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Putin verstehen, nicht verteidigen
Die unerträglichen Vereinfacher sind wieder unterwegs: Wer Putin nicht verteufelt, stellt sich angeblich an seine Seite.
Nicht nur Politiker sind Shitstorms ausgesetzt: der Philosoph Richard David Precht hat im „Kurier“ das auch hier grassierende Putin-Bashing kritisiert, nun wird er auf allen Ebenen des Internets geprügelt. Als „dümmster Philosoph der Weltgeschichte“, als „Experte für eh alles“, oder „weil er ein bissl so ausschaut wie KHG“. Und (gescheite) Twitterer, die für alles eine (Welt)erklärung haben, werfen dem philosophischen Schriftsteller eine solche vor. Man muss (soll sogar) nicht mit Precht einer Meinung sein, aber etliche „seiner“ Fakten bei der Beurteilung der Ukraine-Krise berücksichtigen. Tatsächlich ist für den fürchterlichen Abschuss des MH 17-Flugzeugs (warum gibt es noch keine Aufzeichnung der sichergestellten black box?) allzu rasch Putin verantwortlich gemacht worden, obwohl fast alles dafür spricht, dass es sich um einen grauenhaften „Unfall“ im Zuge des Bürgerkriegs gehandelt hat, nicht um einen gezielten Anschlag– schon weil der politisch niemand nützen konnte. Und das fahrlässige Hantieren mit Raketen ist wohl den Separatisten anzulasten, aber keineswegs den Russen, wie auch der US-Geheimdienst festgestellt hat. Insgesamt messen viele „Westler“ mit zweierlei Maß: den Russen wird jeder böse Trick zugetraut (etwa bei der Beurteilung des Hilfszuges für die Ostukraine), die Regierung in Kiew dagegen nicht kritisiert, wenn sie die Aufständischen bloß als „Terroristen“ bezeichnet und militärisch niederringen will, statt eine politische Autonomielösung zu suchen. Eine Regierung übrigens, die von vielen Ukrainern laut Ö1 so korrupt wahrgenommen wird wie ihr Vorläufer.