Mitarbeiter müssen 2 Wochen auf Junigehälter warten

Der Ausgleich über die Buchhandelskette Libro AG wurde heute Mittag beim Landesgericht Wr. Neustadt erwartungsgemäß eröffnet. Zuvor hatte Libro weitere 140 Mitarbeiter beim Frühwarnsystem vorsorglich zur Kündigung angemeldet. Die rund 3.000 Mitarbeiter müssen voraussichtlich bis zu zwei Wochen auf Junigehälter und Urlaubsgelder warten. Die Libro-Aktien werden mit 23. Juli 2001 aus sämtlichen Wiener Börsen-Indizes gestrichen.

Mitarbeiter müssen 2 Wochen auf Junigehälter warten

Der Status, der dem Ausgleichsantrag beigelegt wurde, weist Passiva von 4,17 Mrd. S (303 Mill. Euro) aus, davon sind lediglich 250 Mill. S besichert, teilt der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) mit. Die Aktiva werden mit 1,426 Mrd. S angegeben. Dieser Wert, so der KSV, ist allerdings noch zu überprüfen, da das Anlagevermögen nicht zu Fortführungswerten angegeben ist. Die rechnerische Überschuldung beträgt nach vorliegenden Zahlen 2,7 Mrd. S.

Das Unternehmen darf vor Ausgleichseröffnung die offenen Junigehälter nicht mehr auszahlen. Diese werden erst nach entsprechender Frist vom Insolvenzausgleichsfonds (Pleitenfonds) übernommen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen die Gehaltszahlungen über ein Kreditinstitut zwischenfinanziert werden. Ab Juli muss dann wieder Libro die Gehälter zahlen.

Um den Schaden für die betroffenen Libro-Mitarbeiter so klein wie möglich zu halten hat die Gewerkschaft mit den jeweiligen Banken zur Überbrückung zinsenlose bis stark begünstigte Darlehen für die Dienstnehmer ausgehandelt, sagte Dürtscher. Gegenbenenfalls sollte auch der bestehende Überziehungsrahmen ausgeweitet werden. Die betroffenen Banken hätten bereits entsprechende Zusagen gemacht.

450 Mitarbeiter von Kündigung bedroht
Bereits am 19. Juni d. J. sind 310 Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet worden. Aus Sicht des Vorstandes sind aus heutiger Sicht keine weiteren Anmmeldungen im Rahmen des Frühwarnsystems zu erwarten.

Libro fliegt aus sämtlichen Wiener Aktien-Indizes
Ausgeschlossen werden die Libro-Aktien aus dem ATX, dem Index der wichtigsten österreichischen Aktien, dem marktbreiten ATX 50, dem ATX 50 P, und dem Wiener Wachstumsindex ViDX, teilte die Wiener Börse am Freitag mit. Dies haben das ATX- und das ViDX-Komitee beschlossen.

Die Zulassungsbedingungen für den Handel in Libro sieht die Wiener Börse aus heutiger Sicht weiter erfüllt. Es bestehe daher kein Grund, ein Widerrufsverfahren einzuleiten.

Beiterkonsortium Böhm-Hofmann gibt nicht auf
Das Bieterkonsortium um den Internet-Unternehmer Werner Böhm (YLine) und den steirischen Industriellen Ernst Hofmann sieht sich bei Libro noch immer nicht ganz aus dem Rennen. "Man kann ein Wirtschaftsgut nur einmal verkaufen" kommentierte Böhm heute, Donnerstag, in einem kurzfristig angesetzten Pressegespräch die vormittägige Übertragung der Mehrheit an vor dem Ausgleich stehenden Libro-Kette an den Wirtschaftstreuhänder Gottwald Kranebitter (KPMG). Das Konsortium pochte heute weiter auf seinen "aufrechten Vertrag". "Den Rest müssen die Anwälte klären", so Böhm.

Noch gestern um Mitternacht hatte das Konsortium (das in einem "Blitzdeal" vorigen Freitag selber unter Vorbehalt eines Banken-Okay die Libro-Mehrheit übernommen hatte) den Libro-Gläubigerbanken nach deren "Ausgleichsbeschluss" mit rechtlichen Schritten gedroht. Von "Klage" wollte Böhm heute allerdings nicht reden. "Wir werden sicher nicht klagen ohne zu reden" beschwichtigte auch Konsortiums-Mitglied Friedrich Scheck.

"Wir sehen das Projekt noch nicht als beendet", so Böhm. Man sei "sicher, dass die Eigentümer und die Banken sich etwas überlegt haben, und darauf warten wir jetzt", so der YLine-Chef. Das Konsortium sei von den Banken und den ehemaligen Großeigentümern von Libro - UIAG, DBAG und Telekom Austria - noch nicht offiziell über die Entscheidungen seit gestern Abend informiert worden. Die Anwälte würden "das, was sich abgespielt hat nun einer kritischen Würdigung unterziehen und dann im Interesse unserer Partner reagieren".

Banken: gerichtlicher Ausgleich war bester Weg
Die Kreditinstitute, denen Libro rund 2,3 Mrd. S schuldet, hielten den gerichtlichen Ausgleich "für den besten Weg für eine erfolgreiche Sanierung", stellten die Großbanken (als Konsortialführer Bank Austria und RZB) in einer gemeinsamen Erklärung am späten Mittwochabend fest. Der Ausgleich biete das größtmögliche Maß an Rechtssicherheit und so die Basis zur Fortführung des Unternehmens.

Sanierungsbeauftragter Gottwald Kranebitter
Nach wochenlangem Tauziehen im Libro-Desaster wurden die vorläufigen Gesellschafts-Strukturen zunächst für das nächste Vierteljahr noch über Nacht perfekt gemacht: Einen Tag vor dem geplanten Ausgleichsantrag bekam die Libro AG heute, Donnerstag, bereits einen "Sanierungsbeauftragten" und einen Wirtschaftstreuhänder als neuen Mehrheitsaktionär. Gottwald Kranebitter (38), Geschäftsführer der größten Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsgruppe in Österreich, KPMG, wurde formell von den Libro-Altaktionären eingesetzt, ist jedoch mit dem "Backing" der Gläubigerbanken ausgestattet, wie diese formulierten.

Bei Kranebitter als neuem Eigentümervertreter laufen in nächster Zeit die Fäden für die versuchte Sanierung zusammen. Die Libro-Großaktionäre Telekom Austria, UIAG und Deutsche Beteiligungs AG haben am Vormittag dem Chef der KPMG ihre Anteile von 50 Prozent plus 1 Aktie zum symbolischen Preis von 1 S abgegeben.

Kranebitter verfügt über eine Finanzierungszusage von sofort 300 Mill. S (21,8 Mill. Euro) der Gläubigerbanken, um die Finanzierung des Ausgleiches und die Fortführung des Unternehmens zu sichern. Dem Vernehmen nach sollen aber für die kommenden drei Monate rund 500 Mill. S notwendig sein.