Der rechte Präsident?

Parteienforscher Gero Neugebauer über den Regierungsstreit und Loblieder der FPÖ

von
Joachim Gauck - Der rechte Präsident?

NEWS.AT: Bei der Entscheidung über den neuen deutschen Bundespräsidenten hat sich die FDP gegen den Koalitionspartner gestellt und Joachim Gauck unterstützt. Welche Auswirkungen hat dieser offensichtliche Konflikt auf das Klima in der Bundesregierung?
Gero Neugebauer: Kurzfristig ist das Klima erheblich gestört. Die Frage ist aber, wie sich dieser Konflikt von früheren unterscheidet, oder ob das eine Eskalation ist. Bereits früher haben Union und FDP auf eine Art und Weise zusammengearbeitet, dass man sich mit Misstrauen begegnet ist.

NEWS.AT: Aber eine so klare und offensichtliche Niederlage für Bundeskanzlerin Angela Merkel gab es bisher nicht, oder?
Neugebauer: Frau Merkel hat es bisher immer verstanden, ihre und die Wünsche der Union so durchzusetzen, dass nie der Eindruck entstanden ist, dass die FDP in der Koalition eine relevante Rolle spielt. Nun ist es der FDP gelungen, mit Hilfe der SPD und den Grünen die Union unter Druck zu setzen. Das ist in der Tat neu. Das erklärt sich aus der Situation der FDP, die in Umfragen bei zwei bis drei Prozent liegt. Sie steht vor zwei Landtagswahlen, und dabei ist besonders Schleswig-Holstein sehr wichtig. Dort hat sie erhebliche Probleme, wieder in die Regierung zu kommen. Der Vorsitzende der FDP in Schleswig-Holstein forderte die Nominierung von Gauck, und daher wollte man ihn auch nicht im Regen stehen lassen.
"Die FDP war unprofessionell"
NEWS.AT: Aus Unionskreisen wurde verlautbart, dass Angela Merkel nun keine Rücksicht mehr auf den kleinen Koalitionspartner nehmen will . Was kann man da erwarten?
Neugebauer: Die jetzigen Aussagen von Frau Merkel und anderen Unionspolitikern werte ich als erste Reaktionen, bei denen man der Zunge mal freien Lauf lässt. Bisher sind die Koalitionsparteien davon ausgegangen, dass die Regierung bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2013 hält. Wenn die FDP nun merkt, dass sich dieses Manöver bei den nächsten Landtagswahlen auszahlt, wird sie so etwas vielleicht noch einmal versuchen. Die Frage ist nur, was sie damit erreichen kann. Sie hätte jetzt auf Gauck verzichten können und dafür beispielsweise eine Steuererhöhung fordern können. Strategisch hat sich die FDP also keinen Gefallen getan. Das Verhalten ist aus der Notlage der FDP zu erklären, in mancher Hinsicht ist es laienhaft, sehr unprofessionell. Und das schadet auch der Koalition. Was Frau Merkel betrifft, so wird sie wohl trotz ihrer guten Umfragewerte keine Neuwahlen riskieren. Denn aufgrund der Umstände um Gaucks Nominierung kann sie nicht ausschließen, dass die Stimmung im Land sich so verändert, dass eine rot-grüne Regierung möglich ist.

NEWS.AT: Das Verhalten der FDP wird als Signal für eine Ampelkoalition nach der Wahl 2013 gesehen. Wie realistisch ist diese Variante tatsächlich?
Neugebauer: Und die Erde ist eine Scheibe. Die SPD hat kein Interesse daran, sich der FDP anzunähern.

