Süßen ohne Reue

300 Mal süßer als Zucker und ganz ohne Kalorien. Was das natürliche Süßkraut alles kann.

Wer will sein Essen schon mit Badezusatz aus dem Biomarkt süßen? All jene, die die Vorteile von Stevia erkannt haben. Unter Bezeichnungen wie dieser wurde das natürliche Süßkraut nämlich bisher verkauft. Ungeachtet der Tatsache, dass Stevia schon seit Jahrhunderten zur Zubereitung von Speisen genutzt wird, war seine Verwendung im westlichen Kulturkreis lange Zeit umstritten. Das hat nun ein Ende: Mit Anfang Dezember ist Stevia EU-weit als Lebensmittelzusatz zugelassen.

von Stevia - Süßen ohne Reue © Bild: Corbis

Das ursprünglich in Südamerika beheimatete Süßkraut hat eine Jahrhunderte lange Tradition. Vor rund 500 Jahren schon verwendeten es die Ureinwohner Paraguays und Brasiliens als Heilpflanze sowie für die Zubereitung von Speisen und Getränken. Sein wohl wichtigste Merkmal: Stevia süßt 300 Mal stärker als Zucker - und das ganz ohne Kalorien. Lange Zeit bekam man es hierzulande nur unter Decknamen wie "Badezusatz", "Dental-" oder Hautkosmetik". Jene, die um seine Vorteile wussten, ließen sich von diesen Bezeichnungen nicht abschrecken und nutzten es zum Süßen ihres Essens.

Besser als Zucker?
Womit wir auch schon bei den Vorteilen des Süßkrauts wären. Wer abnehmen, aber nicht auf Süßes verzichten will, ist mit Stevia gut beraten. Von Zucker wissen wir, dass er den Blutzuckerspiegel kurzfristig in die Höhe schnellen lässt, um ihn danach wieder steil abfallen zu lassen. Das führt zu Heißhungerattacken. Nicht so bei Stevia. Das Süßkraut hat nämlich keinen Effekt auf den Blutzuckerspiegel und den Insulinhaushalt. So brauchen wir auch nicht fürchten, dass es die unstillbare Lust auf Süßes auslöst.

Unbedenklich ist es auch für die Zähne: Im Gegensatz zu Zucker verursacht es kein Karies. Einziger Wermutstropfen: Manche Produkte hinterlassen einen krautigen, andere einen metallischen Nachgeschmack. Wer sich durch das Angebot kostet, wird aber bald herausgefunden haben, welches Produkt das für seinen Geschmack beste ist.

Verstecktes Risiko?
Lange Zeit standen die Inhaltsstoffe der Pflanze, die Stevioglycoside, im Verdacht, Krebs zu verursachen. Bei einem Tierversuch stellte sich heraus, dass hohe Mengen bösartige Tumore auslösen könnten. Die getesteten Mengen waren jedoch dermaßen hoch, dass sie für den Menschen gar nicht mehr verträglich wären. Nun stellte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit fest, dass das Süßungsmittel weder krebserregend ist noch die Gene verändert oder die Fruchtbarkeit stört. Mit anderen Worten: Dem aktuellen Wissensstand zufolge ist der Konsum von Stevia komplett unbedenklich.

Wo steckt es drin?
Die Coca-Cola Company hat weltweit bereits über 30 Produkte mit Stevia-Extrakten im Handel. So in der Schweiz, in Kanada, in Japan und den USA. Seit 2009 gibt es in Frankreich ein mit Stevia gesüßtes "Fanta Still". Dieses enthält 30 Prozent weniger Zucker. In Österreich könnte es bald mit Stevia gesüßte Joghurts, Müslis, Backwaren, Getränke, Eis, Schokolade und andere Süßigkeiten geben.

Kochen und backen mit Stevia
Auch für den heimischen Gebrauch, etwa für die Zubereitung von Cremen und Rührkuchen, eignet sich das Süßkraut. Gina Martin-Williams, Autorin von "Das Stevia-Backbuch", süßt Kaffee, Salate, Paradeissaucen, Topfencremen und Kaiserschmarren mit Stevia. Für Kuchen und Torten reichen bereits fünf bis sechs Teelöffel Stevia-Granulat. Ein frisches Blatt zum Süßen des Tees, rät die TCM-Ernährungsexpertin Claudia Nichterl. Im Gegensatz zu Zucker trägt Stevia aber nicht dazu bei, dass der Kuchen Volumen bekommt. Der Gesundheitsaspekt geht damit auf Kosten der Konsistez.

Das Ende des Zuckers?
Was bedeutet die Zulassung von Stevia als Lebensmittel für die Zuckerindustrie? Laut dem Lifestyle-Mediziner Dr. Christian Matthai spendet Stevia zwar Süße, schmeckt aber nicht wie Zucker. "Der Zucker wird daher nie vom Markt verschwinden." Man suche heute aber vermehrt nach Alternativen. Laut Nichterl sind wir "ein Land, das die Konditorenkunst pflegt." Und hierbei ist Zucker unabkömmlich. Selbst der Zuckerkonzern Agrana gibt sich zuversichtlich: "Stevia ist keine Konkurrenz zu Zucker, sondern eher zu anderen Süßungsmitteln", etwa synthetischen Süßstoffen wie Aspartam und Saccharin, so Unternehmenssprecherin Christine Göller. Und was halten Sie von Stevia?