Mode, Sex & Moral: Dov Charney bringt das
hippe US-Label American Apparel nach Wien

Erotische Öko-Mode zu erschwinglichen Preisen FORMAT: Sexy Fair Trade soll Österreich begeistern

In dem gut 300 Quadratmeter großen Laden an der Ecke West 4th und Broadway in New York wimmelt es nur so von jungen Frauen und Männern. Sie fühlen sich in dem schneeweißen, futuristisch konzipierten Shop mit der dröhnenden Rockmusik wohl, wahrscheinlich, weil es dort mehr als „nur“ hippe und preiswerte Bio-Mode gibt. So starren einige der Jungs ungeniert auf die auffallend hübschen Verkäuferinnen, die im knappen Outfit und mit viel Schminke im Gesicht zur Begrüßung herbeieilen und mit übertrieben süßlicher Stimme fragen: „Hi, how are you? Can I help you?“

Mode, Sex & Moral: Dov Charney bringt das
hippe US-Label American Apparel nach Wien

Will man bei American Apparel (AA) arbeiten, muss man also die richtigen Körpermaße und natürlich auch das richtige Alter haben – eine Philosophie, zu der sich Firmengründer Dov Charney gerne bekennt. „Klar sind unsere Mitarbeiter jung, attraktiv und sexy. Sex ist ja für die Marke wichtig.“ Mit dem 1997 gegründeten Label American Apparel hat der exzentrische Unternehmer seinen amerikanischen Traum von Geld und Ruhm im Eiltempo verwirklicht und ist in nur sechs Jahren zur größten Textilfabrik Amerikas aufzusteigen. Jetzt kommt AA auch nach Österreich auf die Wiene rMariahilfer Straße.

Bio-Mode für die Welt
Knallgelbe Schals und blutrote Pullover leuchten in den Regalen internationaler Öko-Boutiquen. Lange ist die Zeit vorbei, als sich Öko-Freaks in graue Jutesäcke und kratzige Strickpullis hüllten. Bio-Mode ist angesagt und extrem schick. Madonna, Julia Roberts und Angelina Jolie betten ihre Kinder ausschließlich in Öko-Windeln, und Designerin Stella McCartney, seit Jahren als Öko-Spießerin verschrien, greift nur noch Bio-Baumwolle an. Doch auch andere Modeschöpfer setzen auf eine bizarre Mischung aus Coolness und Moral, entwerfen Mode aus umweltschonenden Stoffen oder gründen gleich ein Ethik-Label.

Neuer Öko-Laden für Wien
Auf den ersten Österreich-Shop von AA warten heimische Öko-Freaks schon seit Jahren. Die genauen Pläne Charneys werden zwar (noch) nicht verraten, doch wenn man sich die Expansion in anderen europäischen Metropolen ansieht, ist anzunehmen, dass es mittelfristig gut zehn Shops sein werden. In Österreich dürfte die Marke rasch von sich reden machen, zumal sonstige Öko-Mode hier entweder zu teuer oder zu wenig hip ist.

Charney mischt den Markt hingegen mit vergleichsweise günstigen und dennoch attraktiven Schnitten auf. „Das Label hat in Österreich sehr gute Erfolgschancen, denn die Kombination aus Öko, Ethik und Sex ist absolut neu. American Apparel steht für pestizidfreie Öko-Baumwolle und stellt Kleidung her, über die Modeexperten wiederholt meinten, sie würde nie mehr zum Renner werden: einfache T-Shirts mit Rund- und V-Ausschnitt, kurz- und langärmelige Kleider, Sweatshirts, Kapuzenjacken, Jogginghosen, Regen- und Windjacken, Leggings, Damen- und Herrenslips, Gürtel, Schals, kurz: alles, was unter dem Begriff Basics läuft.

Im Gegensatz zur Konkurrenz steht auf den Etiketten aber nicht Thailand, Taiwan oder Vietnam, sondern „made in Downtown L. A.“, was nicht nur politisch korrekter, sondern auch lässiger klingt. Österreichs Modeplayer dürfen also mit starkem Gegenwind von der US-Westküste rechnen. Neben Sportmarken wie adidas, Nike und Puma werden vor allem H&M, Zara und Mango die Ankunft der hippen Brand zu spüren bekommen. Preislich liegt die Brand nur wenig über H&M, Mango und Zara, T-Shirts gibt es ab 15 Euro.

Faire Arbeitsbedingungen
Die Mitarbeiter im Laden am Broadway laufen alle in AA-Klamotten herum, die Mädchen tragen enge Tops und Miniröcke, die Jungs legere T-Shirts und weite Hosen. Einen Job bei AA zu ergattern ist nicht leicht. Denn für Charney will jeder arbeiten, zumal die Bezahlung gut ist und er seinen Beschäftigten gelegentlich sogar Anteile am Unternehmen schenkt. Seine Arbeiter, von denen die meisten Immigranten aus Lateinamerika sind, erhalten mit rund 13 Dollar Stundenlohn mehr als das Doppelte des amerikanischen Mindeststundenlohns. Der Kanadier zahlt ihnen sogar Krankenversicherungsbeiträge, Englischkurse und oft auch Massage- und Yoga-Kurse.

Sex sells
Charneys Erfolgsrezept ist ungewöhnlich, basiert im Grunde aber auf der altbewährten Formel „Sex sells“. Wie der 39-Jährige gerne betont, wäre er als braver Junge niemals dort angelangt, wo er heute ist. Denn American Apparel soll vor allem eines sein: cool. Und cool ist man nicht, wenn der Chef prüde im grauen Anzug herumläuft, sondern wenn er wie ein Pornodarsteller aus den Siebzigern aussieht – mit dickem Schnauzer, Koteletten, mit leicht fettigem Haar und riesiger Sonnenbrille.

Den gesamten Bericht lesen Sie im neuen FORMAT 32/2008