Variationen von Tod und Jenseits

Andrea Breth inszenierte die letzte große Festwochen-Premiere

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Theater an der Wien - Variationen von Tod und Jenseits

Blaubarts übergriffige Frau Judith (beachtenswert: Nora Gubisch) dringt hier vorzeitig und fast gewaltsam in die im Dunkeln liegenden Seelenzustände ihres Mannes ein (stimmgewaltig: Gabor Bretz), der nur eins will: Vorbehaltlos geliebt zu werden ohne seine Vergangenheit preisgeben zu müssen. Aus dem Opfer wird auch eine Täterin und aus dem Täter ein Opfer. Das Projekt ist zum Scheitern verurteilt: Am Ende bleibt Blaubart, wie schon zuvor, unerlöst zur ewigen Finsternis verdammt in seiner kalten Burg zurück und legt sich zu den sechs anderen Männern, die die stummen Räume seiner Seele symbolisieren.

Martin Zehetgruber hat die Kammern des Grauens auf der Drehbühne angesiedelt. Das Gustav Mahler Jugendorchester unter Kent Nagano entfaltet klangliche Pracht und Visionen des Schreckens.

Schumanns letztes Werk

Der zweite Teil des Abends beginnt mit einer avantgardistisch-anarchistisch-absurdeen Toncollage aus verschiedenen Stimmen. Ein in einer Art Altersheim (oder ist es schon das Jenseits?) angesiedeltes, skurriles Ensemble aus Laiendarstellern und Schauspielern (stark: Hans Steunzer, der schon im Vorjahr in Georg Friedrich Haas’ und Klaus Händls „Bluthaus“ beeindruckte) unterbrechen die monotone Stille mit authentischen Fragmenten und Zitaten. Erlösung kommt in Gestalt von „Blaubart“ Gabor Bretz, der die achte Tür öffnet. Dahinter sitzt, vom Publikum nur erahnt, Elisabeth Leonskaja, und spielt Schumanns letztes, vor seiner Einweisung in die Nervenheilanstalt komponiertes Werk, die „Geistervariationen“ (während der Komposition unternahm Schumann einen Selbstmordversuch, das Werk wäre ihm von Schubert und Mendelssohn zugeraunt worden). Dieses wundersam einfache und dabei kunstvollendete Werk birgt in ihrer subtilen und dabei klaren Interpretation Einblicke in eine andere Welt.

Sie wolle nicht alles enträtseln und entschlüsseln, sagte Andrea Breth im Vorfeld zur gestrigen letzten großen Festwochen-Premiere. Dass ihr Konzept vielleicht nicht immer zur Gänze aufgeht, ist nicht unbedingt ein Nachteil. Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein, lässt sie Alfred Einstein auf der Bühne zitieren. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

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