NEWS.AT: Welche Bedeutung hat das Amt des deutschen Bundespräsidenten mittlerweile im Land?
Neugebauer: Polemisch formuliert ist der Bundespräsident ein herausgehobener Grüßonkel. Er macht Besuche und soll das heile Leben demonstrieren. Wenn er ernstgenommen werden will, dann muss er jenseits der Regierungspolitik in bestimmten Situationen die Lage im Land erklären, wie es mit der Politik steht oder wie sich Deutschland zu bestimmten Problemen in der Welt verhält. Er ist ein Mann des Wortes, der aufgrund der dadurch gewonnenen Autorität deutlich machen kann, dass er auch wirklich etwas zu sagen hat. Und durch das Zugehen auf die Leute kann er signalisieren, dass er die Bedürfnisse des Volkes kennt und sie nicht ignoriert.
"Wulff war ein Schnorrer"
NEWS.AT: Wie ernst wurde denn Christian Wulff genommen?
Neugebauer: Zu Beginn wurde er ernst genommen, sehr ernst sogar, als er sagte, dass der Islam zur deutschen Gesellschaft gehöre. In seiner restlichen Amtszeit ist er dann dem eigenen Anspruch, die Integration in der deutschen Gesellschaft zu fördern, nicht mehr nachgekommen. Auch andere Projekte hat er vernachlässigt, etwa die Einberufung eines Rats der Weisen. Im Laufe der Zeit wurde Wulff als Person wahrgenommen, die kein günstiges Angebot ausschlägt. Dabei hat er nicht einmal die demokratische Variante des Schnäppchenjägers gewählt, der mit allen anderen vor dem Supermarkt wartet. Er war die Art von Schnorrer, zu dem Leute gingen, um ihm Vergünstigungen anzubieten. Im Gegenzug erbrachte er dann politische Leistungen.

NEWS.AT: Hat Wulff damit das Amt des Bundespräsidenten beschädigt, oder ist der mediale Wirbel übertrieben?
Neugebauer: Er hat auf jeden Fall seine Person beschädigt. Das Amt selbst hat er herabgewürdigt, weil er es benutzt hat, um die Vorwürfe gegen ihn unter Berufung auf die Würde des Amtes abzuwehren. Man denke dabei nur an den Anruf bei einem Zeitungschefredakteur ("Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann, Anm. d. Red.), da bat er um besondere Berücksichtigung des Amtes.

NEWS.AT: Joachim Gauck wird jetzt fast schon zum ultimativen Heilsbringer hochstilisiert. Kann er diesen Erwartungen gerecht werden?
Neugebauer: Es gibt jene, denen ist es egal, wer Bundespräsident ist, weil das ihr Leben nicht wirklich beeinflusst. Dann gibt es die, die in ihm eine Art Hilfskaiser oder Ersatzmonarch sehen. Es gibt Dritte, die hoffen, dass er seine Autorität einsetzt, um den Regierenden zu sagen, was sie machen sollen. Die Mehrheit erwartet aber, dass er zu bestimmten Problemen Stellung nimmt, dass er glaubwürdig ist, und dass er mit der Bevölkerung auf eine Art kommuniziert, die auch verstanden wird. Diesen Erwartungen kann er gerecht werden, Heilsbringer ist er keiner.
"Kritik? Nur laue Lüftchen"
NEWS.AT: Jetzt wurde das erste Mal Kritik an Joachim Gauck laut. Es geht um umstrittene Sager zu Thilo Sarrazins Thesen und Hartz IV.
Neugebauer: Gauck bekommt gegenwärtig Kritik zu hören von ehemaligen Leuten aus der DDR. Die monieren, dass er vielleicht doch nicht so ein geklärtes Verhältnis zur Stasi hat. Dabei geht es darum, dass seine Söhne ausgereist waren, aber doch die Erlaubnis hatten, für Besuche zurückzukehren. Er hatte auch Kontakt zu einem Offizier der Stasi. Auch aus der Gewerkschaft kommt etwas, weil er einige unglückliche Kommentare zu Hartz IV abgab. Was Sarrazin betrifft, so befand er dessen Thesen für mutig. Aber ich glaube nicht, dass er alle Thesen kennt, außerdem hat er Sarrazin auch kritisiert für seinen biologistischen Ansatz. Es gibt also schon einige Gruppierungen, die an Gauck etwas auszusetzen haben. Solange die aber nicht die Backen richtig aufblasen, sind das alles nur laue Lüftchen.

