Gestatten, Doris Schmidauer,
die neue First Lady

von Alexander van der Bellen und Doris Schmidauer © Bild: www.sebastianreich.com

Sie ließen sich zu diesem ersten gemeinsamen Interview lange bitten. Verstehen Sie das Interesse der Öffentlichkeit an Ihrem Leben so gar nicht?
Alexander Van der Bellen: Ein gewisses Interesse der Öffentlichkeit ist legitim. Ich lege aber schon großen Wert auf den Rest an Privatsphäre, den wir noch haben können. Und in der Bundesverfassung steht nichts von einer "First Lady“. Andererseits gibt es nichts zu verstecken: Ich habe eine moderne, selbstbewusste Frau an meiner Seite. Also, wir sind bereit, ein bisserl Auskunft zu geben über unser gemeinsames Leben.
Doris Schmidauer: Für mich ist das natürlich eine Umstellung, ich hatte bisher nie eine öffentliche Rolle. Ich versuche, mich schrittweise an die neuen Herausforderungen anzunähern.

Waren Interviews und Fotos wie diese ein Argument gegen eine Kandidatur?
Van der Bellen: Schon. Du warst ursprünglich, vor eineinhalb Jahren, ja dagegen.
Schmidauer: Ja, aber in Anbetracht der politischen Entwicklung im Land dachte ich dann, es ist richtig, ein Zeichen zu setzen. Ich hatte ja mitbekommen, wie viele Menschen dir gegenüber die Hoffnung äußerten, dass du antrittst.

Als Sie vergangenen Dezember heirateten, spekulierten Zeitungen wie "Presse“ oder "Kurier“, dass dies eine Vorleistung für den Wahlkampf wäre, weil die Österreicher einen verheirateten Bundespräsidenten bevorzugen würden.
Van der Bellen: Ich finde, wie an der Börse muss man manche Spekulationen zulassen.

Wie darf man sich einen Heiratsantrag von Alexander Van der Bellen vorstellen?
Van der Bellen: Vorstellen dürfen Sie sich schon was, aber sagen werde ich nichts dazu.

Okay, ich habe es versucht. Frau Schmidauer, sollte Ihr Mann gewinnen, wie würden Sie die Rolle der "First Lady“ denn anlegen, die Ihnen dann unweigerlich zugeschrieben werden wird, auch wenn Sie diese Bezeichnung ablehnen?
Schmidauer: Wenn es näher rückt, werde ich mich damit auseinandersetzen. Es gibt diesen Spruch: Ich überquere die Brücke, wenn ich am Fluss angekommen bin.
Van der Bellen: Manchmal muss man das Leben pragmatisch angehen und abwarten.
Schmidauer: Ich denke, da sind schöne Aufgaben dabei. Man darf Kulturveranstaltungen beiwohnen und interessante Leute kennenlernen.

Freuen Sie sich zum Beispiel auf den Opernball?
Schmidauer: Ich glaube, ich habe als ganz Junge in den späten Achtzigern einmal dagegen demonstriert. Aber da würde ich dich sicher nicht alleine hingehen lassen.
Van der Bellen: Es gibt Sachen, auf die man sich freut, und es gibt halt Sachen, die man auch machen muss.

Wen würden Sie gerne kennen lernen?
Schmidauer: Wenn Hillary Clinton Präsidentin wird, dann unbedingt!

Hillary und Bill Clinton lebten, als er US-Präsident war, ein politisches Modell, das es so in Österreich nicht gibt: zwei zum Preis von einem. Sehen Sie sich auch als Polit-Power-Couple?
Schmidauer: Nein, gewählt wird der Bundespräsident.
Van der Bellen: Meine Frau wird ihre autonome Laufbahn als Geschäftsführerin des grünen Parlamentsklubs weiter verfolgen. Du wärst in deinem Rollenverständnis neu in der österreichischen Präsidentengeschichte, oder? Also, dass hier eine Präsidentengattin selbstverständlich ihr eigenes Gehalt und ihre eigenen Pensionsansprüche erwirbt, das war bisher nicht so. Das sollte die neue Normalität im 21. Jahrhundert sein.
Schmidauer: Das ist mir wichtig. Ich bin 52 Jahre alt, hatte schon 25-jähriges Dienstjubiläum. Meine Eigenständigkeit ist mir wichtig.

Ist Ihre Frau Ihre wichtigste politische Beraterin?
Van der Bellen: Sie gehört sicher zu den wichtigsten. Manchmal ermahnt sie mich auch, so wie neulich, am Abend vor der "Pressestunde“, doch endlich die Unterlagen zu lesen und nicht die Zeitungen zu studieren.

