VfGH diskutiert Gefahr von "Verfassungsputsch"

VfGH diskutiert Gefahr von "Verfassungsputsch"

Adamovich wirft Haider nämlich nun vor, absichtlich „gezielten und gefährlichen Unsinn“ zu verzapfen, und warnt den Kärntner Landeshauptmann „eindringlich“ davor, das Ortstafelerkenntnis des Gerichtshofs zu negieren und damit den Rechtsstaat auszuhebeln.

FORMAT: Herr Präsident, Landeshauptmann Jörg Haider und die Kärntner FPÖ wollen das Ortstafelerkenntnis des Verfassungsgerichts juristisch „überprüfen“ lassen. Von der FPÖ nominierte Experten sollen untersuchen, ob das Urteil „absolut nichtig“ und damit rechtlich irrelevant ist. Ist das zulässig?

ADAMOVICH: Die Schwierigkeit bei diesem Thema ist, daß der Begriff der „absoluten Nichtigkeit“ von Urteilen schon für hochqualifizierte Juristen höhere Mathematik ist. Wie soll das Problem dann aber eine breitere Öffentlichkeit verstehen?

Umso schwieriger ist es deshalb auch, begreiflich zu machen, was das für ein gezielter und gefährlicher Unsinn ist, den der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und sein Kärntner Parteichef Martin Strutz offenbar ganz bewußt da von sich geben. Ich warne wirklich eindringlich davor, die Entscheidungen des Verfassungsgerichts leichthin für nicht existent zu bezeichnen. Da kann man dann überhaupt die oberste Gerichtsbarkeit und damit den Rechtsstaat vergessen, wie das der Verfassungsrechtler Heinz Mayer richtig formuliert hat.

FORMAT: Mayer hat sogar von einem ersten Schritt der FPÖ zum Verfassungsputsch gesprochen.

ADAMOVICH: Professor Mayer pflegt seine Äußerungen gut zu überlegen. Es muß in einem demokratischen Rechtsstaat eben eine letzte gerichtliche Instanz geben, und wer das nicht akzeptiert, der akzeptiert auch den demokratischen Rechtsstaat nicht.

FORMAT: Auch die Kärntner ÖVP und Kärntens SP-Chef Ambrozy finden es aber richtig oder haben zumindest nichts dagegen, daß das Urteil des Verfassungsgerichtshofs juristisch geprüft wird.

ADAMOVICH: Man kann und soll niemanden daran hindern, ein Urteil zu kritisieren. Eine von politischer Seite eingeleitete systematische rechtliche Überprüfung eines Höchstgerichtsurteils ist aber indiskutabel. Man kann niemanden daran hindern, ein Urteil inhaltlich von A bis Z als falsch zu bezeichnen, was in diesem Fall übrigens sicher nicht wahr ist. Es kommt aber sehr darauf an, wer das tut. Ein Politiker muß sich in diesem Zusammenhang einen strengeren Maßstab gefallen lassen als ein akademischer Lehrer.

FORMAT: Bewegen sich Haider und alle anderen, die eine Überprüfung des Urteils fordern, eigentlich noch innerhalb des berühmten Verfassungsbogens?

ADAMOVICH: Als der Verwaltungsgerichtshof 1963 im Fall Habsburg gegen die damals mitregierende SPÖ entschieden hat, wurde diesem Höchstgericht vom damaligen Justizminister Christian Broda vorgeworfen, einen Juristenputsch unternommen zu haben. Jetzt könnte jemand auf die Idee kommen, daß der umgekehrte Vorwurf berechtigt ist.

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