"Wie viele tote Kinder muss es noch geben":
Hat Jugendwohlfahrt im Fall Cain versagt?

Experte fordert Veränderung der Gesetzeslage Löffler: "Jugendämter haben zu wenig Zeit"

"Wie viele tote Kinder muss es noch geben":
Hat Jugendwohlfahrt im Fall Cain versagt?

Bereits am 7. Juli 2007 hatten Nachbarn das Jugendamt wegen unzureichender Beaufsichtigung verständigt. Der sechsjährige Bruder von Cain, Emilian, war damals vor dem 25-jährigen Milosac Maletic vom Balkon aus auf das Dach des Wohnhauses geflüchtet. Da die Mutter, Aleksandra N., über diesen Vorfall bereits informiert worden war, erfolgte keine weitere Intervention.

Hinweise wurden nicht weiter verfolgt
Wenige Wochen später, am 27. August 2010, wandte sich erneut eine Person aus dem privaten Umfeld der Mutter an die Jugendwohlfahrt. Bei dieser Gelegenheit teilte die Bekannte mit, dass sie sich große Sorgen mache, weil die Mutter mit einem vorbestraften Mann (dem nunmehrigen Beschuldigten) zusammen sei, der der Drogenszene angehöre. Das Jugendamt informierte die Polizei, ein Hinweis auf die Gefährdung von Mutter und Kindern sah die Behörde jedoch nicht. Es wurde wieder nicht eingegriffen. Es gab keine Hinweise auf "familiäre Gewalt oder Misshandlung der Mutter oder der Kinder", sagt Werner Grabher, Leiter der Jugendwohlfahrt im Amt der Vorarlberger Landesregierung.

Experte: "Jugendämter haben zu wenig Zeit"
Eine Situation, die für den Experten nicht ungewöhnlich ist. Er ortet einen Personalmangel: "Die Jugendämter haben zu wenig Zeit, das ist österreichweit ein Problem. Die Ämter sind voll damit beschäftigt jenen Meldungen nachzugehen, bei denen massive Missstände vorhanden sind. Es gibt sicher ein Personalproblem. Die Mitarbeiter können es sich nicht leisten, kleineren Hinweisen aktiv nachzugehen."

Gewalt: "Abhängigkeit ist Hauptproblem"
Auch dass die Mutter weiterhin mit ihrem Partner zusammenblieb, obwohl er die Kinder offenbar bereits über Monate hin misshandelte, ist kein Einzelfall, wie Löffler betont. "Das Hauptroblem ist die Abhängigkeit. Viele betroffene Frauen sind existentiell, finanziell oder auch emotional von den Männern abhängig. Außerdem arbeiten diese Männer auch oft mit massiven Drohungen. Hinzu kommt, dass die Frauen zum Teil sehr isoliert leben und wenig Unterstützung oder Kontakt zu Nachbarn, Verwandten oder Freunden haben. Dadurch sind sie den gewalttätigen Männern noch mehr ausgeliefert", erklärt Löffler.

Zivilcourage ist "ganz wichtig"
Was kann jeder einzelne gegen solch tragische Fälle tun? Zivilcourage ist "ganz wichtig", wie Löffler betont: "Es ist auch das Problem, dass Nachbarn oft wegschauen. Zivilcourage heißt nicht nur sich bei den Behörden zu melden, sondern sich auch den Menschen selbst zuzuwenden, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und kleine Unterstützungen anzubieten. Der Isolierung dieser Personen und Familien entgegenzuwirken. Das ist das Allerwichtigste."

"Es gibt sicher eine Dunkelziffer, weil nicht alles gemeldet wird." Allein die Vorarlberger Sozialeinrichtung IfS-Familienarbeit bekommt im Jahr rund 150 Familien zugewiesen, in denen Kinder gefährdet sind. Diese Fälle werden von der Jugendwohlfahrt überwiesen und dann intensiv vom Institut für Sozialdienste (IfS) betreut. Entscheidend ist jedoch der Zeitraum vor dem Eingreifen der Behörden, so Löffler. "Die Zeit bis die Jugendwohlfahrt verständigt, die Meldung abgeklärt und der Familiendienst eingeschaltet wird, das ist die kritische Phase", betont der Geschäftsführer von IfS-Familienarbeit.

