Österreich oben und unten:
Eine Liebeserklärung

Joseph Vilsmaier über sein Traumland. Hubert von Goisern über 'Identitätsgeschwafel'.

von
Doppel-Interview - Österreich oben und unten:
Eine Liebeserklärung

NEWS.AT: Sie erkunden in „Österreich oben und unten“ das Land – von oben und unten. Was war der Gedanke, der Plan dahinter?
Joseph Vilsmaier: Es gab gar keinen Plan. Ich habe damals „Bavaria“ (Anm.: ein Film über Bayern) gemacht und Karl Spiehs (österreichischer Filmproduzent) hat ihn gesehen und meinte: „Sowas könnten wir über Österreich machen.“

NEWS.AT: Gab es bestimmte Vorgaben?
Joseph Vilsmaier:Angepasst war das ganze eben an „Bavaria“, aber es war alles sehr schwierig. Die Frage „Wie gehen wir vor?“ oder „Wie hängen wir die Bundesländer zusammen?“ hat uns lange beschäftigt, bis wir ein Konzept hatten. Wir flogen 40 Stunden mit dem Hubschrauber und hatten 30 Stunden Material. Und dann muss man sich entscheiden. Der Film entstand natürlich auch am Schneidetisch, wo wir ein ganzes Jahr verbracht haben.

Österreich oben und unten
© Lisa Film

NEWS.AT: Sie haben 30 Stunden in der Luft und unzählige am Land unterwegs verbracht. Was hat Ihnen am besten gefallen, was hat Sie am meisten beeindruckt?
Joseph Vilsmaier:Das kann man nicht sagen, alle neun Bundesländer sind so verschieden. Von Vorarlberg bis zum Neusiedlersee ist eine Superlandschaft. Von der Natur seid ihr ja sowieso gesegnet. Jedes Bundesland hat irgendwo seine Schönheiten. Man muss sich bloß darauf einlassen.

NEWS.AT: Sie sind Bayer und haben einen Film über Österreich gemacht…
Joseph Vilsmaier: Ich hoffe, dass mir die Österreicher das verzeihen. (lacht)

NEWS.AT: Wie empfinden Sie die deutsch-österreichische Beziehung?
Joseph Vilsmaier:Ich bin im Grunde einer der ältesten Österreicher, weil ich 1943, da haben die meisten noch gar nicht gelebt, Urlaub mit meinen Eltern in Jenbach gemacht habe, beim alten Kaiser. Das war der Beginn meiner Österreich-Liebe. Ich habe in Österreich Skifahren gelernt, ich habe „Schlafes Bruder“ gemacht, „Bergkristall“ gemacht, ich habe den „Brandner Kaspar“ gemacht oder in Wien „Comedian Harmonists“ gedreht.

»Vilsmaier steht überhaupt nicht zu, dass er eine zeitkritische Bombe loslässt über Österreich«

NEWS.AT: Wieso kamen im Film keine kritischen Blicke für Sie infrage?
Joseph Vilsmaier:Ich habe den Film aus meiner Sicht gemacht, aus der Sicht vom Vilsmaier. Natürlich habe ich auch schon Stimmen gehört, es sei der „schönste Werbefilm für Österreich“ geworden. Und? Das ist doch wunderbar, ich bin ganz stolz darauf!
Wenn man einen sozialkritischen Film macht, dann muss man ganz anders vorgehen. Ich wollte nicht in Hinterhöfen in den Mülltonnen stochern oder so. Das wollte ich bewusst nicht. Natürlich kenne ich auch andere Seiten, aber da sind mehr die Politiker gefragt, als ich. Vilsmaier steht außerdem überhaupt nicht zu, dass er eine zeitkritische Bombe loslässt über Österreich, das müsste ein Österreicher machen.
Für mich heißt der Film auch nicht „Oben und unten“, für mich war es immer „Traumland Österreich“. Nachdem ich so gerne in Österreich bin und so viel kenne, mehr kenne als fast jeder Österreicher, war das ganz einfach eine Liebeserklärung.

