Wie sich die Zeiten ähneln

Eine Präsidentenwahl spaltet das Land, ein SPÖ-Kanzler tritt zurück, und die FPÖ setzt zu einem Höhenflug an. Kommt Ihnen das bekannt vor? Irrtum, die Rede ist vom Schicksalsjahr 1986

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Gestern und Heute - Wie sich die Zeiten ähneln

Es war das Ende der 13-jährigen Ära Bruno Kreisky: bei der Wahl am 24. April 1983 blieb die SPÖ mit 48 Prozent (!) zwar stärkste
Partei, verfehlte die absolute Mandatsmehrheit aber knapp. Noch einmal stellte Kreisky, der Vizekanzler Fred Sinowatz zum Nachfolger auserkoren hatte, die Weichen – für eine Regierung mit der FPÖ, wo 1980 der liberale Norbert Steger den Altrechten Alexander Götz abgelöst hatte.

Rot-Blau: Pannen, Skandale

Die dreijährige Amtszeit des Kabinetts Sinowatz/Steger war von Pannen und Skandalen überschattet, zuerst SPÖ-intern: Der Konflikt zwischen Kreisky und Ex-Vizekanzler Hannes Androsch eskalierte, obwohl dieser inzwischen Generaldirektor der CA geworden war. Nachdem Finanzminister Herbert Salcher eine Sachverhaltsdarstellung über angebliche Steuerhinterziehungen durch Androsch bei Gericht hinterlegt hatte, wurde er im Herbst 1984 durch Länderbank-Generaldirektor Franz Vranitzky ersetzt. Dann legte Bautenminister Karl Sekanina unter dem Verdacht unsauberer Geschäfte alle Ämter zurück. K(r)ampf auch mit der Opposition: Als Salzburgs ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer eine Öffnung der Geschäfte am 8. Dezember durchsetzen wollte, brachte die Bundesregierung eine Verfassungsklage gegen ihn ein. Vor allem gegen die steirische ÖVP (Jugendchef war damals Reinhold Lopatka!) musste Sinowatz den Ankauf der Draken-Abfangjäger samt Stationierung in der Steiermark durchsetzen.

Hainburg, Reder, Noricum

Im Dezember 1984 kam es nach der Besetzung der Donauauen bei Hainburg durch Gegner des geplanten Kraftwerks zu Konfrontationen mit Gewerkschaftern. Die Regierung verfügte einen Baustopp samt Verhandlungsphase. Nächster Eklat: Im Jänner 1985 begrüßte FPÖ-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager den aus Italien entlassenen SS-Kriegsverbrecher Walter Reder mit Handschlag, nicht nur für die SPÖ ein „schwerer Fehler“.

Zwei weitere Affären belasteten Innenminister Karl Blecha und Außenminister Leopold Gratz: Die gleichzeitige Lieferung von Kanonen aus dem verstaatlichten „Noricum“-Betrieb an die beteiligten Länder des ersten Golfkriegs, Irak und Iran, unter Verletzung des Waffenexport- und Neutralitätsgesetzes und der ebenfalls erst unter Vranitzky voll zu verdauende „Lucona“-Skandal (um einen Versicherungsbetrug mit Todesfolgen, begangen von Udo Proksch) festigten Österreichs überzogenen Ruf als „Skandalrepublik“. Schließlich wurden noch enorme Spekulationsverluste im Bereich der Verstaatlichten bekannt, Minister Ferdinand Lacina entließ fast die gesamte Führung.

Der „Fall Waldheim“

Vor diesem Hintergrund stieg der einzige bundespolitische Wahlgang, für den Fred Sinowatz verantwortlich zeichnete. Am 4. Mai 1986 erhielt der ÖVP-Präsidentschaftskandidat Kurt Waldheim im ersten Wahlgang 49,6 Prozent, der SPÖ-Kandidat Kurt Steyrer 43,7 Prozent, die grüne Kandidatin Freda Meissner-Blau 5,5 Prozent und der FPÖ-Rechtsaußen Otto Scrinzi 1,2 Prozent. Im zweiten Wahlgang am 8. Juni behielt Waldheim (53,9 Prozent) gegen Steyrer (46,1 Prozent) die Oberhand. Dem ersten großen konservativen Sieg seit 1966 war ein aufwühlender, wahrlich historischer Wahlkampf vorausgegangen. Anfang März 1986 hatten US-Zeitungen über angebliche NS-Verstrickungen Waldheims berichtet. Insbesondere über jene Lebensphase „eines der bestinformierten Abwehr-Offiziere der deutschen Wehrmacht am Balkan“ (so Waldheim-Biograf Hanspeter Born, ähnlich auch die später von der Regierung berufene Historikerkommission), die der frühere Uno-Generalsekretär in seinen Biografien ausgeklammert hatte. Obwohl nie eine Beteiligung Waldheims an Kriegsverbrechen nachgewiesen wurde, blieb das Faktum bestehen, dass er seine Vergangenheit geschönt und auch unbedeutende Vorfälle jeweils nur dann zugegeben hatte, wenn sie detailliert belegt wurden.

Diese Debatte demonstrierte, wie stark in Österreich nach 1945 grundsätzlichere Auseinandersetzungen mit dem NS-Erbe
verdrängt worden waren. Waldheim wurde zum Katalysator für heikle Themen: die „Pflichterfüllung“ der „Soldatengeneration“ auch gegenüber dem verbrecherischen NS-Regime und das lange verbreitete Leugnen jeder Mitschuld Österreichs. Hinzu kamen von manchen Unterstützern antisemitische Untertöne („ehrlose Gesellen von der Ostküste“, „Weltjudentum“). Freilich überzog auch die US-Kritik schamlos: Die „New York Post“ nannte Waldheim gar einen „SS-Butcher“.

Kanzler- und Koalitionswechsel

Die SPÖ hatte nach anfänglich klammheimlicher Freude kramphaft versucht, das Thema während des Wahlkampfs auszuklammern, sah sie dadurch doch zu Recht Steyrers Chancen geschmälert. Die Vorsicht nutzte der SPÖ nicht: Insbesondere Sinowatz wurde für die „Kampagne“ gegen Waldheim verantwortlich gemacht. Eine ironische Bemerkung über Waldheim („Wir haben zur Kenntnis genommen, dass nicht er bei der SA war, sondern nur sein Pferd“) wurde ihm von den Gegnern nie verziehen, insbesondere in seinem Kabinettschef Hans Pusch wurde der Initiator der „Jagdgesellschaft“ vermutet. Sinowatz resignierte: Gleich nach der Wahl Waldheims zum Bundespräsidenten trat er als Kanzler zurück und schlug Finanzminister Vranitzky als Nachfolger vor.

Die Koalition Vranitzky-Steger hielt dann nur drei Monate: Im September 1986 brach Vranitzky nach dem Sturz Stegers durch Jörg Haider die Zusammenarbeit mit der FPÖ ab, eine Regierung mit den nach rechts driftenden Blauen war ihm zu riskant. Nach einer Neuwahl im November 1986 bildete er ab Jänner 1987 eine (damals noch wirklich große) Koalition mit der ÖVP unter Alois Mock.

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