Wanda - Erfolgsgeschichte mit Plan

Der Sänger über Sex mit der Cousine, jugendlichen Größenwahn und Freundschaft

von Menschen - Wanda - Erfolgsgeschichte mit Plan © Bild: © pitpony.photography / CC-BY-SA-3.0

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Sein dezent gefärbtes Schönbrunnerdeutsch, versetzt mit Wiener Dialektausdrücken, ist das allseits beliebte Markenzeichen des 28-jährigen Bandvordenkers und Frontmanns. "Rockgott" wird er vom deutschsprachigen Feuilleton genannt. Seine Textzeilen sind kaum acht Monate auf dem Markt und schon Zitatenschatz für eine Generation. Wer auf Facebook aus dem Wanda-Hit "Bologna" zitiert ("Wenn jemand fragt, wofür du stehst "), erhält hundertfach die Antwort: "Sag: für Amore!" Das Lied, in dem der Sänger vom Sex mit seiner Cousine träumt, war kein Skandal und trotzdem ein Hit. "Das Publikum hat ,Bologna' als Hymne der Heimatlosigkeit verstanden. Bologna wird in Zeiten unserer Völkerwanderung zum Sehnsuchtsort, den jeder hat", sagt er. Selbstverständlich hat Wanda, benannt nach Wiens einziger weiblicher Zuhälterin Wanda Kuchwalek, einen bürgerlichen Namen, er stellt jedoch bewusst das Werk vor den Autor. Das Werk "Amore" bilanziert mit mehr als 40.000 verkauften Exemplaren; Goldstatus in Österreich, 34 Wochen in den Albumcharts. Acht Monate nach Erscheinen ist das eine Sensation in einem Land, in dem Popmusik seit Jahrzehnten mehr für Ehre als für Geld gemacht wird.

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Marco Michael Wanda bringt das nicht aus der Ruhe: "Man könnte auch völlig verrückt werden an diesem Punkt. Man könnte glauben, man ist wer; man betritt einen Raum und erleuchtet ihn. In Wahrheit betritt man ihn, und gar nix passiert." Der, der diese Sätze kluger Selbsterkenntnis spricht, sitzt fernab der hippen Szenetreffs in einem Lokal des zweiten Wiener Gemeindebezirks. Dort, wo Herz statt Hedonismus gilt. Am hintersten Tisch des bis auf die Kellnerin menschenleeren Raums kann er ungestört seine Sätze ziselieren, "Kredenzen Sie mir doch bitte einen Radler" zum Beispiel; trinken, Kette rauchen, übers Leben reden. "Ich habe meine normale Position in der Gesellschaft nicht verlassen; bin nicht weit entfernt von dem Punkt, wo ich vorher war", sagt der Sänger. "Wenn man unbeeindruckt ist von eigentlich allem im Leben, geht das." Man spürt sofort, warum sie einander mögen, das Lokal und er. Sie sind echt, wollen nicht mehr oder weniger erscheinen, als sie sind.

»Mit 18 sagte ich zu meinem Vater: Ich glaube, in zehn Jahren werde ich der neue Falco«

In Wandas Fall ist das ein Musiker, der ohne sonderliche Umstände in den popkulturellen Kanon eingeht. "Ich wusste immer, dass es passiert. Ich wusste nur nicht genau, wie." Mit 18 sagte er zu seinem Vater: "Ich glaube, in zehn Jahren werde ich der neue Falco." Die Replik: "Du bist ein Trottel." Der jugendliche Größenwahn brachte ihn dem Ziel näher. "Dieser Gesellschaft fehlt Selbstbewusstsein. Menschen, die nicht selbstbewusst sind, sind unlocker und am Ende giftig. Das ärgert mich. Ich habe nichts dagegen, wenn sich jeder verherrlicht. Jetzt haben wir endlich Gott gestürzt, jetzt dürfen wir ein erhabenes Selbstgefühl haben", sagt der Schüler, den sie im Gymnasium Stubenbastei gern verprügelten, über sein gesundes Selbstbild. Wenn er Schläge einsteckte, wusste er über den Angreifer: "Du hast doch nur Angst vor dir selbst."

Dann wachte er eines Tages auf und schrieb den Hit "Luzia" mit der lebensklugen Zeile, die heute Kult ist: "Tu mir weh, Luzia, oder irgendwer anders tut's statt dir." Damals war er 24. "So wie der Hans Hölzel seinen Falco gefunden hat, wusste ich plötzlich, was ich musikalisch sagen will." Dazwischen lagen Jahre des Lernens vom Leben. "Ich habe bewusst gewartet, bis ich bereit bin, das zu tun", sagt er. Beim Trampen durch Europa und Nordafrika wurde er "tough"."Eigentlich war das nicht schön. Man friert, hat nichts zu essen, wird enttäuscht. Man will ficken, kann aber nicht; dann wieder doch, muss aber gleich wieder gehen. Aber es kommen viele schöne Geschichten raus." Die Lebensgeschichten Dutzender Autofahrer hörte Marco Wanda. "Das ist der Deal: Therapie für den Fahrer, ein paar Kilometer für den Gast."

