So würde Adele Neuhauser
Bibi Fellner enden lassen

Der "Tatort"-Star im großen Interview um 60. Geburtstag

Am 17. Jänner feiert Adele Neuhauser ihren 60. Geburtstag, am Sonntag ihren 20. Einsatz als Bibi Fellner im Tatort "Wahre Lügen" an der Seite von Harald Krassnitzer. Im Interview spricht Neuhauser über ihre Freude am Widerstand, ihre Idee für das Ende ihrer Bibi und Pläne für eine erste Regiearbeit.

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Bibi Fellner enden lassen

Ihr runder Geburtstag naht mit wehenden Schritten. Sind Sie eher ein Mensch, dem das wurscht ist?
Neuhauser: Ich habe immer das Glück gehabt, in der arbeitsintensivsten Zeit Geburtstag zu feiern. Am Theater war Jänner immer Hochsaison. Und das Schönste war dann, in der Kantine Geburtstag zu feiern. Ganz wenige Geburtstage habe ich dann auch wirklich mit einer Einladung zelebriert. Beim 60. hatte ich mir vorgenommen, ein richtiges Fest zu machen. Aber es geht sich wieder nicht aus, weil ich mit meinem Sohn und Band auf der Bühne stehe. (lacht)

Aber in der Theorie wären Sie schon jemand, der das feiern wollen würde?
Neuhauser: Ich habe nichts dagegen, wenn wir drauf anstoßen, und das werden wir auch machen. Irgendwie. Vielleicht werde ich in sommerlichen Zeiten nachfeiern mit allen verstreut lebenden Freunden. Aber ich bin in der Beziehung eine schlechte Organisatorin.

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Immerhin werden Sie ja groß vom ORF gefeiert...
Neuhauser: Das finde ich so bezaubernd. Ich war sehr positiv überrascht, dass man sich so bemüht. Ich bedanke mich hiermit sehr herzlich. (lacht)

»Ich habe meine Autobiografie lange verweigert, weil ich mich als zu jung empfand in Bezug auf das Erlebte. «

Tut es Ihnen als Mensch gut, eine öffentliche Person zu sein?
Neuhauser: Ich habe es schon alleine durch meinen Beruf gerne, mich zu exponieren. Auf die Bühne zu steigen ist ein Akt des Sich-Exponierens. Ich habe ja immer den Schutz meiner Figuren und den Schutz meiner Geschichte. Und da geht es nicht um meine Person, sondern um die Geschichte. Dass ich jetzt immer persönlicher sichtbar werde, das war nie der Plan. Ich habe meine Autobiografie lange verweigert, weil ich mich als zu jung empfand in Bezug auf das Erlebte. Erst als ich durch die "Vier Frauen und ein Todesfall" in Österreich so populär wurde, hatte ich das Gefühl, man sollte auch etwas von mir erfahren. Deshalb habe ich eben über mein Suizidversuche gesprochen, weil ich das Gefühl hatte: Wenn ich schon ein öffentliche Person bin, soll es auch was Sinnvolles sein, das ich erzähle. Nur über meine Karriere zu reden, empfände ich als langweilig.

Sind Sie zufrieden mit dem Widerhall auf Ihr Buch?
Neuhauser: Ich war schon einmal stolz, dass ich das so fertiggebracht habe, wie ich mir das gewünscht habe - in meiner Offenheit, die ich gerade jetzt sehr wichtig finde. Und ich habe auch bewusst den Titel "Ich war mein größter Feind" gewählt, weil wir von Politik und Medien in eine so seltsame Angst getrieben werden, die uns noch ängstlicher macht als wir sein müssten. Und wenn wir uns mit uns selbst mehr anfreunden, mehr in uns schauen, würden wir feststellen: Wenn wir mit uns im Reinen sind, sind wir auch kein leichtes Fressen für irgendeine Propaganda.

»Ich möchte ein guter Mensch sein. Das klingt so banal, aber das ist, was ich möchte. «

Sie enden Ihre Autobiografie mit dem Satz "Da kommt noch so viel Schönes, das auch gelebt werden will". Hat sich dieses Mantra für Sie bewahrheitet?
Neuhauser: Ich kriege gerade Gänsehaut, und es treibt mir die Tränen in die Augen, weil Frieden mit sich zu machen das Wichtigste ist. Die Karriere ist wesentlich weniger wert, als zu sehen, wo ich stehe, dass ich ein guter Mensch bin. Und ich möchte ein guter Mensch sein. Das klingt so banal, aber das ist, was ich möchte. Das heißt ja nicht, dass man diese Tiefen und Ängste und auch negativen Aspekte der eigenen Person ignorieren soll - im Gegenteil: annehmen und klar hinschauen. Da gibt's viele Tiefen, Untiefen bei mir. Und aus denen schöpfe ich.

