Kampf der Zwei-Klassen-Medizin

15 Forderungen - So will die Armutskonferenz Lücken in Gesundheitssystem schließen

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Fakten - Kampf der Zwei-Klassen-Medizin

Das Bild, das die Armutskonferenz zeichnet, sollte uns zu denken geben: Die untersten sozialen Schichten weisen die schwersten Krankheiten auf und haben gleichzeitig die geringste Lebenserwartung. Je niedriger wiederum der Bildungsstand, desto häufiger ist etwa die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt zu erleiden. Auch Bluthochdruck, Diabetes und Rheuma treten öfter auf als bei höher Gebildeten.

Arm und krank - keine guten Voraussetzungen

Gleichzeitig sind Menschen, die arm und krank sind, stark in ihrer Mobilität eingeschränkt. Eine Gesundheitseinrichtung zu erreichen, wird – insbesondere in ländlichen Regionen – oft zur unüberwindbaren Hürde. Nehmen Armutsbetroffene schließlich doch medizinische Hilfe in Anspruch, sind sie nicht selten mit massiver Stigmatisierung, Geringschätzung oder mangelndem Respekt konfrontiert.

385.000 Österreicher betroffen

385.000 Personen gelten in Österreich als arm oder mehrfach ausgegrenzt. Ihnen gilt es zu helfen, die vielen Hürden bis hin zur notwendigen medizinischen Versorgung zu überwinden. Mit folgenden 15 Forderungen will die Armutskonferenz gegen die Lücken und Barrieren im österreichischen Gesundheitssystem, mit denen Armutsbetroffene tagtäglich konfrontiert sind, ankämpfen.

Die 15 Forderungen im Überblick

1. Begleitdienste: Armutsbetroffene sollen bei Gutachten und Gesundheitsdiensten ebenso wie bei Ämtern und Behörden die Möglichkeit haben, eine Begleitperson in Anspruch zu nehmen.

2. Persönliche Begleitung, Mentoring, Buddies: Hier geht es darum, dass Betroffene eine Ansprechperson haben, mit der sie auch in der Freizeit Unternehmungen machen kann.

3. Psychotherapie und psychosoziale Notdienste: Der Zugang zu kostenloser Psychotherapie soll erleichtert, Therapie- und Beratungseinrichtungen sowie psychosoziale Notdienste außerhalb der Ballungszentren ausgebaut werden.

4. Prävention und Rehabilitation: Der Zugang zu präventiven Gesundheitsmaßnahmen wie Kuren soll erleichtert, jener zu Reha-Maßnahmen uneingeschränkt geboten werden. Tatsächlich sind Personen mit mehreren Beeinträchtigungen wegen ihres Betreuungsbedarfs von Kuren oft ausgeschlossen.

5. Finanzielle Unterstützung: Betroffene sollen bei Behandlungen mit hohen Selbstbehalten (etwa beim Zahnarzt) sowie bei notwendigen Heilbehelfen (Hörgeräte etc.) unbürokratische finanzielle Unterstützung erhalten.

6. Bessere räumliche Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen: Besonders im ländlichen Raum haben Armutsbetroffene große Probleme, Gesundheitseinrichtungen zu erreichen. Kommen Armut und Krankheit zusammen, ist die Mobilität völlig eingeschränkt.

7. Kein Zwang zu krankmachender Erwerbsarbeit: Arbeit hat, so die Armutskonferenz, nicht zwingend einen integrativen Charakter. Fehlen Anerkennung und Wertschätzung oder macht die Arbeit gar krank, hat dies oft soziale Ausgrenzung zur Folge. Daher wird das Motto "Arbeit um jeden Preis?" infrage gestellt.

8. Wiedereinführung des Pensionsvorschusses: Bisher war der Pensionsvorschuss eine finanzielle Absicherung für Menschen, deren Anspruch auf Krankengeld nach einem Jahr Bezug ausgeschöpft war. Schwere Unfälle, langwierige Krebserkrankungen oder psychische Erkrankungen bringen aber eine längere Arbeitsunfähigkeit mit sich.

