Minister Unzuständig

Kioto-Debakel, Schwarzenegger und Öko-Steuern - der Umweltminister im Talk

von
Nikolaus Berlakovich - Minister Unzuständig

NEWS: Österreich verfehlt das Kioto-Ziel , versagt im Klimaschutz. Wie tun Sie dagegen?
Berlakovich: Österreich ist in Kioto ein ehrgeiziges Ziel eingegangen, das wir voraussichtlich nicht erreichen. Aber was den Treibhausgas-Ausstoß angeht, liegen wir im EU-Schnitt. Bedauerlich ist, dass in der Vergangenheit zu wenig getan wurde. Daher habe ich nach dreieinhalb Jahren Verhandlung das Klimaschutzgesetz zuwege gebracht, wo Ministerien und Länder mit im Boot sind.

NEWS: Man kann das Gesetz auch als Versuch sehen, die Verantwortung wegzuspielen.
Berlakovich: Überhaupt nicht. In meinem Bereich Landwirtschaft, Abfallwirtschaft erreichen wir die CO2-Sparziele. Bei Wirtschaft, Verkehr und Raumwärme nicht. Das ist jetzt kein „mit dem Finger auf andere zeigen“. Sondern wir müssen gemeinsam etwas tun.

NEWS: Ist das Umweltministerium mangels Generalkompetenz eine Fehlkonstruktion?
Berlakovich: Nein. Klimaschutz ist nicht das Anliegen eines einzelnen Ministers. Für mich ist es nicht zufriedenstellend, dass wir beim Klimaschutz hinten herumgurken. Wir müssen zu den Besten gehören. Das geht nur gemeinsam.

NEWS: Österreich gurkt schon lange herum. Und zuständig waren immer ÖVP-Minister.
Berlakovich: Das ist keine parteipolitische Frage, sondern liegt daran, dass in den genannten Bereichen zu wenig ambitioniert gearbeitet wurde.

NEWS: Gilt beim Klimaschutz das Floriani-Prinzip?
Berlakovich: Die Treibhausgasbilanz zeigt auf, wo die Versäumnisse liegen. Wir brauchen auch ein neues Denken der Menschen: unnötigen Autoverkehr vermeiden, Öffentliche benutzen, Rad fahren, regionale Lebensmittel kaufen.

NEWS: Dafür zu werben ist Ihre Aufgabe. Tun Sie genug?
Berlakovich: Ich stelle oft fest, dass die Menschen weiter sind als so mancher politische Entscheidungsträger. Meine Hauptaufgabe ist, zu zeigen, dass Klimaschutz Beschäftigung schafft und wir aus der Verbindung von Ökologie und Ökonomie einen Vorteil ziehen. Das haben einige noch nicht erkannt und glauben, Klimaschutz sei etwas, wo man zurück auf die Bäume muss.

NEWS: Schwarzenegger sagt, Klimaschutz muss „sexy“ werden. Sind Sie sexy genug als Klimaschützer?
Berlakovich: Schwarzenegger hat Recht: Als „Saturday Night Fever“ ins Kino kam, sind überall Discos entstanden. Gäbe es einen Actionfilm über Klimaschutz, würde die Idee breiter greifen. Ohne erhobenen Zeigefinger. Da stelle ich mich völlig in den Dienst der Sache.

NEWS: Was sagt Finanzministerin Fekter dazu, dass sie zu den zwei Milliarden Sparpaket für 2012 noch eine Milliarde Kioto-Strafe finden muss?
Berlakovich: Eine Milliarde dürfte zu hoch gegriffen sein. Aber sicherlich war das unerfreulich, keine Frage. Aber im Klimaschutzgesetz wurde geregelt, dass diese Verpflichtung aus dem Bundesbudget zu tragen ist, nicht von den Ländern oder Ministerien.

NEWS: Haben Sie in der ÖVP den nötigen Rückhalt?
Berlakovich: Parteiobmann Spindelegger unterstützt mein Konzept und hat mich zum Obmann-Stellvertreter gemacht. Klar gibt es unterschiedliche Interessen in der ÖVP. Es ist ein täglicher harter Kampf. In Zeiten der Finanzkrise gerät der Klimaschutz ins Hintertreffen. Aber ich halte die Klimakatastrophe für dramatischer als die Wirtschaftskrise.

NEWS: Müssten Sie dann nicht eine Öko-Steuerreform fordern? Eine höhere MÖSt?
Berlakovich: Eine ökologische Steuerreform wäre richtig, geht aber nur im Gesamtkonzept. Die MÖSt haben wir 2011 ja erhöht. Die Autofahrer stöhnen ohnehin schon unter dem hohen Spritpreis. Ich bin mehr für positive Anreize, umzusteigen.

NEWS: Stellen Sie sich nicht die Frage persönlichen Scheiterns, wenn Österreich im Klimaschutz versagt?
Berlakovich: In der Politik ist es wie im Sport: Mal gewinnt man, mal verliert man. Ich habe aus Niederlagen mehr Erfahrungen gesammelt als aus Erfolgen. Man muss aufstehen und weiterkämpfen.

NEWS: Wie viele Flops kann sich das Klima noch leisten? Berlakovich: Viele nicht mehr.

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