Jeans nach Maß

Wiener Designerduo erfüllt den Traum von perfekt sitzenden Jeanshosen

von Gebrüder Stitch - Jeans nach Maß © Bild: Gebrüder Stitch

"Es war Zufall. Wir sind bei einem Kaffee in einem Lokal zusammen gekommen und haben plötzlich die Idee für in lokaler Maßarbeit hergestellte Jeans gehabt. Im Mai 2010 haben wir die Räumlichkeiten einer Galerie gemietet, gemietete Maschinen hinein gestellt und begonnen", erzählt Piffl vor der kleinen Halle, in der sich nun am Wiener Gaudenzdorfer Gürtel Kundenkontakte, Produktion etc. von "Gebrüder Stitch" abspielen. An sich sollte das Experiment zunächst einmal als Pilotprojekt dienen, das die beiden Jungunternehmer - sie kamen aus dem Marketing, nicht aus dem Schneiderhandwerk - erst nach einer intensiveren Analyse zum Geschäft machen wollten. Doch es kam anders. Piffl: "Die Nachfrage war so groß, dass wir nach drei Monaten die Produktion mit 1. August vergangenen Jahres - also praktisch sofort - an unseren neuen Standort verlegt haben."

Die Suche nach dem perfekten Sitz
Den Hintergrund bilden die bisher brach gelegenen Konsumentenwünsche nach wirklich gut sitzenden Jeans. "Was passiert? Männer zum Beispiel suchen unter der Massenware nach einer passenden Jeans und kaufen die dann so lange nach, bis der Hersteller etwas daran ändert. Dann stehen sie wieder vor den Stapeln im Kaufhaus und suchen", meint "Gebrüder Stitch"-Co-Begründer Lanner. Frauen wiederum hätten natürlich ebenso gern wirklich passende Jeans - plus individuelle Noten, was Design, Farben, Garn, Siebdruck, Gürtel etc. betrifft. Das kann die Textilindustrie nicht befriedigen. Piffl: "Dort wird der gesamte Konfektions- und Finishingprozess in einzelne Handgriffe zerlegt, die jeweils von einer anderen Person erledigt werden, insgesamt über 30 Personen. Für Zuschnitt, Nähen und Veredelung einer 'Stangenjeans' benötigt die Industrie rund 20 Minuten Durchlaufzeit. Bei unseren Maßjeans ist es das Zehnfache".

Große Nachfrage nach Maßstücken
Die Nachfrage ist derzeit deutlich größer als die Produktionskapazität. Gesetzt wird auf möglichst lokale Herstellung in und um Wien. Nicht alles kann an den fünf Nähmaschinen in der kleinen Werkhalle erfolgen, wenn - wie derzeit - pro Monat rund 50 Stück produziert werden sollen. Wobei es zwei Varianten gibt: Beim "Halbmaß" folgt auf das 60-minütige individuelle Beratungs- und Verkaufsgespräch samt Maßnehmen ein Teil der Produktion bei Bologna in Italien. Der Kunde kann die Jeans nach der Anprobe gleich mitnehmen (ab 220 Euro). Beim "Vollmaß" erfolgt die Produktion ausschließlich in Wien, da ist auch eine Zwischenanprobe vorgesehen (ab 340 Euro).

Keine Konkurrenz
Stellt sich natürlich die Frage, warum herkömmliche Herren-oder Damenschneider sich nicht auch in diesem Bereich engagieren. Moriz Piffl: "Das ist nicht deren Geschäft. Da gehört ganz bestimmtes Fachwissen, da gehören spezielle Maschinen dazu. Und dann kommt auch noch das Know-how für das Waschen der Jeans." Günstigere Konkurrenz von Unternehmen, die Kunden auffordern, ihre Maße selbst zu nehmen und dann per E-Mail etc. an den Produzenten zu schicken, fürchten die "Gebrüder Stitch" nicht: "Man kann Konsumenten vielleicht binnen einer halben Stunde beibringen, wie man für ein Hemd Maße abnimmt, für Jeans ist das zu komplex."

Maßjeans als Nischenprodukt
Weil der Handel im großen Stil als Vertriebsweg der maßgeschneiderten Hosen nicht zur Verfügung steht, wird das Geschäftsfeld von Piffl und Lanner wohl immer eine lukrative Nische bleiben. Um aber das Produktionsvolumen bei gleich bleibender Qualität doch noch zu vergrößern, denken die beiden Unternehmer neben dem Tagesgeschäft derzeit intensiv darüber nach, wie man die Effizienz verbessern und das Geschäftsfeld noch ausweiten könnte: Jetzt auch mit individuell hergestellten Gürteln, eigenen Gürtelschließen, Accessoires und Knöpfen. Dahinter steckt die Idee, dass Nähen und Schneidern Kulturgüter sind. Nicht zuletzt deshalb haben die "Gebrüder Stitch" auch ihre "Stitching-Sessions" ins Leben gerufen. Einmal wöchentlich kommen jeweils vier bis sechs Nähwillige mit ihren eigenen "Projekten" und werken am Gaudenzdorfer Gürtel unter tatkräftiger Anleitung von Maßdesigner Walter Lunzer.

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