Österreich oben und unten
© Lisa Film Der steirische Erzberg

NEWS.AT: Zu sehen sind hauptsächlich Dinge, die man auch in jedem Reiseführer findet…
Joseph Vilsmaier:Nein, eigentlich nicht. In einem Reiseführer habe ich zum Beispiel „Hannibal“ nie gesehen oder auch das Thayatal an der tschechischen Grenze: Kein Mensch weiß da was davon.

NEWS.AT: Hubert von Goisern hat den Soundtrack zu den eindrucksvollen Bildern geschaffen. Wie wichtig ist die Musik in dem Film?
Joseph Vilsmaier:Die Musik macht einen wesentlich großen Punkt aus, da die Bilder alleine nicht wirken. Und der Hubert hat eine ganz tolle Arbeit gemacht. Jemand sagte mir nach dem Kinobesuch, ihm seien gerade bei den Passagen, wo nicht gesprochen wurde, die Tränen gekommen. Und das ist toll.

»Hubert hat drei Mal "Nein" gesagt«

NEWS.AT: Wie ist es zur Zusammenarbeit gekommen?
Joseph Vilsmaier:Es war mein erster Wunsch von Anfang des Projektes an, dass Hubert die Musik macht.

NEWS.AT: Und er war auch gleich dabei?
Joseph Vilsmaier:Nein, war er nicht. Er hat drei Mal „Nein“ gesagt, doch dann war er begeistert von den ersten Mustern.

NEWS.AT: Herr von Goisern, haben Sie wirklich drei Mal „Nein“ gesagt, bevor es zur Zusammenarbeit kam?
Hubert von Goisern: Ja, so ist es. Es hat mich zuerst einfach nicht gereizt, die Musik für einen Dokumentarfilm über Österreich zu machen. Aber die Anfrage ist immer wieder wiederholt worden und irgendwann hieß es „Schau dir wenigstens einmal den Rohschnitt an“ und dann war ich so begeistert von den Bildern. Die Schönheit des eigenen Landes hat mich so gefangen genommen, dass ich gar nicht mehr ablehnen konnte, sondern mich gefreut habe, dass ich den Soundtrack zu diesen Bildern abliefern darf.

NEWS.AT: Im Film verwenden Sie Lieder (orchestral von Professor Robert Opratko und dem Orchester der Vereinigten Bühnen Wien arrangiert) aus Ihren letzten 25 Jahren. Wie schwer war es, die richtige Musikauswahl zu treffen? Oder haben Sie die Bilder gesehen und sofort die passende Musik im Kopf gehabt?
Hubert von Goisern: Ja, das war immer ganz klar. Ich hatte aber eine Zeit lang Bedenken, dass es zu viel Musik ist, aber du kannst nicht zum Beispiel nach einer Stunde sagen, jetzt wäre einmal eine Pause gut und da sind wir zufällig in Niederösterreich, also gibt es in Niederösterreich nur Vogelgezwitscher. Ich hatte wirklich Bedenken: Zu intensive schöne Bilder, zu intensive, schöne Musik und auf die Dauer ist man einfach Erschlagen von zu viel Schönheit.

NEWS.AT: Gab es Bundesländer wo die Auswahl schwerer oder leichter gefallen ist?
Hubert von Goisern: Nein. Aber ganz klar, je alpiner es ist, desto näher ist es meinem Lebensgefühl und der Musik, die ich mache. In Wien, Burgenland und Niederösterreich, da herrscht ein anderes Lebensgefühl und eine andere Musik, da habe ich auf Musiker und Ensembles, die in der Gegend angesiedelt sind, zurückgegriffen.

NEWS.AT: Neue Lieder haben Sie für den Film nicht komponiert?
Hubert von Goisern: Nein, ich fand das nicht notwendig. Ich habe aus erster Linie aus dem Fundus geschöpft, auch aus den Volksliedern, die es bei uns gibt, weil ich mir denke, es gibt eine Musik, die in diesem Land entstanden ist, die so etwas zeitloses hat. Und da jetzt das Rad neu zu erfinden, auf die Idee wäre ich nicht gekommen. Etwas Neues hätte hier fast abgelenkt.

