Das Kreuz mit dem Kreuz

Millionen Österreicher haben Probleme mit dem Rücken. Was Experten raten.

Volksleiden Nummer 1: Zwei Millionen Österreicher haben Probleme mit dem Rücken. Kein anderes Leiden zwingt uns öfter in den Krankenstand.

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Volksleiden Nummer 1 - Das Kreuz mit dem Kreuz

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist der Schmerz der ständige Begleiter des österreichischen Schriftstellers Gerhard Roth. Zwei böse Bandscheibenvorfälle ("Da glaubte ich, plötzlich fünf Rucksäcke in den zweiten Stock tragen zu müssen“) machen Roth fortan die wichtigste Stellung eines Autors, das Sitzen nämlich, zur Qual. Ladungen von Schmerzmitteln, die wohl einen Elefanten flachlegen würden, bis hin zu Morphiumtabletten konnten dem mehrfach ausgezeichneten Literaten ("Orkus“) den Schmerz nicht nehmen. "Sie ermöglichten mir aber zumindest, dass ich meine Arbeit immer nur kurzfristig unterbrechen musste.“

Fast jeden erwischt es

Es trifft beileibe nicht nur Autoren oder Künstler. 85 Prozent aller erwachsenen Österreicher hatten schon einmal Rückenschmerzen. Rund 2,3 Millionen Alpenrepublikaner leiden sogar an manifesten Wirbelsäulenbeschwerden, errechnete die Statistik Austria. Wirbelsäulenleiden sind der häufigste Grund für Krankenstände, Spitalsaufenthalte und Frühpensionierungen.

Schmerz in den Lendenwirbeln

Hauptkriegsschauplatz im Rücken ist, so der Wiener Orthopäde Paul Köstler, zu 85 Prozent die Lendenwirbelsäule. "Sie steht in Verbindungsfunktion zum Becken und ist viel stärker belastet als die Hals- oder Brustwirbelsäule.“ Überhaupt, sind sich Orthopäden und Schmerzmediziner einig, ist der menschliche Stützapparat ein anatomisches Wunder: 24 Wirbel, dazwischen 23 Bandscheiben als Stoßdämpfer und die ganze Wirbelsäule vom Rückenmarkskanal durchzogen, sorgen dafür, dass der Mensch aufrecht geht.

Diese Konstruktion unseres Rückens wird gerne als Grund dafür angeführt, dass er uns so oft weh tut. Eine These, der heftig widersprochen wird. Auch von Köstler: "Wer viel und falsch sitzt, sich wenig bewegt, bildet die für die Koordination der Wirbel wichtigen Muskeln zurück. So sollten beispielsweise beim Vor- oder Zurückbeugen fünf Wirbel arbeiten, bei Untrainierten tut es aber nur einer - und der ist überfordert.“

Probleme ab 18 Jahren

Das Dilemma mit dem Rücken beginnt schon relativ früh. Schon jeder zweite 18-Jährige hat gelegentlich Rückenschmerzen, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie. So richtig gehe es aber mit 30 los, weiß Köstler. "Väter, die im Büro sitzen und keinen Ausgleichssport betreiben, erwischt es dann beim Bierkistentragen oder wenn sie die Kleinen aus dem Auto heben.“

Die Folgen sind bekannt schmerzhaft: ein scharfer Stich im Kreuz und die Unmöglichkeit, sich wieder aufzurichten. Hexenschuss nennt der Volksmund den bekanntesten Rückenschmerz, der meist durch eine verschobene Bandscheibe, die auf die Nervenwurzel drückt, hervorgerufen wird. Zumeist bringt ein "Stupser“ die Verschiebung wieder in Position. "Aber ja nicht grob herumreißen“, warnt Köstler.

Schlimmer und schmerzhafter wird es, wenn es sich um einen Vorfall handelt. Das bedeutet, dass entweder der Faserring der Bandscheibe so weit gedehnt wird, dass der Kern aus seiner Position heraustritt und einen Nerv einzwickt. Dann spricht man von Protrusion. Oder aber der Faserring reißt, der Kern tritt heraus und aus dem Inneren wird Gallertmasse herausgedrückt (Prolaps). Tritt sie seitlich aus, strahlen die Schmerzen zumeist aus.

Das Skalpell zücken aber heute Neurochirurgen nur mehr bei einem Bruchteil der Fälle. "Bei Riesenschmerzen, wenn ein Nerv über längere Zeit eingezwickt wird, heißt es, rasch eine neurochirurgische Ambulanz aufzusuchen“, fordert Köstler, "sonst drohen dauerhafte Lähmungen.“

Psyche macht Schmerzen

Doch was tun, wenn Kernspin- oder Computertomografie keine Veränderungen der Wirbel oder Bandscheiben zeigen? "Psychischer Stress verstärkt Rückenschmerz“, diagnostiziert der Schmerzspezialist Burkhard Gustorff vom Wiener Wilhelminenspital. Und Martin Friedrich, Leiter der Abteilung für Orthopädische Schmerztherapie in Speising, konkretisiert den Zusammenhang zwischen Rücken und Psyche: "Das klassische Henne-Ei-Problem: Bei Patienten mit langjährigen Schmerzerfahrungen wirkt ihr Leiden natürlich auf die Psyche. Umgekehrt kann auch das psychische Befinden prädisponierend für körperliche Schmerzen sein.“

Bewegung ist angesagt

Der Wandel bei der Behandlung akuter wie chronischer Rückenschmerzen ist signifikant. Denn der Rat zur Schonung gilt als überholt, Bewegung ist gefordert. Was freilich oft nur mit Einnahme von Schmerzmitteln möglich ist. Darin sind sich Werner Kieser, der nicht ganz unumstrittene Fitness-Papst aus der Schweiz, und die gesamte Orthopädie einig: Muskeltraining ist durch nichts zu ersetzen. Paul Köstler, der in Wien 5 seinen Wirbelsäulenstützpunkt betreibt, rät zum medizinischen Kräftigungstraining. "Das Um und Auf ist dabei die vorherige Untersuchung mit Messung der Muskulatur und die ständige Überwachung der Übungen durch geschulte Physiotherapeuten oder Sportmediziner.“ Dann herrscht wieder Friede mit dem Rücken.

Kommentare

butterfliers

Das sind mehr als gute Tipps dabei, vor allem bei mir war wichtig die Stärkung der Rücken- und Bauchmuskulatur dann gings auch besser, und bei Akutfall hab ich mir letztens das actipatch geholt und viel massiert, Ruhe bewahrt, dann gings auch schneller vorbei.

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