Umstrittenes Jury-Urteil: Mangelnde Glaubwürdigkeit brachte Jackson Freiheit

Geschworene folgten Argumenten der Verteidigung Schuldlosigkeit des Popstars dennoch angezweifelt

Am Ende war es eine Frage der Glaubwürdigkeit. Und da spielten die Kläger der Verteidigung geradezu in die Hände. Die zwölf Geschworenen im Missbrauchprozess gegen Popstar Michael Jackson fanden die Mutter des mutmaßlichen Opfers so unglaubwürdig, dass sich für sie ein Freispruch geradezu aufdrängte.

Ob der 46-Jährige damit generell schuldlos ist, steht auf einem anderen Blatt, wie zumindest eines der Jury-Mitglieder hervorhob. Im konkreten Fall aber sei ihm kein Vergehen nachzuweisen, meinte der Geschworene Nummer eins, Raymond Hultman.

Die Verteidigung hatte ihre Argumente gezielt auf die fragwürdige Glaubwürdigkeit der Hauptzeugin der Anklage zugespitzt. Sie habe ihre Kinder zur Lüge angehalten, um an Jacksons Geld heranzukommen. Sie habe dessen harmlose Liebe zu Kindern ausgenutzt, um sich bei ihm einzuschleichen und Spenden für ihren damals krebskranken 13-jährigen Sohn einzutreiben. Und dann habe die überführte Sozialhilfebetrügerin den Missbrauchprozess angestrengt, um gleich noch Riesensummen aus dem Popstar herauszupressen.

In der Tat schossen sich die Geschworenen ganz auf diese Frau ein. Welche normale Mutter würde ihre Kinder denn wissentlich mit einem erwachsenen Mann in einem Bett schlafen lassen, empörte sich die Geschworene Nummer zehn, eine 45-jährige Mutter dreier Kinder. Andere pflichteten ihr bei und machten keinen Hehl daraus, wie unsympathisch die Mutter des angeblichen Opfers auf sie gewirkt habe.

Insbesondere der Geschworene Paul Rodriguez, wie die Hauptzeugin lateinamerikanischer Abstammung, machte seinem Unmut Luft. Die Frau habe ihn geradezu herausfordernd angesehen und dabei mehrfach mit den Fingern geschnalzt und ihm auch zugezwinkert. "Es war, als wollte sie mir sagen: 'Du kennst doch unsere Kultur.' Und da habe ich mir gesagt: 'Nein, so funktioniert unsere Kultur ganz bestimmt nicht!'" Es habe ihn schlicht geärgert, dass sie versucht habe, ihm gegenüber mit derselben Volksgruppenzugehörigkeit zu kokettieren.

Solches Verhalten der Frau hat die Geschworenen zu ihrem einvernehmlichen Urteil gebracht. Laut Hultman konnten drei der zwölf Geschworenen aber erst in letzter Minute überzeugt werden. Auch er habe schließlich für den Freispruch gestimmt - aber nur in diesem konkreten Fall. "Das heißt für mich nicht, das Jackson generell ein unschuldiger Mann ist", betonte der Geschworene Nummer eins. Er sei sicher, dass der Popstar mindestens zwei Buben sexuell belästigt habe - aber eben nicht den heute 15-Jährigen, um den es bei dem Prozess in Santa Maria gegangen sei.

Rodriguez äußerte die Hoffnung, dass Jackson aus diesem Prozess Lehren ziehen möge. "Wir hoffen vor allem, dass er nicht mehr mit Kindern in einem Bett schläft", betonte der Geschworene. "Er wird künftig in seinem Verhalten gegenüber Kindern generell sehr, sehr vorsichtig sein müssen."

Trickbetrüger oder Missbrauchopfer?
Im Jahr 2000 ging für einen zehnjährigen Krebspatienten aus einem zerrütteten, ärmlichen Elternhaus in Los Angeles der größte Wunsch in Erfüllung, als er Michael Jackson kennen lernte. Die hispanischen Familie - ein jüngerer Bruder, eine ältere Schwester und die geschiedene Mutter - wurden schnell Stammgäste auf Jacksons Neverland Ranch.

"Michael ist wie ein Vater, den mein Bub nie hatte", schwärmte die 36-jährige Mutter. Sie hatte sich nach Vorwürfen von häuslicher Gewalt von dem angeblich rabiaten Vater ihrer Kinder getrennt. Auch der Bursch, der nur noch eine Niere hat, soll von seinem Vater geschlagen worden sein. Die von der Sozialhilfe lebende Frau ist seit Herbst 2004 wieder verheiratet.

Die Mutter, die Jackson jetzt als "Teufel" bezeichnete, wurde von der Verteidigung als Trickbetrügerin und geldgierige Lügnerin scharf attackiert. Im Zeugenstand musste sie kleinlaut frühere Falschaussagen unter Eid zugegeben. Prozessbeobachter wie auch die Jury sprachen ihr jedwede Glaubwürdigkeit ab. In einem früheren Rechtsstreit hatte sie von einer Kaufhauskette wegen angeblicher Körperverletzung durch einen Wachmann eine Entschädigung in Höhe von 150.000 Dollar (124.357 Euro) erstritten.

In teilweise drastischen Schilderungen beschrieb der heute 15 Jahre alte Teenager im Zeugenstand, wie der Sänger ihn unsittlich berührt, zur Masturbation aufgefordert und ihm häufig Alkohol zu trinken gegeben habe. Doch auch der Hauptzeuge wurde bei Lügen und widersprüchlichen Aussagen ertappt. Lehrer und Neverland-Mitarbeiter stellten ihn als wilden, streitlustigen Burschen dar, der gerne Unfug anstellt. In einer britischen TV-Dokumentation war der dunkelhaarige Bub Hand in Hand mit Jackson zu sehen, den er damals liebevoll als Daddy und als besten Freund bezeichnete.

Gerade wegen der Unglaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugen sprachen die zwölf Geschworenen Michael Jackson vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs frei. Aber die Frage, ob es sich bei dem Jugendlichen nun um einen Trickbetrüger oder ein Missbrauchopfer handelt, konnte der Prozess nicht beantworten. (apa/red)