NEWS.AT: Der CSU-Abgeordnete Norbert Geis hat Gauck dazu aufgefordert, seine Lebensverhältnisse zu ordnen, weil er in einer „wilden Ehe“ lebt. Könnte das denn ein größeres Problem werden?
Neugebauer: Nein. In konservativen Kreisen gibt es schon Bedenken, weil das als nicht schicklich empfunden wird. Aber das jetzt kann man als kleines Nachtreten aus der Union werten. Und wenn man sich Horst Seehofer ansieht, dann hält man sich dort ja auch nicht immer an die eigenen konservativen Werte (Bayerns CSU-Ministerpräsident führte jahrelang eine Affäre, Anm. d. Red.). Auch in der Gesellschaft wird es da keine Probleme geben, weil solche Formen einer Beziehung gar nichts Außergewöhnliches mehr sind. Ich kann mir aber vorstellen, dass Gauck aus außenpolitischen Gründen seine Lebensgefährtin heiraten wird, um bei Auslandsreisen seine offizielle First Lady mitnehmen zu können und dadurch schon im Vorhinein mögliche Konflikte zu vermeiden.
"Er ist ein Patriot"
NEWS.AT: Die österreichische rechte Partei FPÖ stimmt übrigens ein Loblied auf Gauck an und spricht von einem „Mann mit Herz und Humor, mit Hirn und offenbar auch mit Charakter“.
Neugebauer: Kein Wunder. Er ist einmal im Studienzentrum Weikersheim aufgetreten und hat eine Rede gehalten. Das ist eine politische Denkfabrik, die rechtskonservativen Kreisen dient. Gauck ist in seiner Auffassung konservativ, er ist ein Patriot, um das mal so auszudrücken. Wenn man seine Reden nicht genauer kennt, sondern nur die Berichte darüber, kann man schon den Eindruck bekommen, er sei national und konservativ, wie es bei den Rechten der Fall ist. In Deutschland aber ist er nie von rechtspopulistischen Parteien angesprochen worden.

Dr. Gero Neugebauer lehrte am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Schwerpunkt seiner Forschung ist das deutsche Parteiensystem.

Kommentare

es wäre nur Glück für Deutchland, wenn der neue President mehr rechts wäre.. vielleicht könnte eines Tages Deutschland wieder mehr den Deutschen gehören..

PAstorPeitl melden

Bürgerrechtler Gaukk Es geht wohl beim Lob aus der FPÖ für Gaukk nicht darum, dass Gaukk übertrieben rechts ist, sondern das er Bürgerrechtler in der DDR war.

Und als genau das, nämlich als Bürgerrechtler sehen sich heute zu Tage auch die meisten Freiheitlichen.

Euer

Pastor Hans-Georg Peitl
Bundesobmann der
Freiheitlichen Christen Österreichs (FCÖ)
http://www.bedenklich.at

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Bürgerrechtler? Also wenn das die Selbsteinschätzung der meisten Freiheitlichen ist, dann brauchen die meisten Freiheitlichen wohl vor dem nächsten selbstkritischen Blick in den Spiegel dringend Termine bei Augenarzt und Optiker.
Ich habe eher den Eindruck, die meisten Freiheitlichen sind so engstirnig, dass sie die "Bürgerrechte" nur "rechten Bürgern" zugestehen wollen.

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Re: Bürgerrechtler Gaukk Pfaffe Beidl, dieses Statement ist eine Frechheit und Verhöhnung der wirklichen Bürgerrechtler. Die F-en unter Neujude Hatsche "Shlomo" Stracherl sind nichts anderes als eine rechtsextreme Partei, derzeit in der "Light"-Variante, welche bei einer Machtübernahme allmählich mehr und mehr zu "Heavy" mutiert. Sie werden versuchen, ihre stockkonservativen "Werte" unter massiven Repressalien gegenüber fortschrittlichen Kreisen durchzupeitschen.
Politisierende Anhänger des toten Gottes sind einfach ein Graus, lass es sein. Übrigens: Seit dem Massaker durch Tempelritter Breivik bekennst Du Dich urplötzlich nicht mehr zu den Templern. Mithin bist Du ein feiges Subjekt und Wendehals... ich darf hier gar nicht sagen, was ich von Dir halte, Unsäglicher.

strizzi49 melden

Re: Bürgerrechtler Gaukk @PAstorPeitl: Selten so gelacht!
Wenn die Freiheitlichen Bürgerrechtler sind, dann bin ich Jesus und komme nach meiner Auferstehung nach Ostern über Dich !!!

PAstorPeitl melden

Re: Bürgerrechtler Gaukk Lieber Bin Maden,

Weiss zwar nicht, wie DU auf die Idee kommst, dass ich mich nicht mehr zu den Tempelrittern bekenne.

Ich bin immer noch Grossmeister des ordo templis laborate.

Kann allerdings nur eines sagen: Breiwick ist nicht bei unserer Obidienz.

Pastor Hans-Georg Peitl

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