Das oberste Gebot ist Menschlichkeit:
Genfer Konventionen werden 60 Jahre alt

Abkommen soll Menschen in den Konflikten schützen IKRK-Chef: Humanitäres Völkerrecht wird bedroht

Das oberste Gebot ist Menschlichkeit:
Genfer Konventionen werden 60 Jahre alt

"Wir stellen regelmäßig Verletzungen des internationalen humanitären Rechtes fest", erklärt IKRK-Präsident Jakob Kellenberger. Dies reiche von der massenhaften Vertreibung von Zivilisten in Kriegen bis zur schlechten Behandlung von Gefangenen. Die internationale Hilfsorganisation Oxfam in New York fürchtet gar, dass die vergangenen Jahre "die zwei schlimmsten Jahre für Zivilisten in Konflikten" waren.

Fast die ganze Welt hält sich daran
Dabei ist in den Konventionen und ihren Zusatzprotokollen klar festgelegt, dass die Teilnehmer eines bewaffneten Konfliktes das humanitäre Völkerrecht einhalten müssen. "Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Mitglieder der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder irgendeine andere Ursache außer Kampf gesetzt sind, werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt, ohne jede auf Rasse, Farbe, Religion oder Glauben, Geschlecht, Geburt oder Vermögen oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungsmerkmal beruhende Benachteiligung", heißt es in den Abkommen, an die fast alle Staaten der Welt gebunden sind.

Der Satz steht in allen vier Genfer Konventionen an gleicher Stelle mit identischem Wortlaut und stellt laut IKRK die Grundlage der gesamten Abkommen und zugleich ihre Kurzfassung dar. "Er gilt in jeder kriegerischen Auseinandersetzung, unabhängig davon, ob die kriegführenden Mächte die Genfer Abkommen ratifiziert haben oder nicht", betont die Organisation. Ende 2007 waren demnach 194 Staaten Vertragspartner der Abkommen.

Humanitäres Völkerrecht bedroht
Das humanitäre Völkerrecht sei "durch die zunehmende Komplexität bewaffneter Konflikte" bedroht, gibt IKRK-Chef Kellenberger zu. Bisweilen sei es schwierig, Kämpfer und Zivilisten auseinanderzuhalten. Dazu komme "das Phänomen des Terrorismus". Dennoch bestehe kein Zweifel daran, dass die geltenden Regeln "angemessen" seien. Dies habe auch US-Präsident Barack Obama anerkannt, hebt IKRK-Abteilungsleiter Knut Doermann hervor. Obamas Vorgänger George W. Bush und seine Regierung hatten die Organisation mit der Behandlung afghanischer Gefangener gegen sich aufgebracht. Auch wie US-Soldaten mit irakischen Häftlingen umgegangen sind, war nach Einschätzung des IKRK "jenseits des Hinnehmbaren".

Dass die Parteien eines bewaffneten Konfliktes sich stärker an die Abkommen halten, sei nach wie vor das wichtigste Ziel für das Rote Kreuz, erklärt Kellenberger. Bei einer Umfrage des IKRK unter 4000 Menschen in acht Kriegsländern stellte sich heraus, dass nicht einmal die Hälfte wusste, dass es die Genfer Konventionen überhaupt gibt.

(apa/red)