Gesetzeslage schuld an tragischen Fällen?
Eine genaue Statistik, wie viele Kinder von Gewalt betroffen sind, gibt es nicht, wie Löffler kritisiert. "Selbst das neue österreichische Jugendwohlfahrtsgesetz, das seit Jahren in der Schublade liegt, sieht kaum eine Datenerhebung vor, weil die Bundesländer alles herausreklamiert haben, was auch nur nach möglichen Kosten riecht", ist das Vorstandsmitglied des DÖJ empört. Er fordert die Regierung auf, die gesetzliche Lage endlich zu ändern, um Fälle wie jenen von Cain in Zukunft zu verhindern: "Wie viele tote Kinder wie Luca oder Cain muss es noch geben, bis die Politik den Bedarf erkennt."

Weiterführende Links:

IfS-Familienarbeit

Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser

Carina Pachner

Kommentare

Wien_1190 melden

Na \"DeFacto\" wurdest du als Kind geschlagen?! Es ist wirklich schrecklich das ein "Schutzbefohlener" seinen "Schützling" tötet, nur warum neigen Sie zur Verallgemeinerung?!?!

Haben Sie evtl schon mal an die Gesellschaftsschicht gedacht in der solche Vorfälle passieren?! Evtl. die Erziehung dieses "Jungen" - es gibt keine Entschuldigung für eine solche Tat, nur man sollte mal ein bisschen über den Horizont hin-überblicken.... haben sie schon mal davon gehört das ein normaler Mensch seine Kinder umgebracht hat?(Außer in äußerst heftigen - psychisch behafteten - Situationen?) ... NEIN!

Dieser Mensch ist nicht normal (war ihnen vl klar) nur der Österreichische Staat kann diese Bürde sowieso NIE ganz abdecken! Häusliche Gewalt ist eines der "minder schweren" Themen im 21ten Jahrhundert, obwohl es sehr wohl ernst genommen werden sollte!

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Re: Na \\ Wer Augen hat zum Sehen, der sehe !
Wer Ohren hat zum hören, der höre !
... und wer ein Hirn hat, der denke !

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Re: Na \\ noch etwas:
Wer lesen kann (über das PISA-Nieveau hinaus), der lese !

Wien_1190 melden

Re: Na \\ Wer es sich leisten kann, der lebe - wer genug im Hirn hat erzieht seine Kinder dementsprechend! Anscheinend wurde bei Ihrer Erziehung einiges an "Fundament" verabsäumt zu lehren.

Wien_1190 melden

Re: Na \\ Meine Kinder würden NIE im Leben auf ein schwächeres Lebewesen los gehen - das ist Teil einer guten Erziehung und sie haben auch nicht einen Grund kriminell zu werden - > genug Eigenkapital.

Wenn es jemand wie Sie nicht verstehen will, dann kann man demjenigen nicht helfen :) - Tut mir Leid, ich würde Ihnen gerne helfen :)

Kinderrechtskonvention Österreich hat vor mehr als 20 Jahren die Kinderrechtskonvention unterzeichnet ... aber bis heute nicht in anwendbares Recht umgesetzt! Das heutige österreichische Familienrecht ist barbarisch und auf maximalen Profit für Anwälte, Gutachter und Betreuungseinrichtungen ausgelegt und nimmt gequälte und sogar getötete Kinder in Kauf. Neben den einzelnen Tätern trifft die Schuld auch Regierung, Justiz und den herrschenden FemiFaschismus.
www.scheidungsindustrie.at

Co Abhängigkeit Wenn vielleicht einmal in so einem Fall endlich das Thema Co-Abhängigkeit thematisiert wird, dass es da in Österreich bereits ein bestehendes Netz an Hilfe (z.b. Selbsthilfegruppen CODA) gibt könnte vielleicht der eine oder andere solche Fall verhindert werden.

Kontrollorgan melden

Personalmangel bei em Beamtenstand in Österreich? Wie wäre es, wenn die Beamten mal alle wirklich etwas Arbeiten würden? Und bitte, liebe Beamte, erspart euch jetzt die Verteidigungs- und Selbstbeweihräucherungsphrasen, ich kenne Bemate en masse, bis auf wenige Ausnahmen würden die in der Privatwirtschaft kein Probemonat überstehen. Was ein Beamter als Leistung ansieht ist lächerlich.
Weil die Mütter angesprochen wurden, als 1. steht bei denen nicht die Abhängigkeit sondern die Angst - die panische Angst vor Gewalt.

emwi melden

Re: Personalmangel Aber kein Beamter trägt jetzt alleine die Schuld an dieser Tragödie. Wenn nicht so eine verantwortungslose Mutter diesen Schläger ihre Kinder ausgesetzt hätte könnte dieses kleine Menschenkind noch leben.
Jeder normale Mutterinstinkt müßte gegen diese Angst und Abhänigkeit bestehen. Worauf sollte sich denn ein Kind sonst verlassen ?

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