Wenn Schlaf plötzlich übermächtig wird: Narkolepsie nicht heilbar, aber behandelbar

Phänomen stressgeplagter Menschen der Gegenwart Beginn: Vermehrte Schläfrigkeit & Einschlafattacken

"Ich kippe gleich um vor Müdigkeit!" - Dieses Gefühl kennt jeder, der einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich hat oder am Vortag erst spät den Weg ins Bett gefunden hat. Für manche Menschen ist dies aber der Normalzustand: Sie sind ständig müde und laufen Gefahr, von einem Moment auf den nächsten die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren und einfach umzukippen. Diese Menschen leiden an Narkolepsie, einer Schlafstörung, der eine neurologische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus zu Grunde liegt.

Der Begriff "Narkolepsie" kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "von Schläfrigkeit ergriffen". Die Krankheit ist nur Wenigen ein Begriff. Filmfreunde erinnern sich vielleicht an kleine Szenen aus "Der Stadtneurotiker" oder "Moulin Rouge" mit Nicole Kidman, in denen Narkolepsie eine Rolle spielt. Gemeinhin werden Narkoleptiker jedoch häufig als Faulpelze oder Schlafmützen abgestempelt oder die Krankheit wird eher ins Lächerliche gezogen wie in dem Film "Rat Race", in dem Rowan Atkinsons Schlafattacken für große Erheiterung in den Kinosälen sorgten.

Phänomen stressgeplagter Menschen
Dabei ist Narkolepsie nicht nur ein Phänomen stressgeplagter Menschen der Gegenwart, sondern bereits seit langem bekannt. So beschreibt schon der Philosoph Moses Mendelssohn im 18. Jahrhundert aus heutiger Sicht eindeutige Symptome. Weniger wissenschaftlich fundiert ist die Vermutung, dass Napoleon Narkoleptiker gewesen sei und durch eine Schlafattacke die Schlacht bei Waterloo verloren haben soll. Dagegen ist die Erkrankung bei Lenin und Alfred Hitchcock schon eher verbürgt. Vor rund 130 Jahren wurde das Leiden erstmals genauer beschrieben und seitdem als Krankheit akzeptiert.

Heute gilt die Narkolepsie als chronische Krankheit, die unheilbar, aber behandelbar ist. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse machen einen Mangel am Botenstoff Hypocretin im Gehirn als Ursache aus. Es wird vermutet, dass ein Immundefekt die Zellen zerstört, die Hypocretin produzieren. In der Folge kann der Mensch dem normalen Schlaf- und Wachrhythmus nicht mehr folgen und die typischen Narkolepsie-Symptome treten auf.

Einige Aspekte des Krankheitsbildes sind ziemlich genau definiert: So kann die Krankheit zwar in jedem Alter auftreten, verstärkt geschieht dies aber während oder kurz nach der Pubertät. Schon früh wurde eine familiäre Häufung der Erkrankung festgestellt: Das Risiko für Kinder von Narkoleptikern, auch zu erkranken, liegt bei ein bis zwei Prozent im Vergleich zu 0,02 bis 0,18 Prozent in familiär unbelasteten Personenkreisen. Insgesamt wird die Zahl der Betroffenen in Deutschland auf 20.000 bis 40.000 geschätzt.

Beginnt mit vermehrter Schläfrigkeit und Einschlafattacken
Narkolepsie beginnt meist mit vermehrter Schläfrigkeit und Einschlafattacken in monotonen Situationen. Ein Betroffener beschreibt dies auf der Homepage der Deutschen Narkolepsie Gesellschaft eindrücklich: "In Situationen, in denen ich nur Zuschauer oder Zuhörer war, zog es mir plötzlich die Augen zu. Auch beim Essen schlief ich ein, den letzten Bissen noch im Mund. Schließlich war es soweit, dass ich auch mitten im Gespräch einschlief." Alltägliche Freizeitbeschäftigungen wie Kino- oder Theaterbesuche werden so fast unmöglich.

Erst durch das Auftreten von Kataplexien ist die Krankheit eindeutig zu diagnostizieren. Dabei verlieren die Patienten kurzzeitig die Kontrolle über ihre Muskulatur und sinken zu Boden. Ausgelöst werden die Kataplexien durch starke Gefühle wie Lachen oder Ärger. "Du fällst um, ohne dass du etwas dagegen tun kannst, aber man ist noch voll da, bekommt alles mit, was um einen herum passiert. Man kann nur nichts sagen, sich nicht bewegen", schildert ein Patient. Nach Sekunden oder spätestens wenigen Minuten enden Kataplexien abrupt.

Mehr Symptome als nur das Einschlafen
Weitere Symptome kennzeichnen die Narkolepsie: Bei den so genannten hypnagogen Halluzinationen sieht oder hört der Betroffene Dinge, die nicht in der Realität stattfinden, und die er oft als bedrohlich empfindet. Bei der Schlaflähmung erwacht der Narkoleptiker in vollständiger Bewegungsunfähigkeit, die sich aber binnen weniger Minuten löst. Darüber berichtete schon Moses Mendelssohn vor über 200 Jahren: "Im Anfalle, der mich beim ersten Erwachen aus einem unruhigen Schlaf anzuwandeln pflegte, konnte ich weder ein Glied am Leibe regen, noch einen Laut von mir geben oder die Augen auftun." Die Symptome treten nur selten alle zusammen auf.

Die Narkolepsie beeinflusst die Lebenserwartung der Patienten in keinster Weise, wohl aber ihre Lebensqualität. Viele sind übermäßig bemüht, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten, um Kataplexieattacken zu entgehen. Das führt bei den Patienten oftmals zu einem starken Rückzug ins Privatleben und zu schwer wiegenden Folgen für die Psyche. Eine Mischung aus ständiger Beunruhigung, Scham und Selbstzweifel lässt die Gefahr von Depressionen stark ansteigen.

Unter Beachtung einiger Grundregeln kommen Narkoleptiker im Allgemeinen recht gut durch ihren Alltag. Wesentlich ist eine feste Rhythmisierung des Tagesablaufs. Auf reichliche Mahlzeiten, Alkohol und Nikotin sollten die Patienten verzichten. Eine individuell festgelegte medikamentöse Behandlung ist unerlässlich. Die Deutsche Narkolepsie Gesellschaft erachtet es zudem als besonders wichtig, dass die Betroffenen ihre Angehörigen, Bekannten und Arbeitskollegen über ihre Krankheit aufklären. Das fördert das Verständnis für Narkoleptiker. Wenn sich das Umfeld der Patienten auf deren Krankheit einstellt und ihre Eigenarten akzeptiert, können die meisten Narkoleptiker ein fast normales Leben führen. (apa/red)