Spitzentöne
Was man von Cleveland lernt
Heinz Sichrovsky über die Europa-Tournee des Cleveland Orchestra
Die an hiesigen Kulturseilschaften desinteressierte „New York Times“ nannte das seit 2002 von Franz Welser-Möst geleitete Cleveland Orchestra kürzlich den besten Klangkörper Amerikas. Während andere dort am Rand der Insolvenz taumeln, verbucht man in der überalternden Kleinstadt konkurrenzlose 20Prozent an Besuchern unter 25Jahren. Staatliche Zuwendungen gibt es keine. Die in der sterbenden Industriemetropole verbliebenen Millionäre sind nur bei Laune zu halten, wenn sie auf ihr Orchester stolz sein können. Daran fehlt es nicht: Die aktuelle Europa-Tournee unter Welser-Möst wird von umfänglichen Berichten der „FAZ“ und anderer Leitmedien begleitet. Und im Musikverein, wo das Orchester soeben für eine Konzertserie residierte, konnte man alle Befunde bestätigen. Das Orchester ist mehrheitlich jung, Welser-Möst hat fast alle Musiker selbst ausgewählt. Die Schönheit und Brillanz des Klanges, die Präzision im Zusammenspiel, die silbernen Klangflächen der Streicher, das sensationelle Holz: Selbst ein indisponierter Trompeter, Protagonist in einem Programm mit Werken von Messiaen und Richard Strauss, konnte den Eindruck nicht mindern. Bedenkt man, dass Welser-Möst auch großräumig den musikalischen Standard der Salzburger Festspiele sicherstellt, wäre die baldige Normalisierung der Beziehungen zur Staatsoper dringend zu empfehlen.