Geheimprojekt Tonga

Wie sich internationale Milliardäre um den Konzern reißen - Carlos Slim will Deal wagen

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Über einen Einstieg von Slim bei der Telekom Austria war schon spekuliert worden, hatte der mexikanische Telekom-Tycoon doch angekündigt, jetzt in Europa investieren zu wollen.

Codename „Tonga“.
Trotzdem blieb der Deal, der unter dem Codenamen „Tonga“ geplant wurde, bislang ein Geheimprojekt. Der südpazifische Inselstaat Tonga war früher als die „Freundschaftsinseln“ bekannt. Und freundschaftlich soll der Deal auch über die Bühne gehen: Slim soll über den von ihm kontrollierten Mobilkommunikationskonzern América Móvil Partner von Ronny Pecik werden. Eingefädelt wurde der Coup von einer der renommiertesten Anwaltskanzleien des Landes: Wolf Theiss vertritt die América Móvil in Österreich.

Der Clou an der Sache: Der Konzern von Carlos Slim ist nach NEWS-Recherchen längst Aktionär der Telekom Austria. Die Mexikaner halten rund 4,1 Prozent der Telekom- Aktien und sind damit unter der Meldeschwelle. So blieb das mexikanische Großkaliber völlig unter dem Radar. Die Topanwälte von Wolf Theiss, die auch auf der Hauptversammlung der Telekom am 23. Mai anzutreffen waren, hatten als so ziemlich Einzige Kenntnis davon.

900-Millionen-Investment.
Seit wenigen Wochen arbeiten die Wolf-Theiss-Juristen in Wien und ihre Kollegen in Mexico City auf Hochtouren, um die Partnerschaft in Verträge zu gießen. Die Pläne, soweit NEWS bekannt, sehen wie folgt aus: Pecik verkauft das gesamte Paket von rund 93 Millionen Aktien an eine neu gegründete Gesellschaft mit dem Arbeitstitel Amov (für América Móvil). Kolportierter Kaufpreis: 9,50 Euro pro Aktie, was einen Paketaufschlag von über 30 Prozent zum aktuellen Aktienkurs bedeutet. In Summe sind es knapp 900 Millionen Euro. Die Aktien, die Slims Konzern hält, werden ebenfalls in die neue Gesellschaft eingebracht. América Móvil soll 80 Prozent, die Privatstiftung RPR von Pecik 20 Prozent an Amov halten, die dann knapp 25 Prozent der Aktien der Telekom Austria besitzt.

Pecik soll die Interessen des dann deutlich zweitgrößten Aktionärs weiter im Aufsichtsrat der Telekom Austria als Vizevorsitzender vertreten. Ein weiterer Vertrauensmann aus dem Slim-Pecik-Konsortium wird noch als Aufsichtsratsmitglied nachnominiert.

Retter der Telekom Austria.
Mit der Rolle des zweitgrößten Aktionärs wird sich Amov zufrieden geben. Vorerst. Denn América Móvil sieht sich als Endstation. Ein Weiterverkauf der Anteile ist nicht geplant, gilt die Telekommunikation doch als Kerngeschäft des erfolgreichen mexikanischen Konzerns. Der Plan lautet, sich als stabiler Kernaktionär zu beweisen. Im Fall einer Vollprivatisierung könnte die Telekom Austria ganz übernommen werden. Eine Garantie für den Standort Wien mit Headquarter und Arbeitsplätzen wurde gegenüber dem offiziellen Österreich bereits abgegeben, wie aus Anwaltskreisen zu hören ist.

Bei der Staatsholding gibt es zwei Spitzenmanager, die von dem Deal ebenso wenig überrascht sein werden wie drei Mitglieder der Bundesregierung. Die Zusagen, die von der Familie des Carlos Slim persönlich kommen, sollen sehr gut aufgenommen worden sein. Ein Insider: „Man sieht Slim als Retter der Telekom, der alle Spekulationen beendet und die Telekom Austria als führenden Konzern stärkt.“ Und eines sei klar: „Wer jetzt einen Fuß in die Tür bekommt, der hat bei der Telekom das Sagen.“

Ägyptischer Milliardär dagegen.
Die vorbereitete Lösung ist allerdings noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Das Problem ist, dass Pecik aktuell noch einen anderen Partner hat (siehe Grafik links), was zu einem Krimi hinter den Kulissen führt. Der ägyptische Multimilliardär und Telekom- Unternehmer Naguib Sawiris wollte gar schon in den Aufsichtsrat der Telekom Austria einziehen. Er blieb der Telekom- Hauptversammlung am 23. Mai wohl nicht nur wegen der ägyptischen Präsidentenwahl fern.

