Warum auch Österreich
zu Klimasündern zählt

In Zeiten von Corona rückt der Klimaschutz in Österreich in den Hintergrund. Das war aber auch schon vor der Corona-Krise selten anders. Kann die Regierungsbeteiligung der Grünen noch etwas daran ändern? Klimaexperte Adam Pawloff von Greenpeace erklärt im Interview, warum auch Österreich zu den Klimasündern zählt und was sich dringend ändern sollte.

von Umweltpolitik - Warum auch Österreich
zu Klimasündern zählt © Bild: iStockPhoto.com
Adam Pawloff wurde in Großbritannien geboren und lebt seit 2004 in Wien. Er hat an der Universität Politikwissenschaft studiert und ist Experte für österreichische und internationale Umweltpolitik. Seit 2015 ist Pawloff als Climate und Energy Campaigner bei Greenpeace Österreich tätig.

Der Klimaschutz-Index CCPI hat Österreich zuletzt ein schlechtes Zeugnis beschert. Ist dieses schlechte Abschneiden gerechtfertigt?
Aus meiner Sicht ist es das auf jeden Fall. Was hier bewertet wird, ist die Klimapolitik Österreichs der letzten 30 Jahre. Hier muss man schlicht und ergreifend sagen, dass sich auf allen Ebenen viel zu wenig getan hat. Die konkreten Indikatoren zeigen das auch eindeutig: Was die Entwicklung klimaschädlicher Emissionen anbelangt, verzeichnet die EU seit 1990 insgesamt betrachtet einen Rückgang von durchschnittlich mehr als 20 Prozent. In Österreich hingegen sind sie gegenläufig um 5 Prozent gestiegen. Da sieht man ganz konkret eine nicht vorhandene Klimapolitik.

»Die Bezeichnung „Klimasünder“ ist für Österreich durchaus gerechtfertigt«

Wäre es übertrieben zu behaupten, dass Österreich ein Klimasünder ist?
Die Bezeichnung „Klimasünder“ ist für Österreich durchaus gerechtfertigt. Ich muss allerdings ergänzen, dass dieser Begriff für die meisten anderen Länder der Welt auch anwendbar wäre. Es ist im Fall von Österreich nur verblüffend, dass das Land bei doch relativ guten Voraussetzungen vergleichsweise ziemlich schlecht dasteht.

Österreich befindet sich laut diesem Index weit abgeschlagen hinter Ländern wie China und Indien. Wenn man sich plakativ die Smog-Belastung der Hauptstädte in China vor Augen führt, die es in Österreich nicht gibt – wie passt das zusammen?
Natürlich ist die absolute Menge an Emissionen in China deutlich höher als in Österreich. Dennoch darf man relativ gesehen nicht vergessen, dass ein einzelner Österreicher mindestens doppelt so stark emittiert wie ein Chinese.

Wenn man sich die Entwicklung Chinas in den letzten Jahren ansieht, was im Bereich der erneuerbaren Energie investiert wird, dann ist das Land mittlerweile absoluter Weltmeister. Nicht nur von der installierten Menge, sondern auch von der holistischen Herangehensweise betrachtet, dass China entsprechende Industriezweige vor Ort aus dem Boden stampft. Dieser Innovationswille, der sich auch in den Mobilitätsbestrebungen widerspiegelt, ist sicherlich zu einem großen Teil für Chinas Ranking verantwortlich.

Ich muss aber auch dazu sagen, dass man China nicht mit einem demokratischen System – wo man die Menschen mitnimmt – wie Österreich vergleichen kann, wenn gleich wir trotzdem einiges in Sachen Klimapolitik lernen können.

Lässt sich „der Schuldige“ in Österreich ausmachen?
Menschen handeln im Großen und Ganzen nach den Rahmenbedingungen, die sie vorfinden. Wenn Sie am Beispiel Mobilität betrachtet eine Situation vorfinden, wo in vielen Teilen Österreichs keine brauchbare öffentliche Anbindung gegeben ist, und der Spritpreis im Vergleich zu anderen Ländern extrem günstig ist, wird die Entwicklung weiterhin schlecht verlaufen. Das sind Dinge, die man politisch in der Hand hätte und das hat man bis jetzt verschlafen.

Trägt dazu nicht auch ein verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit bei? Der durchschnittliche Österreicher macht nicht unbedingt den Eindruck, als wurde er Handlungsbedarf in der Klimapolitik sehen.
Dieses verzerrte Bild existiert und es wurde auch immer wieder in den Mittelpunkt gerückt. Österreich hat in der Vergangenheit umweltpolitisch ein paar großartige Dinge geleistet, um mit Zwentendorf, Hainburg und der Absage an die Gentechnik nur ein paar historische Beispiele zu nennen. Da ist sehr viel passiert, aber das liegt eben alles in der Vergangenheit.

Das Image des „Umweltvorreiters“ aus den 1990er Jahren ist in der Bevölkerung noch vorhanden, es ist aber ein verblasster Ruf, auf dem sich das Land die letzten 30 Jahre ausgeruht hat.