9. Mehr Respekt und Beachtung vorliegender Befunde: Gutachter sollen im Hinblick auf den Umgang mit Armutsbetroffenen besserer ausgebildet und sensibilisiert werden. Bereits vorliegende Befunde dürfen nicht missachtet werden.

10. Gleiche Behandlung und Therapien: Die Armutskonferenz fordert die Aufhebung der Klassenmedizin in Bezug auf die verordneten Medikamente und Therapien.

11. Keine Kürzung für soziale Dienste und Einrichtungen

12. Rechtshilfe und Anwaltschaft: Gefordert wird ein gleicher Zugang zum Recht für alle. Darunter fällt etwa die Vertretung von Betroffenen bei Krankenkasse, Pensionsversicherung, AMS und Sozialamt.

13. Schließen der Lücken für Menschen ohne Krankenversicherung: Menschen in prekärer Beschäftigung, Personen in schweren psychischen Krisen, Arbeitssuchende ohne Leistungsanspruch oder Hilfesuchende, die ihren Mindestsicherungsanspruch aus Scham nicht einlösen, sind oft nicht krankenversichert. Grund dafür ist ein Mix aus strukturellen Lücken, sozialen Benachteiligungen, fehlenden persönlichen Ressourcen und mangelnder Information.

14. Verständlichkeit und Lesbarkeit von Formularen, Diagnosen und Therapien: Gefordert wird eine leichte und verständliche Formularsprache sowie mehr Zeit für die Erklärung von Diagnosen bzw. Therapien.

15. Dialogforen mit Ärzten, Entscheidungsträgern und anderen Gesundheitsberufen: Auf diese Weise sollen Armutsbetroffene ins Gespräch mit Akteuren des Gesundheitssystems kommen können. Letztere wiederum werden so für Anliegen und Situation Einkommensschwacher sensibilisiert.

Kommentare

ja, es gibt die 2klassen Medizin und ich zahle monatlich viel Geld dafür!!! sollte es hier keine entsprechende Betreuung mehr geben, wird das die erste Versicherung, die ich kündige! und in Österreich ist man auch ohne Zusatzversicherung gut betreut. hier wird keine liegen gelassen (ad günza).

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@wassolldenndas, Wergznase: Stellt euch mal vor ihr könnt euch keine Zusatzversicherung leisten oder habt eben nicht das notwendige Geld um die Behandlung zu bezahlen. Jetzt liegst dort Du oder dein Kind und wird nur notwendigst behandelt und stirbt. Was dann? Sagst dann auch noch "ja hab ich eben Pech gehabt"

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Pardon - haben Sie eine Ahnung vom Österreichischen Spitalswesen? Noch niemand - ob Erwachsener oder Kind - wurde liegen gelassen, weil er keine Zusatzversicherung vorweisen konnte. Ich weiß nicht über welches Land Sie schreiben, jedenfalls nicht über Österreich!

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Bitte genau lesen. Ich sage nicht, dass du gar keine Behandlung erhältst. Es wird eben genausoviel gemacht um dich wieder auf die Beine zu stellen und wenn es dann zu teuer ist und von der Kassa nicht bezahlt wird hast eben Geld auf den Tisch zu legen. Wenn Du jetzt aber keines hast gibt es eben die teure Behandlung nicht.

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Wir haben über ein Jahr den eingewachsenen Zehennagel unseres Sohnes behandeln lassen. Im Spital wurde mit der Keule (sprich Zehennagel entfernen und aus) gearbeitet. Der neue hat aber auch gleich wieder Probleme gemacht. Antwort des Arztes, gleich nochmal weg damit. Wir sind dann zu einer Fusspflegerin gegangen und haben das Privat bezahlt. Nach drei Behandungen war der Zeh ok.

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Zugegeben, dass war jetzt nicht so teuer als das man sich das nicht leisten kann, aber bei der Zweiklassenmedizin wird eben so agiert. Die Ärzte im Spital hätten durchaus ebenfalls die Arbeit der Fusspflegerin machen können, dass war aber zu Zeitaufwendig und würde eben von der Kassa nicht bezahlt. Und da rede ich jetzt nur von einer Zehe.

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Und ja, ich kenne die Gesundheitsbranche sehr gut. Ich bin seit 25 Jahren in dieser tätig und habe hier nicht nur eigene Erfahrungen gemacht.

