"Sorry, ich war noch in einem anderen Meeting!"

Diesen Satz hören wir beim Zuspätkommen zu Meetings von Führungskräften sehr oft. Ist das ein Zeichen einer vielbeschäftigten Führungskraft oder einfach nur unhöflich? Ein Gastbeitrag.

von Gastkommentar - "Sorry, ich war noch in einem anderen Meeting!" © Bild: Shutterstock/Dragon Images
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Charlotte Eblinger-Mitterlechner ist Personalberaterin und Geschäftsführende Gesellschafterin bei Eblinger & Partner.

Grundsätzlich betrifft das Thema Zuspätkommen zu Meetings alle (Führungskräfte und Mitarbeiter/innen), deren Tagesablauf aus einer Aneinanderreihung von Meetings besteht. Es gibt Branchen und Unternehmen, in denen permanent alle brainstormen oder sich abstimmen – unabhängig von der Hierarchie.
Und bei vielen Führungskräften besteht ein normaler Arbeitstag fas ausschließlich aus Meetings und Telefonaten.


Bei Top-Manager/innen hört man als Mitarbeiter/in dann auch gar kein Sorry beim Zuspätkommen mehr, da wird das Meeting einfach später gestartet oder fällt einfach aus. Top-Manager/innen gehen davon aus, dass ihre Mitarbeiter/innen verstehen, dass sie nicht in der Nase gebohrt haben, sondern aus Unternehmenssicht etwas gearbeitet haben, was wichtiger war als das Meeting.

Wenn der Chef, die Chefin zu spät zum Termin erscheint...

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Wirkt das Zuspätkommen für die Mitarbeiter/innen bzw. Kollegen/innen in dem Moment unhöflich, nicht wertschätzend oder gar als Zeitvergeudung, entspringt es oft leider einfach nur der Tatsache, dass ein vorangegangenes Meeting - aus Gründen wie …

  • das Thema uferte aus oder
  • wir waren uns nicht einig, haben lange diskutiert

- länger gedauert hat.

Wenn ein Meeting länger als vereinbart dauert, gibt es zwei Möglichkeiten

  1. Das Meeting ohne Ergebnis beenden und zum nächsten Meeting gehen
  2. Das Meeting überziehen und zu spät zum nächsten Meeting kommen.

Ersteres ist ineffizient und unhöflich für die Meeting-Teilnehmer. Zweiteres ist nur unhöflich für die Teilnehmer des Folge-Meetings. Deshalb entscheiden sich viele für zweiteres.

Wer wo zu spät kommen „darf“ und ob bzw. wie man sich entschuldigt, ist Unternehmenskultur.

In einem Dienstleistungsunternehmen wie Eblinger & Partner Personalberatung ist der Kunde die höchste Instanz. Für einen Kundentermin „darf“ man dem Team-Meeting fern bleiben oder zu spät kommen.

Viele Unternehmen regeln die Art des Zu-spät-Kommens oder Früher-Gehens – wissend, dass es unmöglich ist, von allen Pünktlichkeit einzufordern.
Da muss eines von beiden vorher angekündigt werden, wenn es zu Kollisionen kommen könnte. Oder der Zuspätkommende setzt sich kommentarlos, ohne Unterbrechung ins Meeting und stört, die anderen, die bereits angefangen haben, wenigstens nicht. Man geht davon aus, dass es ihm/ihr leid tut und dass es gute Gründe hatte.

Bei internationalen, nach Matrix strukturierten Unternehmen, können sich regionale Meeting-Einladungen mit denen aus dem Headquater überschneiden. Zwei Vorgesetzte, der/die aus dem Land und der/die in der Matrix laden zu einem Treffen ein. Welche ist dann wichtiger?

Sehr ordentliche Mitarbeiter/innen könnten nun argumentieren, dass sich Führungskräfte ihre Meetings doch besser einteilen sollten, mit Zeitpuffern dazwischen, um überall pünktlich erscheinen zu können. Das funktioniert leider nicht, da die Termine ja mit anderen Menschen vereinbart sind, die eventuell nicht zu der Zeit können, die für den anderen super passend wäre.

Auch in den Wartezimmern von Ärzten fragt man sich manchmal, wer die Termine vergeben hat und ob das nicht mit weniger Wartezeiten für die Patienten gegangen wäre. Da aber weder Arzt noch Sprechstundenhilfe wissen, wie lange die Behandlung von jedem einzelnen Patienten dauern wird, wird der Durchschnittswert angenommen und bei jeder Abweichung muss wer warten. Und ganz klar ist, der/die Arzt/ Ärztin wartet nicht, das wäre für den Ablauf der Ordination ineffizient. Es richten sich alle nach Arzt/ Ärztin.

»Führungskräfte entscheiden, wen sie warten lassen«

Ähnliches gilt für Führungskräfte. Sie stehen in der Hierarchie höher, haben (hoffentlich) mehr Überblick, was im Moment wichtiger oder dringender ist und entscheiden, wen sie warten lassen. Viele Führungskräfte werden dann von ihren Chefs/Chefinnen warten gelassen oder von Kunden. Ganz wenige Top-Manager an der obersten Spitze werden nie von irgendwem warten gelassen, alles richtet sich nach ihnen. Die haben jedoch einen üblichen Tagesablauf bzw. eine Verantwortung zu tragen, der/die mit einem „normalen“ Aufgabengebiet nicht zu vergleichen ist.

Wer das Zuspätkommen einer Führungskraft als unhöflich sieht oder persönlich nimmt, dem empfehle ich ein kurzes Gespräch – ohne Vorwürfe - mit Peers auf der gleichen Ebene oder mit der Führungskraft, damit mehr Informationen zu dem Thema ausgetauscht werden können. Eine dynamische Business-Welt ohne Zuspätkommen gibt es nicht. Und wenn Unklarheit herrscht, ob Zuspätkommen unhöflich oder aufgrund von Vielbeschäftigung stattfindet, bitte nachfragen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. News.at macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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