Seine letzten Minuten

Weiter Rätselraten um Tod des Ex-Machthabers. Was geschah wirklich?

Die letzten Stunden und Minuten von Libyens früherem Machthaber Muammar al-Gaddafi taugen schon am Tag nach seinem Tod zur Legendenbildung. Hockte er am Ende wirklich im Abwasserkanal? Geriet er unter Feuer seiner eigenen Leute? Wurde er aus nächster Nähe erschossen?

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    Das libysche Volk feiert seine Befreiung.

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    Der tote Ex-Diktator Gaddafi wird unterdessen immer noch eifrigst fotografiert.

"Dies ist der Platz der verfluchten Ratte Al-Gaddafi - Gott ist groß", hat jemand über den Ausgang von zwei versandeten Betonrohren in Sirte gesprüht, in denen Gaddafi angeblich letzte Zuflucht fand. Dieses Bild, der Despot in der Kanalisation, würde prächtig in die Darstellung der Übergangsregierung passen - sie hat den Diktator aus Tripolis hinaus und bis in seinen Geburtsort Sirte gejagt. Gefleht haben soll er dort, als sie ihn aus seinem Versteck zerrten: "Nicht schießen, nicht schießen." Aber wer hat Gaddafi dann erschossen?

Libyens Ministerpräsident Mahmud Jibril erklärte das in der Nacht so: Zuerst hätten die Milizen Gaddafi in Sirte gefangen genommen - lebendig. Dann hätten sie ihn auf einen Pritschenwagen gepackt und seien mit ihm Richtung Misrata gefahren, an die Küste. Auf dem Weg aber sei der Transport von Anhängern des langjährigen Diktators beschossen worden - Gaddafi sei schwer verletzt worden. So schwer, dass er kurz vor dem Krankenhaus von Misrata verblutete, erklärte Jibril laut einem Bericht des Senders CNN.

Gaddafi-Sohn Saif al-Islam angeblich verhaftet
Einen Tag nach dem Tod Gaddafis ist am Freitag angeblich dessen zweitältester Sohn Saif al-Islam angeblich festgenommen worden. Kämpfer des Nationalrats hätten ihn in Slitan, 160 Kilometer östlich von Tripolis, gefangen genommen, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabiya unter Berufung auf einen der Beteiligten. Er soll am Rücken verletzt sein, hieß es. Offiziell wurde der Bericht noch nicht bestätigt.

Sollte sich die Meldung bewahrheiten, dann wäre mit Saif al-Islam der letzte, noch in Libyen flüchtige Gaddafi-Sohn dingfest gemacht worden. Am Donnerstag waren bei den letzten Kämpfen in Sirte, 410 Kilometer östlich von Tripolis, Gaddafi selbst und sein Sohn Motassim festgenommen und getötet worden. Am Donnerstagabend hatte das offizielle Fernsehen des Übergangsrates auch Saif al-Islams Tod gemeldet. Doch anders als im Falle des Vaters und des Bruders tauchte sein Leichnam nicht im Krankenhaus von Misrata auf.

Letzte Videobilder vom noch lebenden Gaddafi:

Genau gezielt?
Unterdessen sind Zweifel an der Version, wonach Muammar Gaddafi auf dem Weg ins Spital verblutet sei, aufgetaucht. Genährt werden diese Zweifel durch ein wackliges Video des Fernsehsenders Al-Arabiya: Dort ist Gaddafi nach seiner Festnahme in Sirte im blutgetränktem Hemd zu sehen - wankend, aber noch auf eigenen Beinen. Er scheint zu sprechen, seine rechte Hand zu bewegen. Auf späteren Bildern ist Gaddafi tot. Am Kopf ist mindestens eine Schusswunde zu sehen. Haben seine Anhänger bei dem Überfall so genau gezielt?

"Mit voller Absicht getötet"
Wohl nicht, vermutet Al-Arabija und liefert eine brutale, aber plausibel klingende Erklärung - samt Quelle: Der ehemalige Diktator wurde nach seiner Festnahme mit voller Absicht getötet. Zu dem Schluss komme zumindest ein libyscher Arzt, der Gaddafis Leiche in Misrata obduzierte. Seine These: Gaddafi wurde aus kurzer Distanz in den Kopf und in den Bauch geschossen.

Kugeln von Getreuen selbst?
Die Kugeln könnten nach Angaben des Senders Al Jazeera sogar von seinen Getreuen selbst abgefeuert worden sein. "Einer von Muammar Gaddafis Leibwächtern hat ihm in die Brust geschossen", zitiert der Sender auf seiner Internetseite einen Kämpfer. Andere Soldaten sprechen davon, dass der ehemalige Diktator schon verwundet war, als er aus dem Kanalrohr gezogen wurde. Dorthin soll er geflüchtet sein, nachdem sein Konvoi auf der Flucht aus Sirte von NATO-Truppen aus der Luft beschossen worden sein soll (angeblich unwissentlich).

Mit "Kultur des Missbrauchs" brechen
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert, die Todesumstände genau zu untersuchen. Die neue Regierung müsse mit Gaddafis "Kultur des Missbrauchs" vollständig brechen und Menschenrechtsreformen durchsetzen.

Leichnam von Hunderten Menschen angeschaut
Nach seinem Tod soll es um Gaddafi eine regelrechte Leichenschau gegeben haben. Die "New York Times" berichtet, dass sein Leichnam in Misrata von Hunderten Menschen angeschaut wurde. Es gibt Bilder, auf denen der Leichnam umringt ist von Menschen, die ihn mit ihren Handys fotografieren. Feiernde Soldaten der Übergangsregierung gaben die Trophäen der Festnahme von Hand zu Hand weiter: Gaddafis goldene Pistole, sein Satellitentelefon, seinen braunen Schal und einen schwarzen Stiefel.

Weiterführender Link:
Video vom toten Gaddafi auf Al-Jazeera

Kommentare

Ivoir
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Was geschah wirklich? Wartet ein paar Wochen und die Todesschützen werden mit stolz geschwellter Brust ihre glorreiche Tat in die welt hinaus posaunen. Allah Akhbar; aber die die Menschen sind es nicht!

untoter melden

Re: Was geschah wirklich? Das kommt halt heraus, wenn der Westen einigen Bloßfüssigen Waffen gibt.
Hier geht es nur um Öl, nicht um Demokratie oder gar Menschen!

Ignaz-Kutschnberger
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@untoter Untoter... ich nehme mal an du hast eh keinem Waffen gegeben, oder??...Also, was regst dich dann auf...war zwar nett deine Meinung zu hören, aber ehrlich gesagt tut die nicht wirklich was zur Sache. Überleg dir lieber wie Österreich in den nächsten Jahren ein paar Millionen Euro für diese Bank in Kärnten aufbringen soll und sei froh dass uns die Bloßfüßigen wie du sie so nett nennst uns Öl liefern, damit du und ich uns im Winter den Arsch wärmen können... war das jetzt auch für die verständlich genug ausgedrückt?! ;-) Also dann...nix für Ungut! Und ob es hier um Öl oder Demokratie geht, kann ich leider nicht wirklich beurteilen - aber es steht für mich fest, dass ein Volk seinen Diktator endlich "abgewählt" hat!

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