm lieb war. Aber anschließend, im ZDF-Sportstudio, trat der Präsident nicht nach: "Hütter hat sich vertragskonform verhalten. Vielleicht hatte er das Gefühl, mit der Mannschaft nicht mehr erreichen zu können." Im Sommer wären wohl wieder Schlüsselspieler abgewandert, der Abschied von Vertrauenspersonen wie Sportvorstand und Sportdirektor hatte auch schon die Runde gemacht.

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Die "Frankfurter Allgemeine" wollte es trotzdem nicht kapieren: "Kurz vor dem Höhepunkt machen sich die Macher des Erfolgs vom Acker. So tritt man seine eigene Glanzleistung in die Tonne."

Nur Nagelsmann kostete mehr

Und auch wenn die Früchte nun vielleicht andere ernten und Gladbach im ersten Augenblick nicht nach besserem Job duftet, bleibt festzuhalten: Für spannend klingende neue Projekte hat Hütter immer schon gebrannt. Er zieht weiter, aber seine Meriten bleiben. Dieser Mann hat in deutschen Landen allen bewiesen, dass er ein Vorzeige-Ösi ist, ein bodenständiger Arbeiter mit einer konkreten Spielidee. Ein g'rader Michel und kein Schaumschläger. Ein Mister Cool im überhitzten Trainerbiz: Für zwei Wochen im April war er mit einer Ablöse von 7,5 Millionen Euro sogar der teuerste Bundesligatrainer aller Zeiten. Mittlerweile getoppt nur von Julian Nagelsmann, den sich der FC Bayern München von Red Bull Leipzig um bis zu 25 Millionen Euro unter den Nagel riss. Was sogar Weltrekord für einen Fußballcoach bedeutet.

»Wenn die Champions League erreicht wird, kann ich erhobenen Hauptes diesen tollen Verein verlassen«

Die Frankfurt-Spieler haben Hütter, der von seiner Ausstiegsklausel im Vertrag Gebrauch machte, in seinen drei Jahren als offenes Buch kennengelernt: Nah dran an den Jungs, empathisch, mit echtem Interesse an deren Privatleben, aber kein Kumpeltyp oder Schmähbruder. Sachlich, präzise in den Vorgaben, sehr fordernd, ein Verfechter von Disziplin und Pünktlichkeit. Als in Hütters erster Saison am Main der (2019 um 40 Millionen Euro nach London zu West Ham verkaufte) Stürmer Sebastien Haller nach seinem Austausch in der 75. Minute nicht mit ihm abklatschte, gab es verdammt schnell Ärger: "Einmal noch, und du spielst keine Minute mehr!"

Auch den Kontrollfreak hat er drauf

"Er kann ein unangenehmer Chef sein, streng und kontrollierend", weiß auch Frankfurts Cotrainer Christian Peintinger aus nächster Nähe. Dessen ungeachtet verbindet den Steirer, der einst mit 19 bei Sturm Graz debütierte, aber in der Folge keine Bäume ausriss, eine lange, innige Freundschaft mit dem Vorarlberger bis hin zu gemeinsamen Familienurlauben.

Peintinger war auch schon bei den Young Boys Bern die Nummer zwei -ein Traditionsklub im Tiefschlaf, den Hütter wachküsste: Nach zwei zweiten Plätzen führte er die familiären Gelb-Schwarzen zum ersten Meistertitel seit 32 Jahren. Die definitive Wachablöse, das Ende von Serienmeister FC Basel, Lieblingsklub von Roger Federer. 31.000 Fans im ausverkauften Stade de Suisse feierten nach dem entscheidenden 2 :1 gegen Luzern ihren "Trainergott"(so die Huldigung auf einem Plakat in der Kurve) - und das alles in der biederen Schweiz.

»Gegen Ende meiner Fußballerkarriere habe ich bereits gespürt, dass ich einer Führungsrolle gerecht werden kann«

Längst hatte er da das Interesse des ÖFB geweckt -aber statt in der Heimat Teamchef-Nachfolger von Marcel Koller zu werden, erhörte er lieber die Rufe aus der deutschen Bundesliga. Die große Event-Bühne für den Meistermacher, der als frühe Trainervorbilder Heribert Weber (damals Austria Salzburg) und den Slowenen Milan Miklavic (GAK) outete. "Miklavic hat mich mit seinem dominanten Pressing-Fußball inspiriert."