Wo stehen Sie politisch?
Schmidauer: Ich komme aus der linksliberalen Richtung, aus der Friedensbewegung. Entwicklung- und Frauenpolitik waren meine Themen, als ich Politikwissenschaft studierte. Mein ökologisches Gewissen entdeckte ich mit der Hainburger Au. Im Laufe meiner langen Jahre bei den Grünen wurde mir der Klimaschutz immer wichtiger.

Ist Ihr Haushalt ökologisch vorbildlich?
Van der Bellen: Na ja, vielleicht brauchen wir da noch ein bisschen Nachhilfe.
Schmidauer: Was uns verbindet, ist das Thema Verteilungsgerechtigkeit. Ich bin liberal, also man muss nicht alles mit Gesetzen regulieren, aber in der Steuerpolitik bin ich dafür, Gerechtigkeit herzustellen. Da bin ich eine Kämpferin.

Streiten Sie oft über Politik?
Schmidauer: Wir diskutieren viel und sind nicht immer einer Meinung. Aber das ist ja nichts Besonders in einer Beziehung, dass man den Rat des Partners einholt. Aber ein konkreter Streit fällt mir jetzt nicht ein …
Van der Bellen: Neulich haben wir darüber debattiert, wie wir uns verhalten würden, wenn ein Politiker aus dem arabisch-iranischen Raum bei einem Staatsbesuch der Doris nicht die Hand geben würde. Da unterhielten wir uns über die Widrigkeiten protokollarisch-menschenrechtlicher Konflikte.

Und abseits der Politik?
Schmidauer: Gute Frage.
Van der Bellen: Doris kocht gerne und gut, wünscht sich von mir aber öfter Menüvorschläge.
Schmidauer: Ja! Ich koche nicht nur für uns zwei, sondern bekoche gerne Gäste, Freunde und Familie. Wir schauen, also ich schaue immer, wie wir da gute Runden zusammenstellen. Gespräche zu Hause sind viel intensiver als in Lokalen.

Sind Sie ein geselliger Mensch oder pflegen Sie Ihr Netzwerk?
Schmidauer: Beides. Wenn ich jemand kennenlerne, denke ich mir oft, der sollte einen anderen Bekannten von mir kennenlernen, da gibt es gemeinsame Interessen. Und wir pflegen einen großen Freundeskreis und haben gerne die Familie da.

Sie stellt man sich privat ja eher nicht als so gesellig vor, Herr Professor.
Van der Bellen: Ja, für mich war das neu. Der Schmidauer-Clan ist ziemlich groß und hat eine Seele, die ihn zusammenhält - das ist die Doris. Für mich eine unüberschaubare Menge an Cousinen und Cousins …
Schmidauer: Deine Nichten gehören auch schon dazu. Schön langsam fusionieren die beiden Clans.

Privat stehen Sie im Mittelpunkt, in der Öffentlichkeit Ihr Mann. Neiden Sie ihm manchmal das Scheinwerferlicht?
Schmidauer: Hm …
Van der Bellen: Während du nachdenkst …
Schmidauer: Jetzt muss ich länger nachdenken. Habe ich das schon von dir übernommen?
Van der Bellen: Also, während du eine Nachdenkpause machst, möchte ich sagen: Ich empfinde es als Vorteil, dass Doris im politischen Bereich arbeitet. Daher versteht sie meinen Arbeitsalltag und vice versa. Bei uns kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Es gibt in jeder US-Krimiserie die Szene: Der Polizist hat Tickets für ein Baseballspiel. Ein Mord kommt dazwischen. Die Frau oder das Kind des Polizisten leiden unter dem Job. Wir wissen beide, dass in unserem Geschäft Zeitplanung etwas Relatives ist.
Schmidauer: Genau, wir sind dann nicht sauer. - So, jetzt habe ich eine Antwort auf die Frage von vorhin: Es hätte die Möglichkeit gegeben, aber ich wollte nie in die Politik, also in eine Sprecherinnenrolle. Ich glaube, ich bin sehr gerne in der zweiten Reihe. Die Arbeit nach innen im Parlamentsklub, die Managementaufgabe, die Führungsfunktion, das ist mir aber sehr wichtig. Ich finde die Arbeit mit der Organisation spannend, und nur eine gute interne Aufstellung ermöglicht eine gute politische Arbeit.

Klingt nach einem entspannten Verhältnis zu Macht.
Schmidauer: Ja, ich bin gerne in einer Führungsposition, weil ich gerne gestalte.

