NEWS Gastkommentar
Mutprobe Freiheit
Als der Eiserne Vorhang fiel. Wolfgang Schüssel über die Grenzöffnung vor 25 Jahren.
Vorige Woche besuchte ich mit dem früheren ungarischen Ministerpräsidenten Miklos Nemeth Bundeskanzler Helmut Kohl in seinem Haus in Ludwigshafen. Vor genau 25 Jahren, am 10. September 1989, ließ Nemeth den Eisernen Vorhang endgültig öffnen. Über 100.000 DDR-Flüchtlinge fanden so über Österreich den Weg in die Freiheit; 2 Monate später fi el die Berliner Mauer, Ende des Jahres waren auch die anderen KP-Regime in Mitteleuropa Geschichte. Heute klingt das alles ganz einfach, fast selbstverständlich – in Wahrheit ging dem jedoch ein dramatisches Ringen voraus. Nach der Machtübernahme durch die ungarischen Reformer reiste Nemeth im März ’89 nach Moskau und berichtete dem erstaunten Generalsekretär Gorbatschow von den ungarischen Vorhaben: freie Wahlen, Marktwirtschaft, Abbau des Eisernen Vorhangs, Abzug der 80.000 sowjetischen Soldaten und der am Plattensee stationierten Atomraketen. Ostberlin und Bukarest protestierten heftig und wollten sogar einen sowjetischen Militäreinsatz. Gorbatschow lehnte ab: „Ich vertraue euch Ungarn – solange ich hier sitze, wird sich 1956 nicht wiederholen“
– so erzählt Nemeth heute.