»Sachen, die eine ganz klare Identität vorgeben, sind etwas Einengendes«

NEWS.AT: Herr Vilsmaier spricht vom „Traumland Österreich“. Auch viele Menschen sehen dies so, zurzeit herrscht eine Rückbesinnung auf Werte wie Heimatliebe; Tradition und auch Tracht werden wieder wichtig. Wie sehen Sie diesen „Hype“?
Hubert von Goisern: Mir gefällt Tracht, ich mag diese traditionellen Attribute, ob in Norwegen bei den Samen oder in der Wüste bei den Tuareg. Nichtsdestotrotz sind solche Sachen, die eine ganz klare Identität vorgeben, etwas Einengendes. Da darf man sich nicht in die Tasche lügen. Das hat immer etwas Ausschließendes und das kann ich nicht bedingungslos befürworten. Man sollte sich nicht hinter der Tracht oder unter dem Steirerhut verstecken und sagen „Ich bin so wie ich bin, weil ich ein Steirer bin.“ Wenn das Wiener Granteln etwas ist, hinter dem man sich zurückzieht, wo man sagt „Das ist halt da so“, dann denke ich mir: „Ja…Trottel! Sei so wie du bist und nicht so wie du glaubst, hier sein zu müssen, um diesem Bild gerecht zu werden.“ Diese Selbstentmündigung durch zuviel Identitätsgeschwafel und Tracht, die geht mir ein bisschen auf den Geist.

NEWS.AT: Herr Vilsmaier, würde es Sie als Deutschen reizen, einen Film dieser Art auch einmal über ganz Deutschland zu machen?
Joseph Vilsmaier:Komischerweise interessiert mich das gar nicht so.

NEWS.AT: Wieso nicht?
Joseph Vilsmaier:Ich mag Hamburg sehr gerne oder Flensburg aber nur auf eine gewisse Dauer. In Österreich habe ich mich beim Drehen auch monatelang wohl gefühlt. Das ist eine Mentalitätsfrage.

Österreich oben und unten
© Lisa Film Maria Wörth, Kärnten

NEWS.AT: Inwiefern unterscheidet sich die österreichische Mentalität von jener der Deutschen?
Joseph Vilsmaier:Es sind alles ein bisschen Grantler, ein bisschen schlitzohrig. Aber auch nicht so bürokratisch wie die Deutschen, man kann auch über Dinge reden. Damit komme ich einfach besser zurecht.

NEWS.AT: Hubert von Goisern bleibt dem Kino noch länger erhalten: Der Film „Brenna tuat‘s schon lang“ zeigt Sie und Ihre Karriere als Musiker und kommt im April ins Kino. Was erwartet die Fans?
Hubert von Goisern:Da bin ich befangen. Ich habe mich zwar zur Verfügung gestellt, aber immer gesagt, ich mag mit dem Schnitt nichts zu tun haben, ich mag mit dem Aussuchen des Archivmaterials nichts zu tun haben, das muss jemand von außen machen. Ich habe den Film nicht gesehen und will ihn auch nicht sehen, bis er fertig ist - weil sonst bestehe ich vielleicht darauf, dass er umgearbeitet wird (lacht) . Aber es ist ein Film über mein Leben und meine musikalische Laufbahn, die Stationen als Musiker, die mich geprägt haben.

NEWS.AT: Haben Sie sich den Film gewunschen?
Hubert von Goisern:Nein. Die Leute kamen auf mich zu und sagten, sie möchten das machen. Ich habe gesagt: „Ja, in Gott’s Namen, aber fragt‘s mich nicht“. (lacht)

NEWS.AT: Wie geht es bei Ihnen weiter?
Joseph Vilsmaier:Ich mache einen James Bond (lacht) – nein, meine nächsten Projekte sind alle noch nicht spruchreif. Ich lasse mir Zeit.
Hubert von Goisern:Mein neues Album ist heute fertig geworden. Es kommt am 8. Mai heraus dann gehen wir bald auf Tournee.

Info:
Österreich - Oben und unten
A 2014
99 min
Regie: Joseph Vilsmaier
www.oesterreich-oben-unten.at

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