Primadonnen-Träume

NEWS traf Elina Garanca nach ihrer Babypause zum persönlichen Interview

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Oper in Wien - Primadonnen-Träume

War da nicht eine Sorge, eine Unruhe in der unglaublich fernen Zeit vor dem Tag, an dem sich die Welt änderte? „Vorher dachte ich, dieses halbe Jahr würde hart und ich würde mich nach Aufmerksamkeit sehnen“, blickt Elina Garanca, 35, erstaunt auf sich selbst zurück. „Jetzt kann ich nicht glauben, dass es schon wieder vorbei ist.“ Am 30. September kam Catherine Louise, die Tochter, zur Welt. Klar, dass in den sechs Monaten seither die Spielpläne der weltbesten Opernhäuser ins Wanken gerieten. Klar auch, dass sich die führende Mezzosopranistin der Gegenwart so ihre Gedanken machte, wie es denn nachher gehen werde. Jetzt kehrt sie zurück, und wie die vor Jahren geschlossenen Verträge es wollen, konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Opernwelt bis Anfang September exklusiv auf Österreich: Liederabenden in Linz, Graz und Wien folgt im April eine Serie von „Rosenkavalier“-Vorstellungen und im Mai die Premiere von Mozarts „Titus“ an der Staatsoper. Nach drei Konzerten in Salzburg setzt sich dann wieder die Routine rund um die Welt in Betrieb: München, London, New York, Berlin … Fast bedauert sie, dass die sechs Monate schon um sind.

„Es ist wunderschön.“
Die für kühl und karrierezentriert gehaltene lettische Primadonna klingt weich und voller Liebe, wenn sie von Catherine Louise spricht. „Sie ist ein unglaublich gutes Kind, positiv, neugierig, ein guter Mensch. Ich bin unglaublich gerne Mama. Dafür würde ich auf alles verzichten. Es war jetzt eine andere Art Ruhe. Man muss nicht ständig etwas auswendig lernen, und man muss vor allem keine Interviews geben. Andererseits kann man monatelang keine sieben Stunden durchschlafen, weil man alle zwei bis drei Stunden geweckt wird. Ich habe meine Tochter selbst gestillt. Die Zeit ist förmlich verflogen. Manchmal glaube ich, es war gestern, dass ich in die Babypause gegangen bin.“ Bei Redaktionsschluss stand der erste Liederabend in Linz noch bevor. „Die Stimme ist in guter Form, wie ich finde.“ Aber es gab Fälle, in denen eine Geburt die Stimme verändert, auch ernsthaft beschädigt hat. Kannte sie Momente der Angst? „Nein. Ich habe mich schon immer auch für andere Dinge interessiert. Hätte ich gemerkt, dass die Stimme noch nicht in Höchstverfassung ist, hätte ich mit Lehrern und wenn nötig Ärzten gearbeitet und mich umzustellen begonnen. Zum Beispiel“, fügt die bekennende Skeptikerin exzentrischer Szenerien hinzu, „habe ich mich schon immer für Regie interessiert.“

„Großartig, kein Walross zu sein.“
Nicht zu reden von der betörenden Unwichtigkeit der Äußerlichkeiten. Die Netrebko wurde nach der Niederkunft in Dödelpublikationen nach Lebendgewicht gehandelt. Ja, gewiss kämen da manche, um zu sehen, ob die Garanca nach der Geburt zugelegt habe. Aber: „Ich verstehe jede Frau, die nach der Geburt nicht gertenschlank wie ein Model ist. Es ist schon großartig genug, sich nicht mehr wie ein Walross zu fühlen. Aber dass sich der Raum, der für ein zweites Leben bemessen war, nicht einfach verflüchtigt, ist ja wohl klar. Hauptsache, wir sind alle gesund und die Stimme ist in Form. Ob ich vier Kilo mehr oder weniger habe, ist unwichtig. Sicher gibt es Leute mit eingeschränkter Wahrnehmung. Aber im Wesentlichen sind wir doch Musiker, und es geht darum, was der Stimme guttut! Ich habe schließlich eine Position zu verteidigen und kann nicht wegen Äußerlichkeiten zurückfallen.“

Schutz für Catherine.
Für die Garanca und ihren Ehemann, den aus Gibraltar stammenden Dirigenten Karel Mark Chichon, beginnt jetzt die Zeit avancierter Logistik. Die Wochen der Ruhe hat man im gemeinsamen Anwesen in Málaga verbracht. „Wir werden unsere Tochter mitnehmen, so gut es geht. Wenn wir aber auf Tournee sind, werden wir sie zu den Großeltern nach Gibraltar oder Lettland bringen. Wir werden sehen, wie sie auf die Flüge und Autos und auf den Temperaturwechsel reagiert. Wenn ich merke, dass es ihr gut geht, nehme ich sie mit, so wie ich kann.“ Die beruflichen Verpflichtungen werden sanft adaptiert. Schon bisher sang sie nicht mehr als 60 Abende im Jahr. Tourneen, in deren Verlauf sie im Tagesrhythmus von Stadt zu Stadt jagt, wird es nicht mehr geben. „Ich werde auch nicht mehr eine Opernproduktion an die andere hängen, sondern nehme mir dazwischen mindestens zehn Tage Zeit für die Familie.“

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