Andrej Platonow: Tschewengur

Frank Castorf holt ein Juwel russischer Literatur aus dem Vergessen

von Andrej Platonow: Tschewengur © Bild: Wiener Festwochen

Zu Lebzeiten wurde Andrej Platonow (1899-1951) vor allem in der Lubjanka genau gelesen. Stalins Zensoren hatten dem Schriftsteller genau im Visier. Heute wirkt seine Kritik am sowjetischen Gesellschaftsmodell visionär. Und das zeigt Frank Castorf auf einer stimmigen Drehbühne von Aleksandar Denic: dort werden abwechselnd ein Windmühlenrad, eine Lokomotive, ein Proletarier-Klub oder ein verkommenes Haus gezeigt.

In kurzweiligen Mono- und Dialogen wird erklärt, wer Andrej Platonow (Andreas Leupold)war.Dann geht's auf "Die Wanderung mit offenem Herzen", wie der Roman im Untertitel heißt. Stepan Kopenkin ( Astrid Meyerfeldt)reitet auf einem Pferd, namens "proletarische Kraft" durch die Lande, um das Grab Rosa Luxemburgs zu finden.

Andrej Platonow: Tschewengur
© Wiener Festwochen

Im titelgebenden Ort Tschewengur diskutiert Kopenkin mit den Bewohnern über eine ideale Lebensform. Mit trockener Ironie werden hier kommunistische Klischeevorstellungen scheinbar unausrottbaren kapitalistischen, menschlichen Begierden gegenübergestellt.

Meisterhafte Wortspiele

Im russischen Original fiel Platonows Werk vor allem durch sein überquellendes Einbauen "lexikalischer und grammatikalischer Fehler sowie sowjetischem Fachjargons", wie Fe strichen-Schauspielleiterin Marina Davydova schreibt. Und das bildet die Basis für Frank Castorfs Brillant-meisterhafte Wortspiele, vom "laufenden Moment", von "Verkomplizierung", von dessen Verbindung ist da zu hören. Sprache wird zur Musik, sie gibt in starken Momenten den Rhythmus vor, etwa wenn es um die Eisenbahn geht, verfallen die Schauspieler in den nämlichen Rhythmus.
Das geht natürlich nur mit so einem exzellenten Ensemble: Johann Jürgens, Katharina Knap, Horst Kotterba, Manga Kuhl, Andreas Leupold, Astrid Meyerfeldt, WolfgangMichalek, Hanna Plaß und dem exzessiv selbstentäußernden Matti Krause.

Auch wenn Castorf seine für ihn typischen Stilmittel, Live-Übertagungen durch Handkamera und extreme Länge - das Schauspiel währt über fünf Stunden - übertreibt, möchte man keinen Moment dieses Spektakels missen.

An der Berliner Volksbühne läuft Castorfs Vertrag dieses Jahr aus. Man sollte in Wien die Chance nützen, ihn in den nächsten Jahren zu engagieren

Weitere Vorstellungen

14./15./16. Mai, Museumsquartier
www.festwochen.at

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