Gedenken an Ungarn-Aufstand im Jahr '56: Staats- und Regierungsspitze feierte in Wien

Schüssel: Revolution brachte 'Fass der Geschichte' zum Überlaufen - Gyurcsany: 'Historisches Happy end'

Nach den Jahrzehnten der kommunistischen Herrschaft sitzen "Ungarn und Österreich wieder im gleichen Boot", da sie heute beide "ein gleichberechtigtes Mitglied der europäischen Familie" sind, sagte Bundespräsident Heinz Fischer in seiner Ansprache. Vor 50 Jahren habe zwar mit der "von sowjetischen Panzern erzwungenen Konter-Revolution" der "Panzer-Kommunismus" die Macht in Ungarn zurückerobert, doch habe dieser zugleich "eine schwere moralische Niederlage" erlitten, betonte Fischer in seiner Rede.

Der ungarische Staatspräsident Laszlo Solyom lobte in seiner über weite Strecken auf Deutsch gehaltenen Ansprache mit enthusiastischen Worten das österreichische Engagement von 1956. "Österreich, Staat und Volk, haben eine so hohe moralische Leistung erbracht, die bis heute als Beispiel gilt", betonte Solyom. Er strich die "tiefe historische Zusammengehörigkeit" der beiden Länder hervor, die über Jahrhunderte einen "gemeinsamen Wirtschafts- und vor allem Kulturraum" geschaffen hätten.

Im Rahmen der Feierlichkeiten überreichte Solyom seinem österreichischen Amtskollegen Fischer und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die höchsten ungarischen Auszeichnungen, das nur an Staatsoberhäupter verliehene Großkreuz des Verdienstordens mit der Kette bzw. das Großkreuz des Verdienstordens. Fischer erhielt dies insbesondere "für seine Unterstützung der ungarischen Revolution und des Freiheitskampfes", Schüssel für seine Bemühungen um die EU-Integration des Nachbarlandes.

"Großes historisches Happy end"
Ungarns Regierungschef Gyurcsany sprach von einem "großen historischen Happy end" zwischen den beiden Ländern, das nach vielen Jahrhunderten eines Verhältnisses "wie Hund und Katz'" schlussendlich zu einer "leidenschaftlichen Nähe" geworden sei. Mit Hinweis auf die aktuellen Proteste in Ungarn gegen ihn und seine Regierung und die tiefgehende Spaltung des Landes zwischen einer sozialliberalen und einer rechtskonservativen Seite meinte der Ministerpräsident: Wenn zwei Länder wie Österreich und Ungarn einander finden haben können, dann müsste das anderswo - eben zwischen Ungar und Ungar - auch möglich sein.

Der im eigenen Land unter Beschuss stehende Gyurcsany blieb indes auch in Wien nicht vor Protestbekundungen verschont. Als er seine Ansprache begann, standen rund ein Dutzend der über 2000 Anwesenden auf und verließen demonstrativ den Saal. Gegen den sozialistischen Ministerpräsidenten sind in Ungarn seit einem Monat Anti-Regierungs-Proteste im Gange, seit eine interne Rede vom Mai veröffentlicht wurde, in der er "Lügen" seiner Regierung über die Situation des Landes in den vergangenen Jahren zugegeben hatte.

Zuvor hatte ein Zitat aus einem im Rahmen des Festakts ausgestrahlten Kurzfilm für demonstrative Heiterkeit und Applaus bei einem Teil der Zuschauer gesorgt. In einem öffentlichen Bekenntnis hatte in den Tagen von 1956 ein Sprecher der ungarischen Radios über die Lügen des Rundfunks während des stalinistischen Regimes gesprochen: "Wir logen in der Nacht, wir logen unter tags, wir logen auf allen Wellenlängen." Premier Gyurcsany hatte in seiner umstrittenen "Lügen-Rede" direkt auf dieses berühmte Zitat Bezug genommen, als er im Mai vor sozialistischen Fraktionskollegen über die bisherige Kommunikationsstrategie seiner sozialistischen Regierung bekannt hatte: "Wir logen in der Früh, zu Mittag und am Abend."

Im ersten Teil des Festaktes hatte der Publizist Paul Lendvai, selbst ein Ungarn-Flüchtling von 1956, gegenüber der ORF-Journalistin Patricia Pawlicki, die den Abend moderierte, über seine Erinnerungen an die damalige Zeit gesprochen. Nach dem offiziellen Teil des Festaktes spielte die Ungarische Nationalphilharmonie und Leitung von Zoltan Kocsis. Zum Abschluss trat das ungarische Staatliche Volkstanz- und -musikensemble (Allami Nepi Együttes) auf.

(apa/red)