Umschaltspiel und Entwicklungshilfe

Hütter machte in Frankfurt seine eigene, flexible Version daraus -und Spieler besser. Den Serben Filip Kostic rückte er zum Beispiel weiter nach hinten, weil er auf den ersten Metern nicht so schnell ist, mit Anlauf dann aber zum echten Speed King wird. "Jetzt gehört Kostic zu den besten Vorbereitern der Liga", pries die Fachillustrierte "Sport-Bild" den Schachzug. Martin Hinteregger, seinen höchst eigenwilligen österreichischen Landsmann, lässt Hütter einfach Martin Hinteregger sein. Das genügt schon, um Maximal-Output aus dem in Frankfurt überaus populären Kärntner Abwehr-As herauszukitzeln.

Der 51-Jährige schaut auch privat unglaublich viel Fußball -auch weil in der Wohnung in der Endlosschleife "Adi allein zuhause" läuft. Seine Frau Sabine blieb im trauten Heim in Seekirchen am Wallersee, Tochter Celina, die ihrem Vater Glücksbänder für die Spiele zukommen lässt, studiert in Kufstein. Die Fernbeziehung ist für den bekennenden Familienmenschen der härteste Teil des Jobs, ungeachtet des Schmerzensgelds in Millionenhöhe. "Ohne das Verständnis von Frau und Tochter würde es mich in Deutschland nicht als Trainer geben. Nach Österreich kann ich während der Saison maximal in Länderspielpausen kommen."

»An Gladbach reizt ihn, dass er wieder viele junge Spieler mit enormem Potenzial formen kann«

So schnell dürfte sich daran nichts ändern. Hütter findet nicht nur Deutschland, sondern auch die drei anderen Topligen Europas (England, Spanien, Italien) als Arbeitsplatz spannend. Nach dem Triumphzug in der Europa League war 2019 bereits ein Angebot von Newcastle hereingeschneit.

Kein Laptop-Trainer

Wo auch immer es nach Gladbach noch hingeht, an seinem Stil wird sich kaum etwas ändern. Für seinen ehemaligen Salzburger Mitspieler Heimo Pfeifenberger war Hütter immer schon "top strukturiert mit einem super Gespür, welche Leute er um sich braucht". Der dermaßen Hochgelobte im O-Ton: "Mir ist es ganz wichtig, dass beim Training und in der Videoanalyse alle Spieler hochkonzentriert bei der Sache sind." Ein sogenannter Laptop-Trainer wird aus ihm allerdings nicht mehr werden. Moderne Methoden ja, aber nicht zu viel Wissenschaft. Die Mitarbeiter werten Testergebnisse aus und schneiden für ihn die passenden Szenen zusammen, und er zieht als Letztverantwortlicher die Schlüsse.

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Im Gegensatz zu den Nagelsmännern der Liga hat Hütter auch eine ordentliche Spielerkarriere hingelegt: 14 Mal lief er zwischen 1994 und 1997 für Österreich auf. Am nachhaltigsten in Erinnerung blieb der Mittelfeldspieler mit dem strammen Schuss im Austria-Salzburg-Dress: Zwei wichtige Tore des Ex-Kapitäns, darunter eines gegen Frankfurt, sollten den Weg ins UEFA-Cup-Finale 1994 ebnen.

Als die Wasserflasche flog

Und auch als Trainer ("Es ist komplett anders als als Spieler") hat "Euro-Adi" noch genügend Bums. Im März 2019, im Europa-League-Achtelfinalheimschlager gegen Inter Mailand, verlor er kurzfristig die Contenance, als ein berechtigter Elferpfiff für seine Eintracht ausgeblieben war. Zur Gaudi der Kameramänner und Fotografen kickte Hütter eine Wasserflasche wutentbrannt weg und wurde auf die Tribüne verbannt. Um après zu scherzen: "Jetzt wissen alle, dass ich noch immer einen guten rechten Fuß habe."

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News 19/2021.