Empörung nach neuen Attacken auf deutsche Politikerinnen

von Empörung nach neuen Attacken auf deutsche Politikerinnen © Bild: APA/APA/dpa/Britta Pedersen

Giffey erlitt bei einem tätlichen Angriff leichte Verletzungen

Die neuerlichen Angriffe auf Politikerinnen sind in Deutschland scharf verurteilt worden. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Attacke gegen seine Parteifreundin Franziska Giffey am Mittwoch als "empörend und feige". "Wer sich engagiert, verdient Respekt", schrieb er am Mittwoch in einem Beitrag auf der Plattform X. Giffey war am Dienstag in Berlin von einem Mann angegriffen und verletzt worden. Der Verdächtige wurde in der Psychiatrie untergebracht.

Der Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU) verurteilte den Angriff auf Giffey aufs Schärfste. "Wer Politikerinnen und Politiker angreift, greift unsere Demokratie an", erklärte er am Mittwoch. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte beim CDU-Parteitag in Berlin, dass die Täter "die volle Härte des Gesetzes spüren" müssten. All diejenigen, die sich für die Demokratie einsetzen, müssten vor Übergriffen geschützt werden. "Wenn diese Menschen nicht mehr sicher sind, dann ist unsere Demokratie auch nicht mehr sicher", betonte die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl.

Giffey wurde Dienstagnachmittag in einer Bibliothek im Berliner Stadtteil Rudow attackiert. Ein Mann habe die frühere Bürgermeisterin unvermittelt "von hinten mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt, attackiert und am Kopf sowie am Nacken getroffen", teilten Polizei und Staatsanwaltschaft Berlin in der Nacht auf Mittwoch mit. Giffey begab sich kurzzeitig zur ambulanten Behandlung von Kopf- und Nackenschmerzen ins Spital. Am Mittwochvormittag hieß es, der mutmaßliche Täter sei identifiziert worden. Es handle sich um einen 74-jährigen polizeibekannten Mann, bei dem es "Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung" gebe. Die Ermittlungen zum Tatmotiv seien weiter im Gange.

Giffey zeigte sich am Mittwoch kämpferisch. Nach dem ersten Schreck gehe es ihr gut und sie setze "heute unbeirrt meine Arbeit fort". Sie sei besorgt und erschüttert über eine sich verstärkende "Freiwildkultur", der Menschen, die sich politisch engagierten, ausgesetzt seien. "Wir leben in einem freien und demokratischen Land, in dem jede und jeder seine Meinung frei äußern darf und kann. Dennoch gibt es eine klare Grenze - und das ist Gewalt gegen Menschen, die eine andere Auffassung vertreten, aus welchen Gründen auch immer, in welcher Form auch immer."

Die Dresdner Grün-Politikerin Yvonne Mosler wurde Dienstagabend von einem 34-jährigen Mann beiseite gestoßen, beleidigt und bedroht, teilte die Polizeidirektion Dresden mit. Er soll auch zwei Wahlplakate heruntergerissen haben. Eine 24-jährige Frau sei dazugekommen und habe die Politikerin - die in Begleitung von Helfern und einem Drehteam war - unvermittelt bespuckt. Die Polizei stellte die beiden in unmittelbarer Nähe. Gegen den 34-jährigen Deutschen werde wegen Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung und Sachbeschädigung ermittelt und gegen die 24-jährige Deutsche wegen Körperverletzung. Gegen beide werde auch wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt, weil sie in einer Gruppe gestanden haben sollen, aus der heraus der Hitlergruß skandiert worden sein soll.

Die Polizei wollte den Namen der Politikerin zunächst nicht nennen. Die Dresdner Grünen teilten ihn am Mittwoch mit. Mosler sei gemeinsam mit ihrem Parteikollegen Cornelius Sternkopf und zwei Medienteams von der Deutschen Welle und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" unterwegs gewesen, hieß es. Mosler und Sternkopf seien die beiden Grünen-Spitzenkandidaten für den Stadtrat im Wahlkreis 11 (Gorbitz/Cossebaude).

Der Chef des für Personenschutz zuständigen deutschen Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, äußerte sich besorgt über die Häufung der Angriffe. "Was schon Sorge macht, ist, dass die Zahl der Körperverletzungen jetzt zunimmt", sagte Münch am Mittwoch in Bremen. Im gesamten vergangenen Jahr habe die Behörde 27 körperliche Angriffe auf Politiker gezählt, heuer schon 22. Aber auch die Zahl der Beleidigungen gegenüber politischen Amtsträgern sei deutlich angestiegen. Die Situation sei angespannt und je nach Bundesland verschieden. Die Polizei könne aber nicht alle Politiker und Helfer schützen. "Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass das alles mit einem polizeilichen Schutz endet."

Erst am Freitag war der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Matthias Ecke, in Dresden von vier jungen Männern im Alter von 17 und 18 Jahren zusammengeschlagen und schwer verletzt worden, als er Wahlplakate anbringen wollte. Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen rechnet zumindest einen dem rechten Spektrum zu.

Am Dienstag hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern vor dem Hintergrund der Angriffe zu einer Sondersitzung getroffen und sich zum besseren Schutz von Politikern und Wahlkämpfern auch für eine Verschärfung des Strafrechts ausgesprochen. Faeser bezeichnete den Angriff auf den SPD-Politiker Ecke als "Zäsur" und forderte unter anderem schnellere Verfahren der Justiz.

Im Jahr 2023 gab es laut Faeser 2710 Straftaten gegen Mandatsträger, 53 Prozent mehr als im Vorjahr. Sie betonte: "Auch Angriffe gegen AfD-Politiker sind nicht hinnehmbar." Sie sprach von einer "Eskalation antidemokratischer Gewalt". Die Spirale von Hass und Gewalt müsse gestoppt werden.