Beschäftigte wie Mist behandelt?

Abfallberater der MA48 klagen die Stadt wegen prekärer Arbeitsbedingungen

Zumindest das Wetter war wirklich Mist: Als sich am Dienstag den 12.2. ehemalige und noch beschäftigte Abfallberater der Wiener Magistratsabteilung (MA) 48, vor dem Arbeitsgericht im 8. Bezirk einfanden, versank Wien gerade in einem Meer aus Schnee. Die Aktivisten der „Initiative Abfallberatung“ ließen sich von diesen widrigen Verhältnissen jedoch nicht abhalten. Stand doch die erste Feststellungsklage an, bei der es um die Rechtmäßigkeit ihrer Anstellungsverhältnisse geht. Die Abfallberater werfen der MA 48 vor, sie zu Unrecht, teils über viele Jahre, auf Werkvertragsbasis und unter prekären Arbeitsverhältnissen, beschäftigt zu haben.

von Initiative Abfallberatung. Aktion vor Sozialgericht. © Bild: Initiative Abfallberatung

Die Abfallberater, die meisten von ihnen sind Frauen und relativ jung, müssen an diesem Morgen gleich in mehrfacher Hinsicht tapfer sein. Zum einen ist es wenig vergnüglich bei eisigen Temperaturen und Schneetreiben eine Kundgebung im Freien abzuhalten, zum anderen steht die erste Klage gegen die MA 48 an und vor Gericht weiß man schließlich nie mit Sicherheit, wie letztlich geurteilt wird. Die Klage einer Abfallberaterin wurde behandelt, die Kosten muss die Klägerin selbst zahlen, denn die zuständige Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG-KMSfB) vertritt sie nicht mehr.

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass Abfallberater und ein Magistrat der Stadt Wien - die stets auf eine soziale Tradition verweist - ausgerechnet wegen der Frage ob ein Verstoß gegen das Arbeitsrecht vorliegt, vor Gericht stehen?

21 Stunden Arbeit am Stück

Begonnen hat alles im vergangenen Sommer, als die MA 48 nach einer Evaluierung ankündigte, einen Großteil der auf Werkvertrag beschäftigten Mitarbeiter, nur mehr in geringem Stundenausmaß zu beschäftigen. Zuvor hatten die etwa 33 Abfallberater teils viele Jahre für die Magistratsabteilung gearbeitet. Immer auf Werkvertragsbasis und das obwohl man, nach eigener Auskunft, voll in die Organisation der MA 48 eingebunden war.
Ohne jedoch die Vorteile eines Angestelltenverhältnisses zu genießen. Denn eine Abfallberaterin meinte gegenüber NEWS.AT, dass ihr Rekord bei 21 Stunden Tagesarbeitszeit und 115 Stunden Wochenarbeitszeit gelegen hätte. Ein anderer Mitarbeiter wird am 3.April dieses Jahres in Pension gehen. Er wird dann dreizehn Jahre auf Werkvertragsbasis für die Abfallberatung gearbeitet haben. Jahre die ihm in der Pensionsversicherung fehlen.

Was ist Abfallberatung?

Die Aufgabe der Abfallberater war es, die Schnittstelle zwischen MA 48 und der Öffentlichkeit zu bilden. Dazu gehörte es, das Misttelefon zu betreuen, welches nach Angaben der Aktivisten 70.000-75.000 Anrufe jährlich und bis zu 400 pro Tag entgegennahm. Aber auch die Teilnahme an verschiedensten Veranstaltungen - von Infokampagnen an Schulen und Kindergärten bis zum Austausch mit Umweltaktivisten - standen am Programm.

Im vergangenen Sommer änderte sich die Situation dann: Es wurden fünf Abfallberater, nach Angaben der Aktivisten, zu schlechten Bedingungen (beispielsweise ohne Anrechnung von Vordienstzeiten) eingestellt. Zwölf Abfallberater, die weniger als drei Jahre für die MA 48 tätig waren (ab diesem Zeitpunkt gilt ein strengeres Kündigungsrecht), wurden gekündigt und der Rest nur mehr im geringen Stundenausmaß beziehungsweise gar nicht mehr beschäftigt.

Klage gegen die Stadt

Da für Werkvertragsnehmer weder Urlaubs- noch Krankenstands-Geld vorgesehen ist und das Fehlen von Aufträgen zu einem direkten Verdienstentgang führt, waren die meisten gezwungen, sich neue Tätigkeiten zu suchen.

