Wiener Tierschützer aus U-Haft entlassen: "Ich würde das morgen wieder tun"

Balluch kann Zeit in Haft "gar nicht in Worte fassen" Van der Bellen fordert neuen Anti-Mafia-Paragrafen

Wiener Tierschützer aus U-Haft entlassen: "Ich würde das morgen wieder tun"

Balluch kündigte an, seine Tierrechts-Aktivitäten auf jeden Fall fortsetzen zu wollen: "All das, was ich gemacht habe, ist vollkommen legal! Ich habe nichts eingeschlagen, nie etwas beschädigt, zu keinen Verbrechen aufgerufen! Das, was ich gemacht habe, würde ich morgen wieder machen!"

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei hat Balluch erhoben. Diese hätte bewusst gegen ihn ermittelt und Aussagen, die übers Internet Verbreitung fanden, aus dem Kontext gerissen, sagte der Tierrechts-Aktivist: "Die Polizei stellt es so hin, als hätte ich etwas Strafbares gemacht."

Seit elf Jahren im Tierschutz
Er widme sich seit elf Jahren eingehend dem Tierschutz. Natürlich habe er "ab und zu eine radikale Meinung geäußert". Im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung sei das aber zulässig, meinte Balluch.

Ihm nun beispielsweise den Satz "Ich freue mich über den Ruin der Tierindustrie" zum Vorwurf zu machen, sei demgegenüber "ein Wahnsinn": Die Zusammenhänge, das, was er vorher und nachher gesagt habe, fehle in den Akten vollständig. "Der Satz ist einfach aus dem Kontext gerissen worden", betonte Balluch. Die Polizei habe offenbar eine Verdachtslage konstruieren wollen.

Computer verschlüsselt
Die Polizei mache ihm weiters zum Vorwurf, seinen Computer verschlüsselt und haufenweise Datenmaterial gesammelt zu haben. Auch darin sei nichts Unrechtes zu erblicken: "Die Akten und Daten, die vielleicht zu einem halben Prozent auch Informationen über kriminelle Fälle enthalten, muss ich als Tierschutzexperte haben!" Er bzw. sein Verein hätten niemals gegen die Gesetze verstoßen.

Auf die Frage, wie es ihm im Gefängnis ergangen sei, erwiderte Balluch: "Es war ein Wahnsinn! Ich kann das gar nicht in Worte fassen." Er sei 110 Tage lang unter falschen Anschuldigungen der Freiheit beraubt worden, sei jetzt das Sonnenlicht gar nicht mehr gewohnt: "Den Sommer wollte ich einem Orang-Utan-Projekt widmen. Ich bin aufgrund der Festnahme leider nicht mehr dazu gekommen, die Termine abzusagen."

Freilassung "völlig überraschend"
Die nunmehrige Freilassung sei für ihn "völlig überraschend" gekommen: "Ein Wärter ist auf mich zugekommen und gesagt, ich soll meine Sachen z'sammpacken und kann jetzt gehen."

Die Oberstaatsanwaltschaft hatte sich für die Enthaftung der Tierschützer ausgesprochen, da diese überwiegend gerichtlich unbescholten sind und eine mehr als drei Monate andauernde U-Haft bei einer Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren - das ist der Strafrahmen für die Bildung einer kriminellen Organisation - unangemessen wäre. Eine Verlängerung der U-Haft wäre im Hinblick auf das "Ausmaß der realistischerweise zu erwartenden, unmittelbar zu vollziehenden Strafen" wohl "unverhältnismäßig", hieß es in eienr Presseerklärung.

Beweismittel sichergestellt
Die Oberstaatsanwaltschaft machte weiters darauf aufmerksam, dass mittlerweile wesentliche Beweismittel sichergestellt und nun auszuwerten sind, "so dass eine Inhaftierung der Beschuldigten als Maßnahme zur Sicherung des Verfahrens nicht - mehr - erforderlich ist".

Auf den Fortgang der Ermittlungen hätten die jüngsten Entwicklungen keine Auswirkungen, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Erich Habitzl: "Diese können erst finalisiert werden, wenn die abschließenden Erhebungsergebnisse vorliegen." Das sei noch nicht der Fall. Wann feststeht, ob und in welche Richtung Anklage erhoben wird und ob vor allem der Vorwurf der Bildung bzw. Beteiligung an einer kriminellen Organisation "halten" wird, sei derzeit nicht abschätzbar, so Habitzl auf Anfrage der APA.

Seit Wochen galt die Untersuchungshaft als äußerst umstritten. Die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" begrüßte in einer ersten Reaktion die Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft, warnte aber vor überstürzter Freude. "Mit der Aufhebung der Untersuchungshaft wurde zwar ein Unrecht beendet, allerdings muss geklärt werden, wie es überhaupt zu solchen Zuständen kommen konnte", so "Vier Pfoten"-Geschäftsführer Helmut Dungler in einer Presseaussendung.

Van der Bellen erfreut
Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hat die Enthaftung der Tieraktivisten begrüßt. Er verlangte aber gleichzeitig die Novellierung des sogenannten Anti-Mafia-Paragrafen, der gegen die organisierte Kriminalität geschaffen sei und "nicht gegen die Arbeit von NGOs eingesetzt werden" solle. "Dieser Spuk muss ein Ende haben", so Van der Bellen.

Das BZÖ nutzte die Enthaftung für eine Attacke gegen Justizministerin Maria Berger (S). Generalsekretär Martin Strutz warf der Ministerin vor, sich von den Grünen "erpresst" haben zu lassen. Konkret witterte er einen möglichen Zusammenhang mit der Zustimmung der Grünen zum SPÖ-Entlastungspaket.

(apa/red)