Ukraine-Konflikt eskaliert

Offensive in Osten. Ukrainische Helis abgeschossen. 37 Tote bei Brand in Odessa.

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Krise - Ukraine-Konflikt eskaliert

In Odessa starben der Polizei zufolge einige Menschen, als sie aus dem brennenden Gebäude sprangen. Andere erlagen Rauchvergiftungen. Die Polizei sprach von krimineller Brandstiftung. Zuvor hatte es Zusammenstöße zwischen pro-russischen und Kiew-treuen Demonstranten gegeben, bei denen vier Menschen starben. Das überwiegend von russisch sprechenden Menschen bewohnte Odessa liegt unweit der Krim-Halbinsel, deren umstrittener Anschluss an Russland im März die Ukraine-Krise weiter eskalieren ließ.

Ukrainische Regierungstruppen hatten zuvor einen Angriff auf die prorussischen Milizen bei den Städten Slawjansk und Kramatorsk im Osten des Landes begonnen. Das bestätigte Innenminister Arsen Awakow am Freitag über das soziale Netzwerk Facebook. Bei den Angriffen habe es "mehrere Tote" in den Reihen der Separatisten gegeben. Das ukrainische Verteidigungsministerium hat zudem den Tod von zwei Hubschrauber-Piloten im Rahmen des Einsatzes bestätigt.

Zwei Hubschrauber abgeschossen

Zwei Kampfhubschrauber vom Typ Mi-24 seien abgestürzt und mehrere Besatzungsmitglieder verletzt worden, als Separatisten mit tragbaren Flugabwehrgeschützen gefeuert hätten. Zudem sei auf einen Transporthubschrauber vom Typ Mi-8 geschossen worden. Dabei habe es keine Verletzten gegeben, hieß es. Dies beweise, dass es sich bei den moskautreuen Kräften nicht um friedliche Demonstranten handle, sondern um gut ausgerüstete Terrorgruppen, betonte die Behörde. Die mutmaßlichen Schützen wurden inzwischen festgenommen, das Verteidigungsministerium veröffentlichte Fotos von vier gefesselten Männern in Zivilkleidung mit über den Kopf gestülpten Säcken.

Awakow forderte alle Bürger in dem Gebiet des "Anti-Terror-Einsatzes" auf, ihre Häuser nicht zu verlassen und von den Fenstern fernzubleiben.

Zuvor hatte die prorussische "Volksmiliz" von Schusswechseln mit Regierungseinheiten berichtet. Es gebe Verletzte und mindestens einen Toten auf Seite der Aktivisten, sagte der "Bürgermeister" von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, der russischen Staatsagentur Ria Nowosti. Er hält mit seinen Kämpfern in Slawjansk auch mehrere Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gefangen, darunter vier Deutsche. Wie er der "Bild"-Zeitung sagte, seien die OSZE-Beobachter an einen unbekannten Ort außerhalb der Kampfzone gebracht worden.

Etliche Tote bei Brand in Odessa

Beim Brand eines Gewerkschaftsgebäudes in der südukrainischen Hafenstadt Odessa sind am Freitag mindestens 37 Menschen ums Leben gekommen. Dies gab die Polizei in der Schwarzmeerstadt am Abend bekannt. Der Brand sei nach Auseinandersetzungen zwischen pro-russischen Separatisten und Anhängern der ukrainischen Landeseinheit ausgebrochen. Es handle sich um eine "kriminelle Brandstiftung".

"38 Menschen sind ums Leben gekommen. 30 starben an einer Rauchgasvergiftung, acht weitere nachdem sie auf der Flucht vor den Flammen aus dem Fenster gesprungen waren", hieß es. Die Millionenstadt liegt an einer strategisch wichtigen Position im Südwesten der Ukraine. Russische Truppen könnten von dort aus schnell in die von der Republik Moldau abtrünnige Region Transnistrien vorstoßen. Die östlich gelegene Halbinsel Krim hat sich Russland bereits einverleibt. Im äußersten Osten des Landes haben pro-russische Separatisten bereits mehrere Verwaltungsgebäude besetzt. Nächsten Sonntag wollen sie ein Unabhängigkeitsreferendum abhalten.

