Vier Frauen und ein Todesfall. ORF produziert Krimiserie der anderen Art!

Die Idee stammt von Kult-Krimiautor Wolf Haas! Vier 'Mords-Frauen' misstrauen einer Dorfidylle!

Vier Frauen und ein Todesfall. ORF produziert Krimiserie der anderen Art!

Oberhofen am Irrsee darf sich für die nächsten Wochen fühlen wie Klein Hollywood. Die 1.300-Seelen-Gemeinde hat, was Kommunen im Oberösterreichisch-Salzburgischen haben müssen: eine Raiffeisenbank sowieso, den Gendarmerieposten, die Kirche und den Friedhof. Genau jene Dorfidylle also, die ideal als Schauplatz für das rurale "Sex & Crime"-Feeling taugt, das Kult-Krimiautor Wolf Haas für die ORF-Serie "Vier Frauen und ein Todesfall" im Sinne hatte. Seit wenigen Tagen bevölkern Schauspieler und Filmcrew die noch vorsaisonal verschlafene Gegend. NEWS durfte als erstes Medium Regisseur Harald Sicheritz und den vier Amateur-"Schnüfflerinnen" Gaby Dohm, Adele Neuhauser, Brigitte Kren und Martina Poel über die Schulter schauen.

Zehn Folgen, Sendetermin 2005
Die Idee klingt einfach, doch die Erwartungen an jenes TV-Krimiprojekt, das den Fans des von Haas nach rund 600.000 verkauften Büchern in den Ruhestand geschickten Detektivs Simon Brenner die Entzugserscheinungen mildern könnte, sind enorm. In einem alpinen Dorf schließen vier höchst unterschiedliche Protagonistinnen eine ungewöhnliche, morbide Freundschaft. Julie (Adele Neuhauser) lebt gut vom Großgrundbesitz ihrer stillgelegten, ererbten Landwirtschaft; Mary (Brigitte Kren) führt energisch das nach ihr benannte Sportcafé; die Gemeindebedienstete Sabine (Martina Poel) hat mit Marys verkrachtem Sohn (Michael Ostrowski) ein Kind als Ergebnis eines einmaligen "Ausrutschers". Diese drei bekämpfen die dörfliche Fadesse mit regelmäßigen Begräbnisbesuchen. In Folge eins der zunächst einmal zehnteiligen Serie wohnen sie der Grablegung eines "zuag'reisten" deutschen Professors bei. Der Mann hatte eine amouröse Affäre, die Witwe (Gaby Dohm) erbt gut - was liegt näher als der Schluss, dass es bei diesem Todesfall nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann.

Vier Ermittlerinnen
Letztendlich erweist sich die Professoren-Witwe wohl als unschuldig - denn sie findet Aufnahme in das ungewöhnliche Ermittlerinnen-Kleeblatt, das ab 2005 im ORF auf Miss Marples Spuren wandeln wird. Die Drehbücher für "Vier Frauen und ein Todesfall" schrieb das Autorenduo Uli Brée und Rupert Henning. Die beiden sind dem Fernsehpublikum unter anderem durch die Comedyserie "Die kranken Schwestern" und die "Brüder"-Spielfilme mit Andreas Vitásek, Erwin Steinhauer und Wolfgang Böck bekannt. Nun hatten sie die Aufgabe, aus jenen "zwei Seiten pro Plott", auf denen Haas gemeinsam mit Co-Ideenlieferantin Annemarie Mitterhofer jede Folge skizzierte, 45 Minuten TV-Stoff zu machen. "Haas liefert die Naschmarktstände, an denen wir uns wie Köche bedienen können", beschreiben sie die Arbeitsteilung.

Atypisches Ende
Was dabei herauskommt, "soll nicht die übliche Serienkost sein. Es gibt die vier Frauen in einem Dorfbiotop mit seinem Inzucht-Klima, Intrigen, Gerüchten und jenem offenen Bankgeheimnis, das bei der Lösung eines Falles sehr hilfreich sein kann", schildern Brée und Henning. "Man hat uns mutig und schräg schreiben lassen. Es gibt eigenwillige Folgen, in denen die vier zwar an Mord glauben, aber dann gibt es keinen Mörder. Oder wir lassen ihn laufen."

Das Ergebnis überzeugte offenbar. "Es ist uns noch nie passiert, dass wir ein Fernsehdrehbuch abgegeben haben, und die Auftraggeber wollten keine einzige Änderung", wundert sich Uli Brée noch heute. "Offenbar ist man bei öffentlich-rechtlichen Sendern heutzutage mutiger als bei den Privaten, die nur mehr auf die Quote schauen." Freilich gibt sich das Autorenduo auch wenig kompromissbereit: "Bei Änderungswünschen sagen wir oft, entweder es läuft so, wie wir wollen - oder gar nicht!" Was so weit geht, dass Brée und Henning auch bei der Besetzung mitgeredet haben.

Endlich neuer Stoff
Regisseur und Darstellerinnen wünschten sich einen schräg gestrickten Krimistoff offenbar ungefähr so dringend wie David Beckham einen Volltreffer beim Elferschießen. Harald Sicheritz, der die ersten drei "Vier Frauen"-Folgen dreht (es folgen Wolfgang Murnberger und Andreas Prochaska): "Ich halte das schon einmal für einen großen Fortschritt, dass vier Damen die Hauptrollen in einer TV-Serie spielen. Wie ich das gehört habe, wollte ich die Bücher auf jeden Fall zumindest einmal lesen." Der Stoff sei "charmant, weil es immer die Spannung gibt: War da wirklich was? Oder bilden sich die vier nur etwas ein? Für mich entsteht in diesen Büchern für das 21. Jahrhundert eine Atmosphäre wie früher bei Agatha Christie."

Verschworenes Team
Schon nach wenigen Drehtagen demonstrieren die vier Schauspielerinnen Verschworenheit, die der ihrer Filmschwestern in nichts nachstehen soll. "Bevor wir uns kennen gelernt haben, war ich sehr nervös, aber schon am ersten Tag hat die Chemie gestimmt. Wir kichern wie die Teenager und erzählen uns jetzt schon alles", berichtet Kren vom Drehalltag.

Und so ist es nur zu klar, dass sich die drei "Kolleginnen" sofort bei Adele Neuhauser zum Abendessen einladen, als diese ihnen in einer Drehpause ihre neue Bleibe - sinnigerweise zwischen Kirche und Friedhof - zeigt. Immerhin bis Oktober müssen es die vier miteinander am Irrsee aushalten und sich außerdem einem rigiden Zeitmanagement unterwerfen.

Nur neun Tage Zeit gibt der ORF dem Team für jede Folge. Was heißt, dass am Ende jedes Drehtages siebeneinhalb TV-Minuten im Kasten sein müssen. Zum Vergleich: Bei einem Spielfilm sind es zwei bis fünf Minuten. "Da wird immer mehr an jeder Schraube unserer Leistungsfähigkeit gedreht", meint Regisseur Harald Sicheritz kritisch. Die seligen Zeiten, als Margareth Rutherford als Miss Marple über die Leinwand schlurfen durfte, sind fürwahr vorbei.

(Aus NEWS 27/2004)