Freud und Leid liegen ganz eng beisammen:
Rekordhatz wurde zu großem Sekundenkrimi

Mayr blieb acht Sekunden unter der Rekordmarke Weidlinger verpasste Uralt-Rekord um 17 Sekunden

So eng können Freud und Leid beisammen liegen: Während Berglauf-Weltmeisterin Andrea Mayr bei ihrem Marathon-Debüt am Sonntag in Wien in 2:30:43 Stunden gewann und den ÖLV-Rekord um acht Sekunden unterbot, verpasste ihr oberösterreichischer Landsmann Günther Weidlinger, der ebenfalls erstmals über 42,195 km antrat, in 2:12:39 die angestrebte Rekordmarke um 17 Sekunden. Damit ist weiterhin der Tiroler Gerhard Hartmann, der am 13. April 1986 in Wien in 2:12:22 triumphierte, österreichischer Rekordmann über die längste olympische Laufdistanz.

Freud und Leid liegen ganz eng beisammen:
Rekordhatz wurde zu großem Sekundenkrimi

Die entscheidenden Sekunden gewonnen bzw. verloren haben Mayr und Weidlinger auf den letzten zwei Kilometern. "Da habe gemerkt, jetzt wird's zach", erklärte Mayr, die drei Kilometer vor dem Ziel eigentlich schon die Rekordmarke von Eva-Maria Gradwohl (2:30:51/13. April 2008 in Linz) "abgeschrieben" hatte. "Da es für mich aber noch immer um den Sieg ging, habe ich aufgehört, an die Zeit zu denken und dadurch hat sich die Verkrampfung gelöst."

Und auf der Ringstraße hat Mayr dann auf einmal den "entscheidenden Push" bekommen. "Da habe ich gewusst, dass mich die Leute heim ins Ziel tragen werden", betonte die 29-jährige Medizinerin, um dann noch lachend anzumerken: "Dieser Rekord war Maßarbeit."

Allerdings war ihr Marathon-Debüt am seidenen Faden bzw. an einem vom intensiven Training enorm angeschlagenen linken Unterschenkel bzw. Fuß gehangen. "Vor etwas mehr als fünf Wochen, als mir jedes Training extrem wehgetan hatte, ließ ich eine Magnetresonanz-Untersuchung machen", verriet die Gewinnerin, die vor dem Marathon sämtliche Fragen nach ihrem lädierten Bein abgewehrt hatte. Auch für Fragen nach der angestrebten Zeit hatte sie nur ein "Quält mich nicht" als Standard-Antwort übrig.

Linkes Bein kaputt
Die MR-Diagnose war damals vernichtend, wie Mayr beim Siegerinterview verriet. In ihrem linken Bein bzw. Fuß ist so viel kaputt, dass man schon ein Fachmann sein muss, um alles zu verstehen. "Es war ein klassisches Überlastungssyndrom: Knochenmarksödem mit Stressfraktur im Schienbein, gerissene Sehne, dazu auch noch die Achillessehne verletzt und und und", erläuterte die SVS-Athletin, die ihr Antreten in Wien mit einem Schlag in Gefahr sah.

Auslöser für dieses kaputte linke Bein war eine ältere Verletzung. "Ich habe mir einmal den großen Zehenbeuger gerissen, das war vor längerer Zeit. Das ist ein Muskel, der das Fußgewölbe stabilisiert", verriet Mayr. Und durch das harte Marathon-Training wirkte sich dieser fehlende Stabilitätsfaktor verheerend auf das Bein aus. "Ich muss deshalb meinem linken Fuß danken, dass er mich ins Ziel getragen hat. Die letzten Kilometer waren aber sicher auch ein Sieg des Kopfes über den Körper", merkte Mayr an, die nun ihrem blessierten Bein "einige Wochen" wohlverdiente Pause gönnen muss, bevor sie sich Gedanken über die weiteren Saisonziele machen kann.

Weidlinger mit letztem Benzin
Bei Weidlinger war ein solcher mentaler Kraftakt nicht mehr möglich. "Ab Kilometer 35 musste ich extrem kämpfen. Bis Kilometer 40 ist mir das gelungen. Doch dann ist es mir extrem schlecht gegangen, weil meine Füße extrem kaputt waren. Ich bin mit dem letzten Benzin ins Ziel gekommen und hatte am Ende Mühe, mich überhaupt auf den Beinen zu halten", beschrieb der 31-jährige Oberösterreicher seine Eindrücke auf den letzten Metern, ehe er seiner ersten Enttäuschung - "Ich war um 18 Sekunden zu langsam! Gerhard hat um 100 Meter gewonnen" - um den so knapp verpassten Hartmann-Rekord Luft machte.

"Es tut mir so leid", versuchte auch Mayr ihren Landsmann zu trösten. Mit entsprechendem Abstand konnte sich Weidlinger dann aber doch ein wenig über seine tolle Debüt-Leistung und die bisher zweitbeste Zeit eines Österreichers freuen. "Ich bin sicher, dass es mit dem Rekord klappen und einmal in den Ergebnislisten stehen wird: Günther Weildinger 2:0 und irgendwas", dachte der ehemalige Hindernis-Spezialist bereits an seine großen Marathon-Ziele für die Zukunft. Wie man es macht, hat Weidlinger am Sonntag bei Mayr gesehen. Um ihr Finish mitverfolgen zu können, unterbrach er sogar die ersten Interviews.

(apa/red)