»Plötzlich wusste ich, was ich musikalisch sagen will«

An der Universität hielt ihn kein geisteswissenschaftliches Fach. Bloß das Studium der Sprachkunst an der "Angewandten" beim Schriftsteller Robert Schindel erachtet er heute als wertvoll. "Ich habe gelernt, dass Befindlichkeit niemals Literatur sein darf. Gelernt, nicht kitschig zu sein, und dass wahr sein muss, was ich schreibe." Dass dieser junge Student ein Berufener ist -wenn auch nicht zum Schriftsteller -, erkannte Schindel bald. "Mir ist seine Begabung aufgefallen, aber sie hat nicht mit dem harten Arbeiten an einem literarischen Text korreliert." Als engagiert und offen und beschreibt er den jungen Mann von damals. Zur Vorlesung erschien Marco Wanda immer mit Hut. Schindel: "Er wollte äußerlich auffallen, das war klar." Nachsatz: "Und nun fällt er auf, das freut mich für ihn und seine Fans."

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Ähnlich beschreiben auch Vertraute das Besondere am neuen österreichischen Popstar. "Er war schon ein Superstar, als er noch kein Geld gehabt und meinen Kaffee getrunken hat", sagt Komponist und Wanda-Produzent Paul Gallister. Vom Fortgehen kannte man einander seit Jahren, dann gab Marco ihm einige seiner Songs, und Gallister half, das Kunstprodukt Wanda zu erschaffen. Marco hält er schlicht für "ein Genie. Der Typ, der sich Nudeln kocht, eine Gitarre nimmt und in der Küche einen Superhit schreibt. Er muss keine Show abziehen oder irgendeine Unsicherheit überspielen, weil er weiß, wie gut er ist, was er kann und was nicht."

Als drei Minuten lange Kinderlieder aus unserem Kulturkreis, die man mitsingen kann, beschreiben Wanda ihre Erfolgsprodukte. Der Sänger hebt die tiefe Verbundenheit zwischen den Bandmitgliedern hervor. "Freundschaft ist ein hohes Gut, das verändert unsere Musik und gibt ihr eine Seele", sagt er. Die Kollegen nennt er auf der Bühne "Baby" oder "Schatzi".

»Wir versuchen, so lang wie möglich ohne Sport und gesunde Ernährung duchzukommen«

Gemeinsam wird nicht nur musiziert, sondern auch exzessiv gefeiert. "Wir versuchen, so lang wie möglich ohne Sport und gesunde Ernährung duchzukommen", sagte Gitarrist Manuel Poppe am Rande des Wanda-Gigs am Donauinselfest. Für Ex-Punker Marco Wanda sind Konzerte sowieso Feste der Gleichheit. "Wenn Tausende Menschen ein wahrhaftes Gemeinschaftsgefühl erleben, statt Individualität anzustreben, ist es egal, wer welche Schuhe trägt oder welche Markenkleidung", sagt Wanda. "Dann ist der ganze Kapitalismus für einen Moment besiegt. Das macht mir Spaß."

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Satte 32 Mal darf er bis Ende September diese Punksiege live feiern. Dann startet die Tour zum zweiten Album, das im Oktober erscheint. Es wird nicht mehr auf dem heimischen Indielabel veröffentlicht, das Wanda- Entdecker Stefan Redelsteiner führte. Der Musik-Aficionado, der auch den Nino aus Wien groß machte, hat sich zum Wanda- Manager weiterentwickelt und einen lukrativen Deal mit einem deutschen Major-Label abgeschlossen. "Das ist der logische nächste Schritt. Wir denken groß. So einen Erfolg künstlich klein zu halten, wäre unsinnig", sagt Redelsteiner. Die Songs für Album Nummer zwei waren längst fertig, als "Amore" erschien, und auch das dritte Werk ist konzeptionell bereits im Kasten.

Wanda hat einen Plan. Seine Gelassenheit angesichts des Hypes überrascht nur Außenstehende. "Alles, was hier passiert, geschieht immer so. Das haben mir 30 Künstlerbiografien gezeigt, die ich gelesen habe, über John Lennon, Bob Dylan, Jimi Hendrix " Auch dass alles einmal zusammenbrechen wird, haben ihn die Biografien gelehrt. "Das ist ganz klar, dann mach ich was anderes." Fischer werden wie seine norddeutschen Verwandten oder Weltliteratur schreiben. Doch das hat Zeit. "In der Wanda-Genealogie sind wir erst im ersten Achtel." Er muss es wissen.

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