"Turandot" als
zäher Klumpen Mittelmaß

Heinz Sichrovsky über eine umfassend misslungene Premiere der Wiener Staatsoper

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Leben - "Turandot" als
zäher Klumpen Mittelmaß

Das Debakel entwickelt sich vorrangig aus dem Orchestergraben. Der immerhin namhafte Dirigent Gustavo Dudamel weiß mit diesem Repertoire, womöglich mit der Gattung Oper an sich, nichts anzufangen. Selten hat man die Philharmoniker derart stoisch und farbneutral musizieren gehört wie unter ihrem künftigen Neujahrskonzert-Dirigenten. Dudamel verdickt Puccinis vertrackt-avantgardistische Partitur zu einem zähen Klumpen, der sich manchmal ein wenig verdünnt und an den Aktschlüssen misstönend detoniert. Diese „Turandot" ist vor allem laut und langweilig, weil der Dirigent mit den Sängern nicht zu atmen versteht.

Dabei hätten die zum Teil bedauernswerten Mitwirkenden Unterstützung benötigt. Lise Lindstrom ist eine halbwegs höhensichere, keifende Turandot, deren Ziel es zu sein scheint, den Prinzen Calaf mittels schneidender Spitzentöne zu enthaupten. Der ist bei Yusif Eyvazov in nicht so schlechten Händen. Einer rätselhaften Eigenart folgend, beginnt Eyvazov engstimmig und mit unansehnlichem Timbre, um sich im Verlauf des ersten Aktes zu beträchtlicher Sicherheit und Stimmschönheit einzusingen. Im Duett mit Heinz Zednik (der in der Fünfminutenpartie des Altoum als einziger Mitwirkender die Aura eines ersten Künstlers mobilisiert) beginnt sich Eyvazov auf der Bühne zu akklimatisieren, die Rätselszene singt er souverän und „Nessun’ dorma" sicher. Anita Hartigs grobstimmige Liù hat die offenbar demonstrativen Ovationen nicht verdient: Wohl aus Nervengründen verhaut sie die erste Arie komplett und die zweite weitgehend. Im gebotenen Mittelmaß trifft sie sich mit Dan Paul Dimitrescus Timur. Die drei Minister (Gabriel Bermudez, Carlos Osuna und Norbert Ernst) entsprechen besser.

Richtig, inszeniert wurde ebenfalls, und zwar vom routinierten Dekorateur Marco Arturo Marelli. Calaf wird in seiner etwas verqueren Deutung zum Komponisten Puccini, der um „Turandot" (die Fertigstellung der Oper) ringt. Das führt erwartungsgemäß zu keinem nachvollziehbaren Resultat, bloß zu Art-déco-Kitsch und Zwanzigerjahre-Assoziationen, die aufregend originellen SS-Männer inbegriffen.

Die Missfallenskundgebungen für Lindström und Dudamel gehen in Ordnung, hätten sich aber ruhig zu ungunsten des Dirigenten verlagern können.

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