Wenn Politik zur Show wird: Rock-Hymnen,
"Superpraktikanten" und Csárdás-Tänze

Artisten und Attraktionen in Österreichs Innenpolitik Nur miese Show? Politikberater Hofer im Interview<br>IHRE MEINUNG: Was halten Sie von der Polit-Show?

Wenn Politik zur Show wird: Rock-Hymnen,
"Superpraktikanten" und Csárdás-Tänze

Der Showmaster des Abends, Josef Pröll, grinste wie ein Hutschpferd. Soeben wurde in der Wiener Event-Location „Platinum Vienna“ seine „Superpraktikantin“ gekürt. Das Finale der als Castingshow angelegten ÖVP-Marketingaktion war von vorne bis hinten ein durchinszeniertes Spektakel: Unter anderem mussten die Kandidaten ihre Walzerkünste und ihr Talent am Laufsteg unter Beweis stellen. Das Publikum applaudierte, die ÖVP-Parteispitze lachte, Kunstnebel und grelles Scheinwerferlicht taten ihr Übriges. Unter den letzten fünf Bewerbern – insgesamt hatten sich über 400 für den unbezahlten Praktikantenjob beworben – hat sich letztlich Reez Wollner, 26 Jahre alte Medientechnikerin und Modedesignerin, als die geeignetste Kandidatin erwiesen. Über die gesamte nächste Woche darf sie Seite an Seite mit ihrem neuen Chef Josef Pröll eine Tour durch Ministerrat, Jägerball und Schladminger Nachtslalom absolvieren.

Töchter machen Probleme
Koalitionsinterner Wechsel in die Showarena der SPÖ: Aktuell sorgt eine Infokampagne von Bildungsministerin Claudia Schmied für erregte Gemüter. Um eine höhere mediale Aufmerksamkeit für ihr Anliegen, die Bildungsreform, zu erzielen, holte sie sich die allseits beliebte Popsängerin Christina Stürmer als Verstärkung ins PR-Team. Stürmer durfte der österreichischen Bundeshymne eine Prise Rock verpassen und auch gleich eine Passage des Hymnentextes in die politisch korrekte Fassung „Heimat bist du großer Söhne und Töchter“ ändern. Den Rechteverwaltern passt die Textänderung zwar überhaupt nicht, aber die Angelegenheit wird in der Öffentlichkeit angeregt diskutiert. Ähnlich verhält es sich mit dem Superpraktikanten, der von drei Medienpartnern in voller Länge abgefeiert wurde.

„Genau das wünschen sich Schmied und Pröll: Es wird darüber geredet und die Aufmerksamkeit auf die eigenen Anliegen gelenkt. Die große Gefahr für Politiker ist, dass man eine Kampagne startet und keiner schaut hin“, analysiert Thomas Hofer im Gespräch mit NEWS.at. Es handelt sich also nicht um eine „peinliche und miese Polit-Show“, wie die ÖH und die Sozialistische Jugend über die Praktikantenshow befanden? „Problematisch werden solche Inszenierungen erst dann, wenn sie die Inhalte überlagern. Showeinlagen wie der 'Superpraktikant' sind nämlich durchaus geeignete Mittel, um vor allem an die junge Zielgruppe heranzukommen", erklärt der Politologe.

"Zumindest nicht schädlich"
Hofer hält die jüngsten Darbietungen in der Showrevue der österreichischen Politik zwar für durchaus gelungen und „zumindest nicht schädlich für die Marken der beiden Politiker“. Der Grat, auf dem die Parteien beim Griff in die Schatulle der Showutensilien wandern, ist allerdings ein schmaler. Stehen irgendwann nämlich nur mehr die Showeinlagen der Politiker im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und nicht mehr die Kampagnen selbst, kann dies verwegenen Politshow-Akrobaten wie etwa Andrea Kdolsky zum Verhängnis werden. Die ehemalige Gesundheitsministerin fiel in ihrer Amtszeit nämlich eher mit Csárdás-Tänzen und Schweinsbraten-Bonmots auf denn mit ressortbezogenen Themen.

Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beherrscht die Klaviatur des Popkultur-Instrumentariums tadellos. Mit Besuchen in der Disco oder Comic-Heften („HC Man“) trifft er bei Jugendlichen lebenswelttechnisch voll ins Schwarze, wohl auch ein Grund, warum SPÖ und ÖVP in ähnliche Fahrwasser vorgestoßen sind. „Als Oppositionschef kann sich Strache diese Dinge natürlich erlauben. Als Bundeskanzler oder Vizekanzler muss man bei Inszenierungen schon vorsichtiger sein. Wenn beispielsweise der Finanzminister jede Woche in der Disco abhängt, wird er sich irgendwann die Frage gefallen lassen müssen, ob er angesichts der aktuellen Budgetsituation nicht etwas Besseres zu tun hätte.“

Eine Frage der Dosierung
Lockere Showeinlagen nebenbei können das starke, langsame Bohren von harten Brettern (Max Weber über den Begriff der Politik) also nicht völlig ersetzen. „Für Spitzenpolitiker rät es sich, sie nur in homöopathischen Dosen einzusetzen“, fasst Hofer zusammen. Man darf also gespannt sein, wie weit die Showfaktor-Dosis bei den heurigen Wahlkämpfen noch hinaufgesetzt wird.

(jt)

Kommentare

Dick und Doof Jetzt hat sich der Dick endgültig zum Clown hoch"gearbeitet". Sein Pendant, der Doof, ist jetzt auch gefordert, eine Show abzuziehen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Man weiß eh nicht, wer der Bundeskanzler ist, der Dick oder der Doof. Der Doof muß nur aufpassen, dass ihm der Dick nicht die Show stiehlt, weil bei den nächsten Wahlen in Wien, Nö und Burgenland schlechte Ergebnisse für die Roten, dann macht der Dick Neuwahlen und dann blickt der Doofe noch doofer, aber auch der Dick schaut dann noch doofer aus, weil der HC Strache denen beiden die Show stiehlt. Es wird auch Zeit, dass sich in Österreich was ändert, denn mit dem Dick und Doof sind wir schon die Lachnummer 1 ín Europa, siehe Töchter in der Bundeshymne.

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Armes Österreich Politiker holen sich Aufmerksamkeit nicht durch gute Arbeit, sondern durch skurille oft sehr peinliche Showelemente irgendwelcher Pseudostars. Das eigentliche Drama besteht aber darin, dass die ohnehin politisch uniteressierte Jugend voll darauf abfährt und ihr Kreuzerl dort macht, wo die bessere Show geboten wird. Sachinhalte rücken leider immer mehr in den Hintergrund hin bis zur Bedeutungslosigkeit.

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Re: Armes Österreich Das ist so genial analysiert, dass es sich erübrigt, noch etwas hinzuzufügen!

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