Freilassung der OSZE-Geiseln gefordert

Die ukrainische Führung forderte die Aktivisten zur Freilassung ihrer Geiseln auf. Die moskautreuen Milizen müssten zudem ihre Waffen niederlegen und besetzte Verwaltungsgebäude räumen, schrieb Awakow.

Wie Ria Nowosti meldete, kreisten am frühen Morgen mehrere Hubschrauber über der Stadt, die von gut ausgerüsteten Regierungstruppen umstellt sei. Die moskautreuen Separatisten hätten die mehr als 100.000 Einwohner mit Sirenen und Kirchenglocken vor dem Sturm gewarnt. Das Mobilfunknetz funktioniere, meldete die russische Staatsagentur Itar-Tass.

Auch mehrere Separatisten wurden getötet. Es gebe "mehrere Tote" auf ihrer Seite, sagte ein Sprecher der moskautreuen Kräfte am Freitag einem Reporter bei der Stadt Slawjansk. Genaue Zahlen nannte er nicht. Bisher hatte die "Volksmiliz" von einem Toten berichtet.

Der Aktivistensprecher bestätigte, dass Regierungstruppen den Bahnhof der Großstadt eingenommen hätten. Die Kämpfer hielten aber weiter mehrere Straßensperren bei Slawjansk besetzt. Die prorussischen Separatisten brachten laut einem Sprecher der Eisenbahn in Donezk das Zentrum der Bahn unter ihre Kontrolle. Der Zugverkehr sei faktisch zum Erliegen gekommen. Prorussische Separatisten räumen nach Angaben des Kiewer Innenministeriums in der Stadt Luhansk die besetzten Büros der Staatsanwaltschaft sowie ein Fernsehzentrum.

Erster Gegenschlag der Regierung

Es ist das erste Mal, dass die Regierung in Kiew mit einem Einsatz in diesem Umfang gegen die Separatisten im Osten der Ukraine vorgeht. In der Region haben Rebellen in zahlreichen Städten in den vergangenen Wochen nach und nach öffentliche Gebäude unter ihre Kontrolle gebracht. In der Millionenmetropole Donezk haben sie eine Volksrepublik ausgerufen und für den 11. Mai ein Referendum für eine Abspaltung angesetzt, ähnlich wie jenes, das vor der Eingliederung der Halbinsel Krim in die Russische Föderation abgehalten wurde.

Slawjansk wird seit Wochen von der "Volksmiliz" kontrolliert. Die prowestliche Führung in Kiew hatte in der russisch geprägten Region einen "Anti-Terror-Einsatz" gegen die Separatisten angeordnet, die in den Gebieten Donezk und Lugansk an der russischen Grenze in mehreren Städten staatliche Gebäude besetzt halten. Bisher hatte die Offensive aber keine Erfolge gebracht. Am frühen Freitagmorgen startete die ukrainische Armee nach Angaben von Awakow die "aktive Phase" eines Angriffs auf die Separatisten in Slawjansk und Kramatorsk.

Scharfe Kritik Putins

Der russische Präsident Wladimir Putin warf der ukrainischen Regierung vor, mit dem Einsatz gegen moskautreue Aktivisten die "letzte Hoffnung" auf die Umsetzung des Genfer Abkommens, das Mitte April zwischen Russland, der Ukraine, der EU und den USA geschlossen worden war, zu zerstören. Die Führung in Kiew habe in den Kampfmodus geschaltet und greife friedliche Siedlungen an, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Freitag nach Angaben russischer Agenturen. Er sprach von einer "Strafaktion" der Regierungstruppen.

Putin habe gewarnt, bei einer solchen Operation würde es sich um ein Verbrechen handeln. "Leider bestärkt die Entwicklung seine Einschätzung völlig", sagte Peskow. Putin habe am Vorabend den früheren Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin als Sonderbeauftragten in die Region geschickt. Seit Beginn der ukrainischen Offensive sei der Kontakt zu Lukin aber abgebrochen. Während sich Russland um eine Deeskalation und eine Entschärfung des Konflikts bemühe, setze die Übergangsregierung in Kiew Luftstreitkräfte gegen "friedliche Siedlungen" ein, sagte Peskow laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen.