Die „Initiative Abfallberatung“, der Zusammenschluss jener 28 Abfallberater die nicht eingestellt wurden, wehren sich gegen diese Vorgangsweise. Ursprünglich erfuhr man von der Gewerkschaft Unterstützung, diese lehnte jedoch eine gerichtliche Vertretung ab, da die Beschäftigten erst zu kurz bei der Gewerkschaft waren. Die Arbeiterkammer unterstützt hingegen die Beschäftigten, da man ein Grundsatzurteil, über die Gültigkeit dieser Werkverträge, erwirken möchte. Mit dieser Unterstützung und Teils auf eigene Kosten gehen die Aktivisten nun vor Gericht.

Akademiker ohne Anstellung

Wie viele prekär Beschäftigte, sind auch jene der MA 48 nicht schlecht ausgebildet. Viele von ihnen haben Studien abgeschlossen, darunter auch naturwissenschaftliche. Eine Aktivistin, Frau S., bringt es auf den Punkt: „Ich bin 34 Jahre alt und habe ein naturwissenschaftliches Studium abgeschlossen. Trotzdem ist es mir noch nie gelungen, eine Tätigkeit auszuüben, die auch sozial absichert.“ Wie viele andere Betroffene steht sie jetzt nicht nur ohne Beschäftigung von der MA 48 sondern auch ohne Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung da.

Wie auch den anderen ehemals Beschäftigten geht es ihr darum, dass ihr Arbeitsverhältnis rückwirkend als reguläres Arbeitsverhältnis anerkannt wird. Bei den zwölf Gekündigten soll außerdem eine Wiedereinstellung erfolgen.

Prozesstag ohne Ergebnis

Unterstützung erfahren die Abfallberater von den Wiener Grünen. Der Umweltsprecher Rüdiger Maresch, gab gegenüber NEWS.AT an, dass derartige Kettenarbeitsverhältnisse, noch dazu im öffentlichen Bereich, von Seiten der Grünen nicht als wünschenswert angesehen werden. Außerdem steht man im Gespräch mit der MA 48 und der zuständigen Stadträtin Ulli Sima, um eine gütliche Einigung zu erreichen.

Der erste Prozesstag brachte jedenfalls noch keine Einigung. Der Anwalt der Stadt Wien gab laut „Initiative Abfallberatung“ an, dass MA 48 an die Klägerin bereits ein Angebot für ein Dienstverhältnis, wenn auch nicht als Akademikerin eingestuft und eine Abschlagszahlung für die vergangenen Jahre angeboten hätte. Die Klägerin selbst gab hingegen an, kein schriftliches Angebot erhalten zu haben, das Angebot der Abschlagszahlung aber bei weitem nicht vergangene Ansprüche abdecke. Schließlich wurde das Verfahren für vier Wochen unterbrochen, um es beiden Parteien zu ermöglichen, doch noch das Gespräch zu suchen.

Der „Initiative Abfallberatung“ wäre eine Einigung jedenfalls recht. Viele ehemalige Berater haben zwar inzwischen andere Beschäftigung gefunden, dennoch wollen fast alle von ihnen am liebsten wieder zurück in die alte Tätigkeit: „Der ständige Austausch mit der Öffentlichkeit und die vielfältigen Arbeitsgebiete machen die Tätigkeit so interessant“, meint Frau S, trotz aller Widrigkeiten.

MA 48 fühlt sich zu Unrecht beschuldigt

Josef Thon, der Leiter der MA 48, sieht die ganze Situation im Gespräch mit NEWS.AT ganz anders als die „Initiative Müllberatung“. Laut seinen Angaben hätte das System seit den 1990er Jahren gut funktioniert. Obwohl er ein Haus mit 3600 Mitarbeitern leite, sei es nie notwendig gewesen Anwälte zu bemühen. Auch mit den Müllberatern hätte die Zusammenarbeit lange Zeit sehr gut funktioniert. Viele der Beschäftigten hätten die Tätigkeit neben einem Studium ausgeübt, oder die Vorteile der flexiblen Zeiteinteilung durch Werkverträge gerne in Anspruch genommen. Die Stundensätze seien mit 17 bis 19 Euro pro Stunde großzügig gewesen. Manche Beschäftigte wären über längere Zeit nicht tätig gewesen, um sich anderen Dingen zu widmen und hätten dafür zu anderen Zeiten eben mehr gearbeitet.

