Wann macht Übergewicht krank?

Forscher entdecken Enzym, das für negative Folgeerscheinungen verantwortlich ist

Warum macht Übergewicht einige Menschen krank und andere nicht? Dieser Frage stellten sich unter anderem Wissenschafter der MedUni Wien. Bei ihren Studien stießen sie auf das Enzym HO-1. Menschen mit niedrigen HO-1-Werten, so die Forscher, bleiben trotz Übergewicht gesünder.

von Übergewichtiger Mann auf einer Parkbank © Bild: Thinkstock/Stockbyte

Drei Viertel der übergewichtigen Österreicher leiden unter Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Krebs. Ein Viertel gilt aber trotz starkem Übergewicht als grundsätzlich gesund - und bleibt es oft auch. Die Teams unter der Leitung von Harald Esterbauer (Klinisches Institut für Labormedizin der MedUni Wien) gelang es gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Wolfgang Patsch (Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg) zu zeigen, dass das Enzym HO-1 (Hämoxygenase-1) mit hoher Sicherheit das Risiko für Typ 2 Diabetes und Fettleber voraussagen kann. Waren die HO-1-Werte in der Leber und im Fettgewebe hoch, dann waren auch zahlreiche anerkannte Indikatoren einer Insulinresistenz deutlich erhöht, also im krankhaften Bereich.

Neuem Risikofaktor für ungesundes Dicksein auf der Spur

Diese Vorhersagekraft von HO-1 war unabhängig von Körpergewicht, Bauchumfang oder Fettanteil im Bauchraum. Diese Entdeckung könnte generell ein gesünderes Altern ermöglichen, da HO-1 bei zahlreichen altersbedingten Entzündungen eine Rolle spielen dürfte. "Diese vom Körpergewicht und Körperbau unabhängige Vorhersagekraft von HO-1 ist völlig überraschend. Das ließ uns vermuten, dass wir einem neuen Risikofaktor für ungesundes Dicksein auf der Spur sind", so Esterbauer.

Zu klären war aber, ob das Enzym HO-1 nur einen neuen Indikator für krankhaftes Übergewicht darstellt oder sogar ursächlich am Ausbrechen von Typ 2 Diabetes und Fettleber beteiligt ist. Dazu schalteten die Wiener Forscher gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um Andrew Pospisilik (Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg) im Mausmodell das Enzym in unterschiedlichen für den Stoffwechsel zentralen Organen ab. Positive Effekte zeigte das Abschalten in den Leberzellen und in den Fresszellen, den sogenannten Makrophagen.

Kaum Folgeerkrankungen trotz Gewichtszunahme

Die Mäuse nahmen zwar nach dem Ausschalten von HO-1 weiter zu und wurden bei Fettfütterung dick, erlitten aber kaum Folgeerkrankungen. So wird unter anderem das Ausbilden einer krankhaften Fettleber verzögert bzw. vollständig verhindert, auch die Leberschäden gehen deutlich zurück. Die Zellen bleiben trotz starkem Übergewicht empfindlich auf Insulin. Esterbauer: "Das deutet stark darauf hin, dass HO-1 als völlig neuer und zentraler Schlüsselspieler an der Schnittstelle zwischen Übergewicht und dessen Folgeerkrankungen wirkt." Das zentrale Ergebnis der Studie wurde nun im Top-Journal "Cell" publiziert.

Zugleich konnten die Forscher auch ein jahrelang währendes, zentrales Dogma der HO-1-Forschung widerlegen: Bisher war angenommen worden, dass das Enzym entzündungshemmend ist. Genau das Gegenteil ist der Fall, HO-1 fördert chronische, kalte Entzündungsprozesse im Körper, das heißt, Entzündungen ohne Fieber. Und es fördert die Insulinresistenz und damit Diabetes mellitus und die Leberverfettung.

Gesünderes Altern soll ermöglicht werden

"Daher könnte unsere Entdeckung in weiterer Folge dazu führen, dass eine Hemmung von HO-1 als höchst interessantes Ziel für therapeutische Ansätze generell dazu beitragen kann, ein gesünderes Altern zu ermöglichen. Denn wir konnten auch nachweisen, dass die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, ohne das Enzym HO-1 viel, viel besser arbeiten", erklärte Esterbauer.

Wirkstoffe, die in diese Richtung zielen, gibt es bereits, erklärt Esterbauer: "Und zwar aus der medikamentösen Behandlung der weit verbreiteten Gelbsucht bei Neugeborenen." Trotz dieser guten Basis für die Entwicklung von Pharmaka werde es - nach den jetzt nötigen klinischen Studien - noch rund zehn Jahre dauern, bis die neuen Erkenntnisse zu HO-1 therapeutisch und im klinischen Alltag eingesetzt werden können, so die Einschätzung der Teams aus Wien und Freiburg.

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