Die Wüste Gobi des Humors

Der Villacher Journalist Wolfgang Kofler versucht, das Phänomen zu erklären

Sie kennen vielleicht das Theaterstück "Warten auf Godot" von Samuel Beckett. Falls nicht, eine Kurzbeschreibung: Es geht um Menschen, die auf eine ihnen unbekannte Person warten, auf Godot eben. Nur kommt der nicht. Bis zum Schluss nicht.

von Villacher Fasching 2016 © Bild: ORF/Peter Krivograd

Und nun ersetzen Sie Godot durch "eine gute Pointe" - und schon sind wir beim Thema, dem Villacher Fasching. Genau gesagt, bei den Faschingssitzungen der bekannten Narrengilde. Ich darf mich an dieser Stelle vorstellen: Wolfgang Kofler, Journalist aus Villach. Ich habe viele Faschingssitzungen über mich ergehen la , also gesehen, eine der Schattenseiten meines Berufs. Und ich sage Ihnen: Lei, lei ist nicht lustig. Oder haben Sie jemals einen Menschen getroffen, der nach der TV-Übertragung am Faschingsdienstag Schmerzen in der Bauchmuskulatur hatte, weil er so herzhaft lachen musste? Eben. Warum aber überträgt der ORF dann seit 55 Jahren die Weniglacher der Villacher? Warum, Herrgott noch mal, haben in der Vergangenheit bis zu zwei Millionen Österreicher zugesehen? Und warum sind es auch heute noch zuletzt recht stabile 1,2 bis 1,4 Millionen, die im Wohnzimmer beim Glaserl Prosecco der müden Pointen der Amateurnarren harren?

Ich sage es Ihnen: Weil es gar nicht um den Humor, ums Lachen geht, sondern ums Ritual. Der Villacher Fasching ist längst zu einem akzeptierten Irrtum im Kalenderjahr geworden. Davon gibt es einige: den Advent zum Beispiel -der ist nicht besinnlich. Oder, neuer: Halloween -das ist nicht gruselig. Und halt auch den Villacher Fasching -der ist schmähtrocken wie die Wüste Gobi in einem besonders heißen Jahr. Aber, alte Weisheit: Menschen haben ein Bedürfnis nach Lachen, das ist quasi angeboren. Zumal heute. Arbeitslosenrate, Flüchtlinge, Marcel Hirschers beschlagene Brille in Schladming: Tragödien, so weit das Auge reicht. Wie gut würden da ein paar Lachanfälle bis an die Grenze der Inkontinenz tun! Daher: Villacher Fasching. In der Hoffnung. Unglücklicherweise ist es am Ende dann halt wieder einmal eine Provinzaufführung von "Godot".

Dabei gibt es rund um den Villacher Fasching durchaus lustige Aspekte. Blöderweise werden die nicht vom ORF übertragen. Im Vorjahr etwa soll Kristina Sprenger aka Ex-"Soko Kitzbühel"-Kommissarin Karin Kofler (nicht verwandt, nicht verschwägert) FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei der After-Show-Party übel beschimpft haben. Das wäre eine Nummer gewesen!

Oder die Narrengilde selbst: eine Schmähtandlerpartie, frage nicht. Die ist so dermaßen lustig, dass ihr schon einmal das halbe Team abhandenkommt. Vor einigen Monaten ist es wieder einmal passiert: schwere interne Zerwürfnisse -und zack, ist der gesamte Vorstand zurückgetreten. Hektische Neuwahlen haben verhindert, dass es heuer - bewahre! - kein Programm gibt. Alte Freundschaften sind darob zerbrochen, Lei-lei-Akteure, die einst gemeinsam in den Urlaub gefahren sind, grüßen einander heute nicht einmal mehr. Vor Jahrzehnten gab es, das nur der Vollständigkeit halber, sogar zwei Gilden in Villach. Zerstritten, verfallen. Lei-lei-Schisma an der Drau. Drama, Baby!

Vielleicht gesteht man der Gilde auch nach wie vor ihren Amateurstatus zu, gewährt man seit Jahrzehnten eine Art Humor-Welpenschutz. Und alle Akteure treten für lau auf. "Was sonst?", wird der eine oder andere von Ihnen jetzt schnauben. Sollen die auch noch bezahlt werden für Pointen wie diese: "I-Watch? Eine Eieruhr kriege ich nicht ums Handgelenk!"? Andererseits: Mario Barth ist um nichts lustiger. Das "Dschungelcamp" auf RTL auch nicht. Und da verdienen alle beteiligten Narren ein Schweinegeld.

PS: Das Kärntnerische "lei" heißt übrigens "nur". "Lei, lei" ergo "nur, nur". Die Gilde hat also von Anfang an mit offenen Karten gespielt, was diverse Unzulänglichkeiten betrifft.

Villacher Fasching: Auch heuer werden mehr als eine Million Österreicher dabei sein: 9.2., 20.15 Uhr, ORF 2

Wolfgang Kofler war Ressortleiter bei der "Kleinen Zeitung" und bei News und ist heute Redaktionsleiter der "Woche Villach". Kofler ist vermutlich der einzige Villacher Journalist, der von der Gilde nie mit einem Narrenorden ausgezeichnet wurde. Er hofft diesbezüglich auf den Godot-Effekt.

Kommentare

Der krampfige Ritualhumor der unsäglichen "fünften Jahreszeit" kann mir wirklich gestohlen bleiben.

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