Mit einer Regierungsbeteiligung der Grünen möchte man meinen, dass sich hinsichtlich Klimaschutz etwas geändert haben könnte. Ist dem auch so?
Zur bisherigen Bilanz der Grünen in dieser Regierung würde ich auf zwei Ebenen differenzieren. Im Vergleich zur bisherigen Klimapolitik sehe ich eine sehr deutliche Verbesserung. Im Vergleich zu dem, was es tatsächlich bräuchte, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen, ist man noch weit entfernt. So gesehen würde ich dieser Regierung bislang kein derartig schlechtes Zeugnis ausstellen, wie es in der Vergangenheit angebracht gewesen wäre, aber von einem guten Zeugnis kann auch nicht die Rede sein.

»Bis zu dieser Regierung war die Klimapolitik in der direkten Verantwortung der ÖVP und hier ist massiv gebremst worden«

Lässt sich im Umkehrschluss auch die Schlussfolgerung ziehen, dass Klimaschutz mit Beteiligung der Volkspartei schwierig umzusetzen ist?
Das muss man ganz klar konstatieren. Bis zu dieser Regierung war die Klimapolitik 30 Jahre lang in der direkten Verantwortung der ÖVP und hier ist massiv gebremst worden. Man sollte aber ergänzen, dass die Sozialdemokratie und ihre Vorfeldorganisationen in den letzten Jahren zwar deutlich progressiver mit der Thematik umgehen, sie aber Klimaschutz davor auch nicht unbedingt auf dem Schirm hatten und tendenziell zu den Bremsern zu zählen waren.

Was müsste in Österreich passieren, um sich im Index dramatisch nach vorne katapultieren zu können? Was könnte sich Österreich vom Spitzenreiter Schweden abschauen?
Ein Bereich, wo Schweden wirklich ein absoluter Vorreiter ist, und etwas, das Greenpeace auch immer fordert, ist das Thema der CO2-Bepreisung. Schweden hat bereits vor 25 Jahren einen CO2-Preis eingeführt, das ist einer der ganz wesentlichen Faktoren, um den Klimaschutz voranzubringen. Dieser CO2-Preis muss natürlich sozial verträglich gestaltet sein. Es kann natürlich nicht sein, dass dann vor allem Geringverdiener mehr Kosten hätten. Aber wirklich exzessive CO2-Emissionen müssen teurer werden.

Das große Sorgenkind in der Klimapolitik Österreichs bleibt die Mobilität, da sind die Emissionen in den letzten 30 Jahren um 70 Prozent gestiegen. Demnach müsste es einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel geben. Dazu zählt auch ein einheitliches Buchungssystem. Es geht dabei nicht um die Abschaffung des Autos, sondern einfach um die wesentliche intelligentere Nutzung, nämlich nur dort, wo es einfach keine Alternative dazu gibt.
Ein wesentlicher Punkt wäre auch die thermische Sanierung von Gebäuden um weniger Energie zu verbrauchen. Österreich könnte mit einer Sanierung des Gebäudebestands 75 Prozent der gesamten Heizkosten einsparen. Dazu zählt auch der mittelfristige Tausch von Öl- und Gasheizungen, der schon im Regierungsprogramm festgeschrieben ist.

»Politikern fällt es eben deutlich leichter, Ziele für einen Zeitraum zu setzen, in dem sie ziemlich fix nicht mehr im Amt sind«

Festgeschrieben ist im Regierungsprogramm auch die Klimaneutralität Österreichs bis 2040. Ist das nicht ein wenig zu ambitioniert?
Es ist ambitioniert, keine Frage, aber es ist auch das, was es braucht, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen und die Temperaturveränderung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken.

Man muss aber auch dazusagen, dass die Regierung dieses Ziel für 2040 gesetzt hat. Politikern fällt es eben deutlich leichter, Ziele für einen Zeitraum zu setzen, in dem sie ziemlich fix nicht mehr im Amt sind. Wofür die Regierung kein Ziel gesetzt hat, ist für 2030. Was passiert bis 2025? Darüber redet man dann weniger gerne, das bräuchte es aber, um zu sehen, ob man sich auf Zielkurs befindet oder nicht.

Glauben Sie, dass die Corona-Krise ein Umdenken in der Klimapolitik bewirken kann oder überhaupt schon bewirkt hat?
Das hat es auf jeden Fall schon. Da gibt es mindestens zwei Ebenen, die ich persönlich sehr spannend finde. Sowohl bei Dienstreisen als auch beim Thema Homeoffice haben wir mehr oder weniger alle schlagartig unser Mobilitätsverhalten geändert. Man hat gesehen, dass auch die veränderte Verhaltensweise gut funktionieren kann. An den gesenkten Prognosen der Ölfirmen lässt sich beispielsweise schon erkennen, dass die Krise nachhaltige Veränderungen nach sich ziehen wird.

Auf der anderen Seite haben wir alle gezeigt – sowohl politisch als auch gesellschaftlich – dass wir sehr wohl in der Lage sind, auf Krisen zu reagieren. Und zwar sehr schnell mit massiven Veränderungen. Das ist eine Reaktion, die die Klimakrise auch erfordern würde.

Glauben Sie, dass der Klimaschutz seinen Weg ins Grundrecht finden sollte?
Wir haben derzeit eine Klimaklage beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, die in Wahrheit genau das festzustellen versucht. Die Klimakrise verletzt gewisse Grund- und Menschenrechte und deshalb muss der Verfassungsgerichtshof handeln, um die Politik dazu zu bringen, einzelne Gesetze dementsprechend zu verändern. Der Klimaschutz sollte definitiv in den Grundrechten verankert sein.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. News.at macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.