Ist das für Sie als Künstlerin das Lebenselixier?
Neuhauser: Nicht nur als Künstlerin. Ich glaube, für jeden Menschen ist es eine Bereicherung, wenn er weiß, wer er ist und was man braucht, was man sich ersehnt und was man glaubt, dass das zu einem bestimmten Glück führt. Ich habe in den letzten Jahren die Endlichkeit extrem erfahren, und das hat schon auch meinen Blick verändert. Aber das ist das Großartige am Leben, dass man auch aus Momenten, die fast zu mächtig in der negativen Energie erscheinen und in der Traurigkeit so übermächtig werden, viel Positives herausziehen kann. Das sehe ich auch politisch so. Derzeit wird etwas sichtbar, was wir nicht ertragen und was nicht haltbar ist. Ich glaube aber auch, dass genau dadurch die Dinge in Veränderung kommen. Jetzt werden auch viele Stimmen und Gefühle mobilisiert, die uns zeigen: Wir dürfen nicht leise bleiben, wir müssen uns innerlich und auch aktiv erheben.

»Neben den vielen grauslich rechts Orientierten, gibt es auch viele, die berechtigte Angst haben«

Das bedeutet, Sie sind auch gesellschaftspolitisch eine Optimistin?
Neuhauser: Ich glaube, dass wir aufpassen müssen zu pauschalisieren. Neben den vielen grauslich rechts Orientierten, gibt es auch viele, die berechtigte Angst haben, und die dürfen wir nicht übersehen. Man muss die Menschen mitnehmen und diese Verzweiflung, die in vielen vorherrscht, die müssen wir ändern. Wir können vielleicht unseren Planeten nicht mehr wirklich heilen, aber wir können an uns selbst arbeiten.

Das halten Sie für aussichtsreicher als den Klimaschutz?
Neuhauser: Na ja, wir müssen beides angehen. Das bleibt uns nicht erspart. Und das sage ich jetzt nicht nur, weil ich gerade Großmutter geworden bin. Ich wünsche mir, dass dieser Planet weiter gesund existiert. Dass wir ihn nicht vollends zerstören und dass wir das Großartige, das die Natur uns bietet auch weiterhin mit Respekt und mit all dem Reichtum auch nutzen können.

Ein anderes Feld, um die Dinge in die Hand zu nehmen, wäre, selbst Regie zu führen, was Sie noch nie getan haben. Hat Sie das nie gereizt?
Neuhauser: Der Wunsch, Regie zu führen, geistert tatsächlich schon seit längerem in mir herum. Nur bin ich auch so wahnsinnig gerne Schauspielerin. Aber es scheint ein Thema zu sein, das ich angehen werde - versprochen.

Einstweilen bleiben Sie also bei Ihrer Stammfigur Bibi Fellner. Ist sie auch ein bisschen Ihr Alter Ego, in das Sie gewisse Dinge auslagern können?
Neuhauser: Bibi ist ein wahrhaftes Wesen, ein Typ Frau, den ich mag. Ich mag ihre Fehlerhaftigkeit, ihre Wut, ihre Empathie, ihren Humor. Und sie ist nicht geschleckt und kein Püppchen. Nur ich würde mir für Bibi wünschen, dass sie ein bisschen mehr Anarchie an den Tag legt, ein bisschen mehr auch ungefiltert sein darf. Wir erkennen immer im Fehlverhalten als Betrachter, dass es so nicht gehen darf. Und das sind Dinge, die heilsam und auch bereichernd sind für das eigene Leben. Da ist beim "Tatort" das Spielfeld sehr groß.

Wie gehen Sie mit der Gefahr der Routine um bei einer Figur, die Sie jetzt 20 Mal gespielt haben?
Neuhauser: Ich muss aufpassen, dass ich nicht ein zu unterspanntes Vertrauen zur meiner Darstellung der Bibi habe. Einerseits braucht es das, also diese Normalität, diese Leichtigkeit, trotzdem braucht es auch einen Biss, einen Widerstand. Wie Thomas Bernhard auch immer schon gesagt hat: der Widerstand ist es, dieses Aufstehen in der Früh, das Sich-Anziehen. Die Widerstände halten uns wach und das war für mich stets ein Motor. Deshalb war auch für mich alles, was mir zu leicht gefallen ist, nicht wertvoll. Es musste immer irgendwas dabei sein.

»Wenn, würde ich gerne nicht die Figur sterben lassen. «

Haben Sie ein Wunsch-Serienende für Ihre Bibi im Kopf?
Neuhauser: Wenn, würde ich gerne nicht die Figur sterben lassen. Sie soll sich zum Beispiel entscheiden, nach Afrika in die Entwicklungshilfe zu gehen oder so. Oder sie macht sich auf eine Reise und kehrt nicht mehr zurück. Das fände ich spannend.

Und Sie halten sich das Hintertürchen des Comebacks offen...
Neuhauser: Stimmt. Gar nicht so blöd, merke ich gerade. (lacht)

Grundsätzlich ist Ihnen aber noch nicht fad mit Bibi?
Neuhauser: Nein. Ich denke nur darüber nach, dass es nicht glatt werden darf. Das möchte ich nicht. Ich möchte nicht, dass es so eine selbstverständliche Geschichte wird, dass das einfach so weiterläuft. Nein, ich möchte da wach bleiben. Auf der anderen Seite liegt das ja nicht nur in meiner Hand.

Das ist ein Appell an die Autoren?
Neuhauser: So ist es! Aber wir haben tolle Autoren. Und wir haben gute Redakteure, die uns da wirklich den Rücken stärken und uns mutig vorantreiben.

Das klingt aber schon wieder nach zu wenig Widerstand für Sie...
Neuhauser: Richtig! Aber keine Sorge, ich finde immer irgendwas. (lacht)

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