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@günza: Klar kann ich die Bestürzung in dem Falle verstehen, aber es ist ja nicht so, dass es keinen Grund dafür gibt, wenn eine Behandlung teuer ist. Dahinter steckt ein großer Aufwand. Wenn eine günstige Behandlung, sagen wir € 1000,- kostet und eine teure 100.000,- dann deswegen, weil Ärzte, Pharmazeuten, etc....100 mal so viel dafür tun müssen. Das heißt, das System muss sich entscheiden, ob es 1000 Patienten die günstige Behandlung oder 10 Patienten die teure Behandlung zukommen lässt, aber für die restlichen 990 gar nichts tut. Und da ist es menschenwürdiger, eben 1000 "gut" zu behandeln als lediglich 10 davon herauspickt und diese "perfekt" behandelt.
Jedoch: Wenn jemand gewillt und in der Lage ist, zusätzlich zu den Kassenleistungen noch privat medizinische Behandlungen zu erkaufen, um die "perfekte" Behandlung zu erhalten - darf man ihm dann diese Möglichkeit wegnehmen ? Wäre nicht erst das tatsächliche Menschenverachtung ?
Und wenn man diese Möglichkeit der privaten Zusatzbehandlung nicht verbietet, hat man automatisch eine Zwei- bzw Mehrklassenmedizin.

Ist so wie in einer Betriebskantine mit "Gourmetmenü". Natürlich werden es eher die Besserverdiener sein, sie zum Gourmetmenü und somit zum "besseren" gelangen. Aber was brächte es den Anderen, wenn man jenen das Gourmet versagt ? Und sobald man es nicht verbietet, hat man automatisch eine Zweiklassenernährung.

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Zusatz: in der Tat ist oft das Gegenteil der Fall: durch das private Erkaufen von "high tech" Behandlungen wird die medizinische Entwicklung unterstützt und eventuell die zunächst teure und exklusive Behandlung im Laufe der Zeit erschwinglicher und im besten Fall zur Kassenbehandlung. Will man Zusatzbehandlungen aus Neidgründen unterbinden, zahlen letzten Endes alle drauf.

Könnte es nicht sein, dass die Leute von der Armutskonferenz eine private Zusatzversicherung haben? Und wozu hätten sie diese dann?
Sicher nicht um genau so lang wie Leute ohne Zusatzversicherung in einem 8-Bett-Zimmer im Spital zu liegen oder genau so lang wie andere auf Untersuchungen oder Operationen warten zu müssen. Die 2-Klassenmedizin muss es also geben!

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Wie stellen sich die Damen und Herren die Umsetzung von Punkt 10 vor ? Soll für jeden nur mehr die teuerste Medikation und Therapie in Frage kommen oder will man jenen, die sich eine teure Therapie leisten können, diese verweigern ?

wasinix melden

Sie beide ( Wergznase und wassolldenndas ) sind ein Strahlendes Vorbild der ach so guten Gut-Mensch Gesellschaft.

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@wasinix: Sie wissen offensichtlich nicht, was eine "Gut-Mensch Gesellschaft" ist.

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@wasinix: Wenn Sie ein Auto um 50.000 Euro kaufen wollen Sie den gleichen Wagen wie jemand, der 10.000 Euro gezahlt hat? Ich glaube nicht, oder?

günza melden

Der Vergleich hinkt aber gewaltig. Durch die zwei Klassen Medizin sagst du eigentlich nur den ärmeren Menschen dass sie eben nur die notwendigste medizinische Hilfe bekommen. Der der Geld hat darf länger und besser leben und der der keines hat soll gefälligst abkratzen. So kann es wohl nicht sein.

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@günza: Mitnichten! Der der mehr zahlt darf im Spital in einem Einzel- oder Doppelzimmer liegen und sich seinen Arzt selbst aussuchen. Wozu gibt es denn sonst Zusatzversicherungen?

Und wieder zum Vergleich: Ein Zimmer in einem 4*-Hotel kostet ganz einfach mehr als in einer Jugendherberge. Und auch das inkludierte Serviceangebot ist nicht zu vergleichen.

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