Erst als sich im vergangenen Jahr im Zuge einer Evaluierung festgestellt wurde, dass die Struktur der Abfallberatung geändert werden sollte, wären die Probleme entstanden. Zehn Beschäftigten seien Jobs angeboten worden, fünf hätten diesen auch angenommen, die anderen abgelehnt. Die Begründung sei gewesen, dass sie dieses Angebot nur annehmen könnten, wenn alle Beschäftigten angestellt werden. Es sei eine Art „Gruppenzwang“ entstanden und keine gütliche Einigung mehr möglich gewesen. Die Beschäftigten seien dann auch nur mehr bereit gewesen als Gruppe zu verhandeln. Doch das sei für ihn, Thon, unmöglich gewesen, weil man auf diese Art keine Verhandlungen führe. Angebote von ihm sich zu Einzelgesprächen zu treffen, seien nicht beantwortet worden und er sei etwas perplex gewesen, als er erfahren musste, dass stattdessen sogar ein Anwalt eingeschaltet wurde.

Für die MA 48 stelle sich das Dienstverhältnis der ehemals Beschäftigten jedenfalls anders dar, wobei man natürlich nie sagen könne, wie das Gericht das beurteile. Allerdings muss auch Thon eingestehen, dass inzwischen niemand mehr auf Werkvertragsbasis angestellt ist. Neben fünf Vollzeitbeschäftigten, gäbe es weitere Beschäftigte, die in geringerem Stundenausmaß beschäftigt sind. „Das bedeutet für die Angestellten natürlich auch weniger Flexibilität in der Diensteinteilung aber den Stress, dann womöglich abermals geklagt zu werden, wollte ich mir nicht mehr antun.“ Thon hofft nun darauf, die Probleme mit den bisherigen Beschäftigten rasch zu lösen und er sei auch dazu bereit, mit jeder Einzelperson zu verhandeln.

Gleich Arbeit, unterschiedlicher Lohn?

Frau S. von der „Initiative Abfallberatung“ sah den Sachverhalt gegenüber NEWS.AT ganz anders. Es habe kein Angebot gegeben zu verhandeln. Lange vor der Evaluierung sei immer wieder von Einzelpersonen darum gebeten worden, darüber zu reden, ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich ein Werkvertrag sei. Es sei auch versprochen worden diese Forderungen an Herrn Thon weiter zu tragen: “Wenn Herr Thon nun behauptet, es sei nie das Gespräch gesucht worden, muss wohl an der internen Kommunikation gearbeitet worden.“ Das Dienstverhältnis sei tatsächlich ein angenehmes gewesen, “aber nur weil auch viele Studenten beschäftigt wurden, ist das kein Grund keine legalen Arbeitsverhältnisse zu schaffen.“ Ebene jene ehemaligen Studenten seien heute Teil der Initiative, so rosig können die Dienstverhältnisse also nicht gewesen sein. Mit Thon hätten einzelne Personen Gespräche gehabt. Dabei sei unter anderem gefordert worden schriftlich zu bestätigen das Dienstverhältnis für ein legales zu halten, wenn man weiterarbeiten wolle. Einer anderen Person sei es nicht gestattet worden mit einer gewerkschaftlichen Vertrauensperson zum Gespräch zu kommen. Vielmehr wurde ihr mitgeteilt, dann nicht mehr mit einer Weiterbeschäftigung rechnen zu können.

Enttäuscht sei man auch vom Betriebsrat, der sich für die Belange der auf Werkvertragsbasis Beschäftigten nicht interessiert hätte´: „Können sie sich vorstellen wie das ist, wenn man einen Schlüssel, Dienstkleidung, sogar Dienstschuhe der MA 48 hat. Wenn man, wie in meinem Fall eng mit der MA 48 zusammenarbeitet und sogar öffentlich für die MA 48 spricht. Wenn aber jeden Tag im Büro zu Mittag jemand mit Essensmarken durchgeht und dezent an einem vorbeigeht? Wenn man dieselben Tätigkeiten wie andere Beschäftigte ausübt aber im Gegensatz zu diesen nicht so einfach Urlaub oder Krankenstand nehmen kann?“

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Ignaz-Kutschnberger

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