Erwin Steinhauer: "Ich
bin ein geborener Flüchtling"

Der Kabarettist über seine stillgelegten Engagements an der Josefstadt und im ORF

Er war einer der brillantesten Kabarettisten des Landes, spielte Hauptrollen am Burgtheater und inkarniert an der „Josefstadt“ wie im Fernsehen das Dämonische im Alltäglichen. In diesem Jahr aber vollzog Erwin Steinhauer, 60, einen radikalen Schnitt: Als seine frühere Lebensgefährtin Kathrin Zechner in eine Spitzenposition des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zurückkehrte, legte er die Zusammenarbeit mit dem ORF still.

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bin ein geborener Flüchtling"

An der „Josefstadt“ spielt er nur noch die Rolle des Zauberkönigs in Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ zu Ende, um dann für mindestens ein Jahr aus dem Vertrag zu gehen. Dieses Jahr verbringt er singend auf Reisen: Wienerlieder und Klassisches von Leonard Cohen sind da ebenso zu hören wie Gewagtheiten aus der Welt des deutschen Schlagers, etwa „Ich möchte der Knopf an deiner Bluse sein, dann kann ich na-na-nah an deinem Herzen sein“ von Bata Ilic oder „Mach nicht so traurige Augen, weil du ein Negerlein bist“ von Leila Negra.

NEWS: Bestreiten Sie damit tatsächlich Ihr gesamtes nächstes Jahr?
Erwin Steinhauer: Ja. Ich spiele an der „Josefstadt“ noch bis Dezember. Dann gehe ich aus dem Vertrag.

NEWS: Weshalb?
Steinhauer: Ich bin für diesen Automatismus nicht geeignet. Ich muss für etwas Neues frisch entzündet werden. Und das gibt es dort erst 2013/14: Ich spiele die Gründgens-Rolle in „Mephisto“ von Klaus Mann und, 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs, „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus.

NEWS: Aber das Jahr dazwischen: Ist das finanziell nicht etwas herb?
Steinhauer: Das ist richtig. Aber ich mache es, um wieder Freude am Beruf zu finden. Ich bin ein geborener Flüchtling.

NEWS: Sie müssen sehr wohlhabend sein.
Steinhauer: Das bin ich überhaupt nicht. Ich habe drei Kinder und drei Enkelkinder. Wie kann ich da wohlhabend sein? Ich komme aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, ich habe nichts geerbt …

NEWS: Werden Sie etwas vererben?
Steinhauer: Ja, denn ich habe mir beim Kabarett etwas erarbeitet. In den goldenen Zeiten haben wir alle wahnsinnig viel verdient. 1992 bin ich dann in die ärmere Branche gewechselt, zum Theater. Die Dreherei ab Mitte der Neunzigerjahre hat mir die Sache ein wenig versüßt, mit Xaver Schwarzenberger vor allem. Aber so etwas gibt’s ja heutzutage nicht mehr.

NEWS: Sie leisten aber doch bedeutende Arbeit im Fernsehen.
Steinhauer: So? Zwei Drehtage beim „Tatort“, drei Drehtage bei „Lilly Schönauer“, als Opapa vor der Abschiebung ins Altersheim. Da bedanke ich mich. Die einzigen schönen Arbeiten habe ich mit dem Regisseur Andreas Prochaska gemacht. Das andere sind doch nur Flatulenzen. Und die mache ich nicht mehr mit, weil sie schlecht riechen. Der ORF kümmert sich nicht um mich und ich mich nicht um ihn.

NEWS: Sie beenden die Zusammenarbeit doch auch wegen der Rückkehr Ihrer früheren Lebensgefährtin Kathrin Zechner als Programmintendantin. Oder eher wegen der schlechten Angebotslage?
Steinhauer: Beides trifft sich. Man bietet mir schlechte Sachen an, während andere in Angeboten untergehen. Und ich denke auch nicht daran, mich permanent der üblen Nachrede auszusetzen, dass ich Vorteile hatte, weil ich vor neun Jahren der Lebensgefährte von Frau Zechner war. Ich drehe auch keine Kinofilme mehr, für die der ORF Hauptfinancier ist.

NEWS: Wie alt ist Ihr gemeinsamer Sohn Stanislaus?
Steinhauer: Zwölf. Er wohnt bei der Mutter, aber ich kümmere mich viel um ihn, weil sie sehr beschäftigt ist. Wir wohnen zwei Hauser voneinander entfernt.

NEWS: Und die älteren Kinder?
Steinhauer: Der Matthias ist 32, nennt sich Stein und spielt an der „Josefstadt“. Meine Älteste ist 33, Juristin und derzeit glücklich und ohne schlechtes Gewissen in Mutterkarenz. Ich genieße es, ihr zuzusehen.

NEWS: Großvater zu sein hat Sie verstört?
Steinhauer: Nie! Ich wünsche mir nur noch eine Enkeltochter. Die Testosteronpartie, wenn alle drei Enkelsohne beisammen sind, geht ja auf keine Kuhhaut.

NEWS: Hatten Sie je Existenzsorgen?
Steinhauer: Immer. Immer, wenn das Telefon schweigt. Dann denkt der Schauspieler: So, jetzt ist’s aus, du bist vergessen. Diese Zeiten waren andererseits immer sehr anregend für Neues.