Mosambiks Arme
erleben moderne Sklaverei

Jährlich werden 1.000 Frauen verschleppt

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Der Nachbar bot an, Patricia nach Hause zu fahren. Aber statt heim nach Matola, einem ärmlichen Vorort der Hauptstadt Maputo, brachte er die damals 16-Jährige in einen Raum und vergewaltigte sie. "Seine Frau kam dazu und filmte es", erzählt die heute 18-jährige Mosambikanerin, die in Wahrheit anders heißt.

Sie zeigte ihn an, aber der Nachbar bestach die Polizei, und so passierte nichts. "So brechen sie die Frauen", erklärt Katherine Magill von der christlichen Organisation Project Purpose, die Mädchen hilft, der Prostitution zu entkommen. "Sie sorgen dafür, dass sie sich wie Dreck fühlen, so dass sie mit ihnen machen können, was sie wollen." Der Mann sei ein Menschenhändler und habe das Video als Kinderporno verkaufen wollen, vermutet Magill.

Und auch mit Patricia hatte er mehr vor: Er bot ihr Geld, damit sie ins Nachbarland Südafrika geht, angeblich, um zu studieren. Patricia, die als Waise für zwei Brüder sorgen muss, lehnte ab. "Ich weiß nicht, wo ich heute wäre", sagt sie, hätte sie Magill nicht zufällig auf der Straße angesprochen. Project Purpose gab ihr einen Platz in der Schule, Essen - eine Perspektive also, die viele Frauen und Kinder in Mosambik nicht haben.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt, dass Menschenhändler jährlich 1.000 Frauen und Kinder aus Mosambik ins wohlhabendere Südafrika verschleppen. Frauen und Mädchen werden verkauft, um in Bars, Clubs und Grenz-Stopps anzuschaffen. Oder Minenarbeiter und andere Südafrikaner nehmen sie als "Ehefrauen" und beuten sie für Sex und als Haushaltskraft aus.

Für die IOM ist das moderne Sklaverei. Das Ausmaß sei schwer zu beziffern, da das Verbrechen im Verborgenen ablaufe, sagt die IOM-Vertreterin in Maputo, Ruth Krcmar. Mosambikanische Staatsbürger werden auch nach Simbabwe, Swasiland, Angola sowie nach Europa verkauft, oder in Mosambik vom Land in die Städte verschleppt.

Der Markt für Menschen entsteht dadurch, dass es viele Arme gibt, die leicht auszubeuten sind. Ein weiterer Grund ist die hohe Nachfrage nach billigen Arbeitskräften. Laut der Weltbank gilt mehr als die Hälfte der 26 Millionen Einwohner Mosambiks als arm. Nach Angaben von Südafrikas Strafverfolgungsbehörde NPA sind kriminelle Netzwerke genau wie Privatleute in den Handel verstrickt. Manchmal sind es sogar Eltern, die ihre Kinder an Fremde weggeben, weil diese ihnen ein besseres Leben versprechen. Die Zahlung werde oft getarnt als Lobola, das in einigen Ländern Afrikas traditionelle Brautgeld, sagen Sozialarbeiter.

Die Opfer werden mit offiziellen Papieren nach Südafrika gebracht oder es fließt Schmiergeld an der Grenze. Junge Mosambikanerinnen, orientierungslos und des Englischen kaum mächtig, bleiben in der Hand von Zuhältern. "Möglich, dass ihnen Alkohol und Drogen gegeben werden, um sie abhängig zu machen und leichter kontrollieren zu können", sagt die IOM-Vertreterin im südafrikanischen Pretoria, Marija Nikolovska. Häufig werde den Frauen auch damit gedroht, ihren Familien daheim etwas anzutun.

Einige wenige Opfer schaffen es, bei Helfern Schutz zu finden. Von einer jungen Mosambikanerin in ihrer Obhut erzählt in Pretoria die Sozialarbeiterin Mary Mmushi: "Sie arbeitete für ein mosambikanisches Paar, von fünf Uhr früh bis spät in die Nacht, ohne Gehalt. Sie floh nach zwei Jahren, als sie 18 Jahre alt war und blieb ein Jahr bei uns, bis ihre Botschaft ihre Heimkehr organisierte."

2008 setzte Mosambik ein neues Gesetz gegen Menschenhandel auf. Das Land arbeitet mit der IOM auch an einem Hilfssystem für die Opfer. Trotzdem wurden 2015 gerade einmal elf Menschenhändler verurteilt, wie aus einem Bericht des US-Außenministeriums hervorgeht. Südafrika setzte erst im vergangenen Jahr ein umfassendes Gesetz gegen Menschenhandel auf. Mosambik und Südafrika kooperieren auch bei der Ermittlung von den Familien der Betroffenen. Oft klappe das aber nicht, sagt IOM-Vertreterin Nikolovska. Andere Familien sagten, sie seien zu arm, um ihr Kind zurückzunehmen. Einige Prostituierte schämten sich zu sehr um heimzukehren.

Auch Burschen und Männer werden ins Ausland verschleppt. Sie arbeiten auf Farmen, als Straßenverkäufer, Haushaltshilfen, Bettler oder Strichjungen für wenig oder gar kein Geld. Bringen sie keine Gewinne mehr ein, werden sie den Behörden als illegale Einwanderer zur Abschiebung übergeben. Werden Prostituierte älter oder die Männer ihrer Zwangsbräute überdrüssig, werden sie einfach fallengelassen, sagt Sozialarbeiterin Mmushi. "Sie sterben auf der Straße."

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