Herr Van der Bellen, Sie reden ja nicht so gerne über Macht.
Van der Bellen: Ich erinnere mich an ein Interview, als ich noch Bundessprecher war, wo Sie mich ewig gefragt und dann aus mir herausgelockt haben: "Wir streben die Macht eh an.“ Das habe ich mir echt abgerungen damals.

Und heute?
Van der Bellen: Ich finde, die Rolle des Bundespräsidenten ist auf mich zugeschnitten. Daher strebe ich diese Macht an, ja, denn es ist Macht im Sinne von moderierend, ausgleichend. Und der Bundeskanzler und die Minister sind ja in der Praxis mächtiger als der Bundespräsident. Doris’ Umgang mit der Macht ist so schön ungezwungen, da kann ich mir was abschauen.

Als er Bundessprecher war, war er Ihr Vorgesetzter. Wie ist der Chef Van der Bellen?
Van der Bellen: Das musst du beantworten. War ich überhaupt dein Chef? Oder war’s umgekehrt?
Schmidauer: Eine Eigenschaft, die ich immer an dir bewundert habe: zuhören können, sich Zeit nehmen für die Mitarbeiter, Feedback geben. Er war ein wertschätzender, aufmerksamer Chef - bis auf kleine Wutanfälle hin und wieder. Aber die galten nicht den Mitarbeitern.
Van der Bellen: Sondern den Abgeordneten.

Herr Van der Bellen, sie haben mit 19 Jahren schon einmal geheiratet, als Ihr erster Sohn unterwegs war. Was unterscheidet eine Teenagerliebe von einer reifen, erwachsenen?
Van der Bellen: Vor dem Gesetz galt ich als erwachsen, aber rückblickend würde ich solche "Kinderehen“ nicht empfehlen. Meine erste Frau und ich haben viele schöne Jahre miteinander verbracht und sind einander noch heute in freundschaftlicher Zuneigung verbunden. Aber als junger Vater war ich sehr unerfahren und teilweise überfordert. Ich habe mir eingebildet, mein Sohn ist so wie ich, und habe ihn so behandelt, wie ich gerne von meinen Eltern behandelt worden wäre. Und dann stellt man fest: Er ist ein eigenständiges Wesen und braucht das, was für ihn passt. Aber ich habe das mit meinem älteren Sohn, dem Nicolai, schon oft besprochen, was wir hätten vermeiden können, wenn der Altersunterschied zwischen uns beiden ein bisserl größer gewesen wäre.

Haben Sie außer der Politik gemeinsame Interessen?
Schmidauer: Wir wandern gern.
Van der Bellen: Ich habe seit 30 Jahren in Kaunerberg in Tirol bei einem Bauern eine Zweizimmerwohnung gemietet. Dorthin ziehen wir uns gerne zurück, mit unseren Hunden Chico und Kita. Über die beiden bist du zur Hundefreundin geworden.
Schmidauer: Stimmt, früher hatte ich mit Hunden nichts am Hut. Aber heute mit den Hunden am Kaunerberg zu wandern, das genießen wir immer sehr.
Van der Bellen: Auf 1400 Meter Seehöhe kann im Sommer das Wetter recht schiach sein. Dann lesen wir.

Der Bundespräsident wird gerne parodiert. Sollten Stermann und Grissemann Sie aufs Korn nehmen, wer soll wen spielen?
Van der Bellen: Muss man da was beitragen?
Schmidauer: Nein, wenn du’s dir aussuchen könntest.
Van der Bellen: Die begnadeten Satiriker, die Mascheks, haben mein Antrittsvideo persifliert. Sehr, sehr langsam. Großartig.
Schmidauer: Das ist auch wieder so eine Sache. Daran müsste ich mich auch erst gewöhnen.
Van der Bellen: Ach, das schaffen wir schon.

Zur Person:
Alexander Van der Bellen
Er wurde 1944 in Wien geboren und wuchs im Tiroler Kaunertal auf. Seine Eltern waren vor den Sowjets nach Österreich geflohen. Er war Professor für Volkswirtschaft, ehe er 1994 in die Politik ging. Von 1997 bis 2008 war er Parteichef der Grünen.
Doris Schmidauer
Die 1963 in Grieskirchen geborene Oberösterreichin studierte in Wien Politikwissenschaft. Seit 1990 arbeitet sie für die Grünen. Heute ist sie Geschäftsführerin des Parlamentsklubs. Seit Dezember 2015 ist sie mit Van der Bellen verheiratet.