Niederlande: Wiener
wegen Entführung inhaftiert

Ein 58-jähriger Wiener und sechs Menschen haben gut neun Jahre lang isoliert in einem Bauernhof in den Niederlanden gehaust. Die Polizei entdeckte die Gruppe auf dem abgelegenen Hof. Die Menschen würden nun versorgt, teilte die Polizei mit. Kontakt zu Behörden in Österreich will der Wiener nicht, er wurde festgenommen und wird der Freiheitsberaubung verdächtigt.

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Chronik - Niederlande: Wiener
wegen Entführung inhaftiert

"Er wünscht keinen Kontakt zur österreichischen Botschaft in Den Haag und will keine konsularische Hilfe", sagte der Sprecher des Außenministeriums in Wien, Peter Guschelbauer. Die Behörden warten nun die Ermittlungen in den Niederlanden ab.

Aufgrund dessen werden keine weiteren Details aus Datenschutzgründen bekannt gegeben. Der 58-Jährige dürfte in Österreich allerdings noch nicht behördlich aufgetreten sein. Niederländische Ermittler berichteten, dass es sich um einen gebürtigen Wiener handelt. Der Mann ist allerdings 2010 von Oberösterreich aus dem Bezirk Perg aus in die Niederlande ausgewandert.

Vor neun Jahren hat er sich dann in Ruinerwold in der Provinz Drenthe niedergelassen und einen Bauernhof angemietet. Wie er die Familie kennengelernt hat, ist unklar. Jedenfalls soll er zumindest sechs Menschen in dem Gebäude isoliert haben. Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll es sich um fünf Geschwister im Alter von 18 bis 25 und den bettlägerigen Vater der Kinder handeln.

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Man könne nicht alle Fragen sofort beantworten, so die Polizei. Man habe eine Sonderermittlergruppe gegründet, die den Fall unter der Leitung der Staatsanwaltschaft aufzuklären und strafrechtlich Relevantes zu finden versuche.

"Joseph, der Österreicher"

Niederländische Medien berichteten, dass er bei Nachbarn "Joseph der Österreicher" genannt wurde, weil er aus Österreich stammen soll. Der Sprecher des Außenministeriums in Wien, Peter Guschelbauer, bestätigte am Dienstagabend entsprechende Berichte unter Berufung auf die örtlichen Behörden. Demnach handelt es sich bei dem Festgenommenen um einen gebürtigen Wiener.

Er sei nach neuen Erkenntnissen aber nicht der Vater der jungen Leute, die heute zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, so die niederländischen Behörden. Die Gruppe "lebte in sehr provisorischen Räumen", sagte der Bürgermeister Roger de Groot. Er nannte keine Details der Wohnung. "So etwas habe ich noch nie erlebt." Warum die Menschen dort so isoliert wohnten, ist unbekannt. Sie sollen auf "das Ende der Zeiten" gewartet haben, berichten niederländische Medien. Die Ermittler wollten diese Darstellung zunächst nicht bestätigen. Es gebe noch sehr viele offene Fragen, sagte der Bürgermeister. Es ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis der Mann zu den anderen Mitgliedern der Gruppe steht.

Wirt des Dorfgasthauses schlug Alarm

Der Wirt des Dorfgasthauses hatte die Polizei am Montag alarmiert. Bei ihm war ein fremder junger Mann in der Wirtsstube aufgetaucht. Er war total verwirrt, wie der Wirt dem TV-Sender RTV Drenthe sagte. "Er sagte, dass er weggelaufen war und Hilfe brauchte." Der 25-Jährige habe auch geschildert, dass er neun Jahre lang nicht draußen gewesen sei. Daraufhin hatte der Gastwirt die Polizei eingeschaltet.

Über die genauen Lebensumstände und den Gesundheitszustand der Gruppe wollte die Polizei vorerst keine Angaben machen. Die Untersuchungen seien noch in vollem Gange. "Alle Szenarien sind noch offen", sagte eine Sprecherin. Der 58-Jährige sei festgenommen worden, "weil er nicht an unserer Untersuchung mitarbeitete".

Geschockte Dorfbewohner

Dorfbewohner sind geschockt. Sie sagten Reportern, dass sie bei dem Hof immer nur einen Mann gesehen hatten. Von einer Gruppe hätten sie nichts gewusst. Der Hof liegt versteckt hinter Bäumen und etwa 200 Meter vom Rande des Dorfes entfernt. Dazu gehören nach Aussagen von Reportern ein großer Gemüsegarten und eine Ziege. Möglicherweise habe sich die Gruppe jahrelang selbst versorgt.

Der Fall weckt - obwohl gänzlich anders gelagert - entfernt Erinnerungen an Josef F., der im Jahr 2008 aufgeflogen war. Der Amstettner hatte 24 Jahre lang seine Tochter in einen Keller gesperrt und mit ihr sieben Kinder gezeugt. Josef F. wurde zu lebenslanger Freiheitsstrafe und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt.