Gigantisches Spektakel in Wien

Die Chinesen erobern das Wiener Burgtheater - NEWS sah sich das Ereignis in Peking an

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  • Bild 1 von 5 © Bild: NCPA/Pekingoper

    Pekingoper

    Mit „Leb wohl, meine Konkubine“ gastiert die Pekingoper von 29. Juni bis zum 2. Juli im Wiener Burgtheater. NEWS sah sich das Ereignis vorab in Peking an.

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    Pekingoper

„Leb wohl, meine Konkubine“ erzählt vom Feldherrn Xiang Yu und seiner Geliebten Yu. „Der Stoff ist vom Kino bekannt. Aber das ist Pekingoper im Original“, schwärmt Gert Voss. Der 1941 als Kaufmannssohn in Shanghai geborene Burg-Star wurde durch die Pekingoper vom Theater infiziert. Klar, dass er nun als Kommentator auf der Bühne steht, wenn die Chinesen kommen.

Lokalaugenschein in Peking
Aus diesem Anlass ist NEWS nach Peking eingeladen, um die traditionelle Truppe des Liyuan Theatre zu begutachten. Hinter der Bühne prüfen die Darsteller ihre schweren Kostüme. Vor einem Spiegel trägt eine zarte Chinesin in Jeans und T-Shirt die weiß-rosa Schminke in dicken Schichten auf. Eine Stunde dauert die Prozedur. Ein Ankleider setzt den Kopfschmuck aus Perlen zurecht. Eine rotgekleidete Musikerin schlägt die Ghuzheng, die chinesische Zither, an. Gong. Die Aufführung beginnt. Das Publikum, zahlreiche Chinesen, ein paar Australier und Holländer, sitzt an ­Tischen, trinkt Tee, isst Kekse, ruft Beifall. Nach zwei Stunden ist es vorbei.

Kultureller Exportartikel
„Das war nicht immer so“, sagt der ­Sinologe Richard Trappl. „Zur Hochblüte im 18. Jahrhundert dauerte eine Opernaufführung Tage. Wie bei Shakespeare zogen Truppen durch das Land und führten ­altbekannte Geschichten von Helden und unglücklicher Liebe auf. Gespielt wurde in Teehäusern, das Publikum kam und ging, da es die Geschichten ja kannte.“ Mao ersetzte die Spektakelkunst 1966 jäh durch revolutionäre Modellopern. Trappl, der ­damals in China studierte: „Unter Mao wurden die Krieger durch Helden der Arbeit und Soldaten ersetzt, Texte und Musik vereinfacht. Heute ist die Pekingoper ein Mittel zur Identifika­tion, aber auch kultureller Exportartikel.“ Man hat eben gelernt: Ai Weiwei und Chen Guangcheng werden drangsaliert wie ihre Vorgänger. Aber die Regierung weiß die Exportkraft von Heldengeschichten zu schätzen, auch und vor allem, wenn sie ein bis zwei Jahrtausende zurückliegen. Burg-Chef Hartmann: „Das Genre ist die Essenz aller klassischen chinesischen Tradition und damit ein von allem politischen Geschehen unabhängiges Kulturgut von unschätzbarem Wert.“

Ortswechsel
Über dem Eingang zur „Verbotenen Stadt“, dem ehemaligen Kaiserpalast, klotzt Maos gigantischer Schädel, als wäre der Diktator nicht vor 36 Jahren verwichen. Davor brausen Porsches und Mercedes im dichten Verkehr. Fahrräder sieht man in der Innenstadt kaum. Wenige hundert Meter vom Platz des Himmlischen Friedens entfernt prangt ein gigantischer Bau aus Glas und Stahl, das National Center of Performing Arts (NCPA).

Red Cliff
Neben klassischer Musik aus dem Westen pflegt man dort auch die Pekingoper. Seit 2008 gibt man jährlich ein Werk in Auftrag. Eines ist an den ersten drei Abenden in Wien zu sehen, und es unterscheidet sich fundamental von der Kargheit der klas­sischen Pekingoper. „Red Cliff“ erzählt von der Schlacht am Jangtse-Fluss anno 208. Das gigantische Spektakel mit Lichteffekten, Tanz- und Akrobatikeinlagen einer achtzig Mann starken Truppe lässt nichts aus, man kämpft mit Schwertern, schießt Hunderte Pfeile, setzt Schiffe in Brand. Das Orchester aus traditionellen und westlichen Streichinstrumenten begleitet mit chinesisch-symphonischen Klängen. Das alles passiert in 135 Minuten. Auch Stars gibt es. Einer ist Jianfeng Zhang, 33. Der Übersetzer stellt ihn als „Chinas Plácido Domingo“ vor. Zhang lächelt bei Nennung des Namens und wedelt sich mit einem Fächer Kühlung zu. Mit elf begann er die Ausbildung. Tägliches Stimmtraining um fünf Uhr früh, dann hartes Körpertraining. Das stählt. 200 Aufführungen im Jahr sind Standard.

Wie lange kann solch eine Karriere halten?
„Da gibt es keine Grenzen. Wir haben keine Tenöre oder Bässe. Das Repertoire ist in Figuren eingeteilt.“ Er ist ein Lao Sheng (alter Mann). „Den kann ich auch mit 60 darstellen. Wichtig ist für uns nur die direkte Reaktion des Publikums. Wenn etwas gelungen ist, rufen mir meine Fans das zu, während ich singe. Das gibt Kraft. Auch Eintragungen auf meinem Blog freuen mich. Ich hoffe, dass ich in Wien noch Fans dazubekomme.“ Was aber tun, wenn Enthusiasten nächstens Ofczarek oder Voss anfeuern?