Das Leuchten und Raunen
der Zauberinsel

Wiener Staatsoper: Heinz Sichrovsky über Thomas Adés’ Shakespeare-Oper "The Tempest"

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LEBEN - Das Leuchten und Raunen
der Zauberinsel © Bild: Michael Poehn Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Eine große Geschichte, emotional, zum Teil sogar ohrgängig komponiert, wirksam und plausibel umgesetzt: Damit holt man sich beim Feuilleton leicht Invektiven wie „circensisch“ und „rückwärtsgewandt“ ab. Damit sichert man aber andererseits den Fortbestand der Gattung, denn irgendwann ist auch das geduldigste Fachpublikum ausgestorben, und die nächsten Generationen stehen vor Grundsatzfragen, deren Beantwortung als unelegant und reaktionär gilt.

© Michael Poehn Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Riese an Ausstrahlung

Adès setzt Shakespeares Abschiedswerk in eklektizistischer Vielfalt der Stile um. Das Werk beginnt mit „Othello“-nahem Sturmgetöse, aus dem sich ein sperriger, weitgehend atonaler, den Sänger des Prospero enorm fordernder erster Akt entspinnt. Adrian Eröd, ein Riese an Ausstrahlung, verkörpert den auf einer Zauberinsel exilierten Herzog von Mailand, den Herrn über eine absolutistische Gegenwelt humanitär abgemilderter Gewalt. Eröd leistet Vorzügliches. Dennoch sitzt dieser einst feine Kavalierbariton in einem Charakterfach fest, aus dem man ihn bald befreien sollte, ehe die Stimme Schaden nimmt.

© Michael Poehn Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wahnwitziges an Höhenakrobatik leistet Audrey Luna als Luftgeist Ariel, im Ensemble glänzt Thomas Ebensteins Monster Caliban. Pavel Kolgatin, Jason Bridges, David Pershall, Stephanie Houtzeel, Herbert Lippert und die anderen fügen sich schätzenswert ins Ganze, doch würde man sich insgesamt eine etwas kostbarere Besetzung wünschen.

© Michael Poehn Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Hommage an das Theater

Hochglanz hingegen erzeugen die Philharmoniker unter der Leitung des Komponisten. Sie sind von der Aufgabe offenbar überzeugt und vermitteln das auf glückhafte Weise. Lepage schließlich, der die Ereignisse in die Mailänder Scala verlegt und Prospero als allwaltenden Regisseur interpretiert, hat eine Hommage an das Theater, seine Maschinen und Effekte, aber auch seine Wahrheiten geschaffen. Das bedeutet: Die Gefühle sind echt und die Reaktionen psychologisch nachvollziehbar, mögen die Geschöpfe szenischer und szenographischer Phantasie (Jasmine Catudal, Kym Barrett) auch akrobatisch durch die Luft wirbeln und sich manchmal der Musical-Äthetik nähern.

© Michael Poehn Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

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