Obwohl sich Pecik und Sawiris als Hälftepartner präsentierten, waren die Aktien aber immer in Peciks Privatstiftung RPR geparkt. Der Tycoon aus Ägypten ist Finanzpartner. Eine Rolle, die dem selbstbewussten Unternehmer schwer missfällt.

200 Millionen Euro abgelehnt.
Noch dazu hat Sawiris ganz andere Pläne: Er dürfte das Aktienpaket bereits dem norwegischen Telekomkonzern Telenor versprochen haben. Telenor soll übrigens ebenfalls unbemerkt längst Aktionär der Telekom Austria sein. Juristen schätzen den Umfang des Aktienpaketes auf drei Prozent.

50 Millionen Euro Gewinn.
Sawiris hatte damit gerechnet, Pecik mit Geld zu dem Deal zu „zwingen“. Umso erstaunter soll der Ägypter reagiert haben, als Pecik den Deal mit einem Gewinn von gut 200 Millionen Euro ablehnte. Angeblich soll Sawiris wutentbrannt zur ÖIAG und gar bis zu Topmanager Siegfried Wolf, Vorsitzender des Privatisierungsausschusses der ÖIAG, gegangen sein. Wolf dürfte Sawiris klargemacht haben, dass derzeit wenig zu holen sei: Die ÖIAG habe derzeit keinen weiteren Privatisierungsauftrag. Zudem wünscht sich der Staat einen stabilen Aktionär. Traurig müsste Sawiris aber nicht von dannen ziehen: Immerhin beschert ihm sein Telekom-Engagement einen Gewinn von knapp 50 Millionen Euro für sechs Monate Einsatz – wenn er dem Deal zustimmt.

Der Gegenangriff.
Am Montag, als der Deal mit den Mexikanern über die Bühne gehen sollte, startete Sawiris seine Gegenstrategie: Er lehnte den Deal ab und forderte mehr Geld, angeblich zehn Euro pro Aktie. Für América Móvil ein Affront. Und wieder rotieren die besten Anwälte. Als Sawiris am 24. Mai der ÖIAG per Bloomberg-Interview „drohte“, seine Aktien an Carlos Slim zu verkaufen, sollte dies den Deal vermutlich verhindern. Freilich ist der Gründer der Orascom Telecom, des größten Mobilfunkbetreibers in Afrika und im Nahen Osten, andere Dimensionen gewohnt. Die Kontrollmehrheit an der Orascom verkaufte er im April 2011 um 4,6 Milliarden Euro an die russische Vimpelcom. Dort ist er übrigens gemeinsam mit Telenor Minderheitspartner, und man hat Differenzen.

Chinesen und Russen.
Die Telekom Austria erscheint zwar durch die im Korruptionsausschuss öffentlich gemachten Skandale in einem schiefen Licht. Es handelt sich aber immer noch um einen ertragsstarken Konzern, der neben Österreich in sieben Staaten Ost- und Zentraleuropas eine gute Marktposition hat. Sogar China Mobil und die russische MTS haben sich um das Aktienpaket von Pecik bemüht. Der dürfte tatsächlich mit allen gesprochen haben. Letztendlich will er aber an Bord bleiben. Das funktioniert mit América Móvil. Das entscheidende Gespräch soll in Paris stattgefunden haben, wo Pecik Slim-Schwiegersohn Danny Hajj, der América Móvil führt, getroffen hat.

Weißer Ritter aus Mexiko.
Letztendlich dürfte América Móvil das Rennen um die Telekom Austria machen. Die Verträge sind unterschriftsreif. ÖIAG sowie Republik Österreich senden klare Signale aus: Ein Ausverkauf oder eine Filetierung der Telekom werden mit Vehemenz bekämpft. Somit wäre Carlos Slim als „Weißer Ritter“ der Telekom willkommen.