Russischer Einmarsch befürchtet

Die Führung in Kiew befürchtet, dass Putin seine Truppen in die Ost-und Südukraine einmarschieren lassen könnte - unter dem Vorwand, russische Bürger oder Interessen dort zu schützen. Ein Mandat für diesen Fall hatte sich der Präsident bereits vom Parlament geben lassen. Allerdings hatte er betont, er hoffe, von dieser Vollmacht nicht Gebrauch machen zu müssen.

Die russische Regierung wandte sich wegen der Gefechte auch an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die OSZE solle Maßnahmen ergreifen, "um diesen Vergeltungsangriff zu beenden", sagte der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin der Nachrichtenagentur ITAR-TASS. Russland wandte sich seinen Angaben zufolge an OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier und den Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter, der derzeit Vorsitzender der OSZE ist.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Burkhalter forderten die bedingungslose Freilassung des OSZE-Teams, das seit einer Woche im Osten der Ukraine festgehalten wird. Dies verlautete nach einem Treffen der beiden am Freitag in Bern. In dem Gespräch ging es nach Teilnehmerangaben auch um Möglichkeiten, die Arbeit der OSZE-Mission in der Ukraine zu stärken. Details wurden zunächst keine bekannt.

Mit den gefangen genommenen OSZE-Militärbeobachtern gab es am Freitag einen Kontakt. Weitere Einzelheiten gab ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin nicht bekannt. Unter den sieben Mitgliedern des OSZE-Einsatzes sind vier Deutsche.

Wehrpflicht eingeführt

Wegen der unruhigen Lage im Osten hat die pro-westliche Regierung in Kiew die Wehrpflicht wieder eingeführt. Eigentlich war sie vor einem Jahr abgeschafft worden. Nun setzte sie Interimspräsident Alexander Turtschinow über den Erlass "Über Maßnahmen zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit des Landes" mit sofortiger Wirkung in Kraft, wie seine Verwaltung mitteilte. Demnach sind Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren wehrpflichtig. Ziel sei es, der "Gefahr für die territoriale Einheit und der Einmischung in innere Angelegenheiten der Ukraine" zu begegnen, hieß es.

In Donezk brachten am Donnerstag rund 300 pro-russische Aktivisten das Gebäude der Regionalstaatsanwaltschaft unter ihre Kontrolle. Dabei setzten sie nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine Steine und Brandsätze ein. Die Separatisten beschuldigten die Strafverfolger, für die Regierung in Kiew zu arbeiten.

Die Gegner der Übergangsregierung in Kiew haben die "Volksrepublik Donezk" ausgerufen und wollen am 11. Mai ein Referendum über die Abspaltung von der Ukraine abhalten. Kiew will indes am 25. Mai zusätzlich zur Präsidentenwahl eine Volksbefragung abhalten. Dabei solle es darum gehen, ob das Land als Einheit erhalten bleiben soll, sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk.

Kommentare

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Was da in der Ukraine abgeht, passiert alles mit der wohlwollenden Unterstützung des Friedensprojekts EU !!!!!

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Laut Hr. Putin kann man Waffen im Geschäft kaufen, so wie die russischen Separatisten gekauft haben. Wo ist dieses Geschäft? Weisst jeman die Antwort? :) Dank Stalin ist der Hitler an die macht gekommen und die CCCP (Soviet Russland) hat mit Faschisten den 2. WK gemacht und jetzt die russische Propagand sagt: "Die Ukraina sind Faschisten". Russland war eine Bedrohung für Europa und bleibt!

Jetzt kann er wieder große Töne spucken der Obama und die EU. Von wegen Russland hat kein Interesse das Friedensabkommen von Genf umzusetzen wenn nicht mal die Ukraine es will. Die Erweiterungsgierigen in der EU die sollen am besten in die Ukraine und dort bleiben. Sie haben ohnehin schon den größten Schaden in der EU hervorgerufen. Wenn ich den Barroso schön hör kommt mir das grauen.

Robert Cvrkal

Realistisch betrachtet hat Kiew längst die Kontrolle über die Ostukraine verloren, wobei dies die ukrainische Regierung durch ihr Verhalten selbst zu verantworten hat.

Im Falle eines groß angelegten militärischen Vorgehens von ukrainischen Militäreinheiten gegen die russische Bevölkerung in der Ostukraine wird die Antwort des russischen Bären nicht lange auf sich warten lassen.

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