Udo Jürgens rockt mit 80
heute die Wiener Stadthalle

Der vitale Großmeister begeisterte bereits in Salzburg und Graz sein Publikum

von
Zeitkritik- und Hit-Melange - Udo Jürgens rockt mit 80
heute die Wiener Stadthalle

Anfangs kommt Udo Jürgens nur aus der Konserve. In "Die Welt braucht Lieder" hört man die Stimme zu riesig aufgeblasenen, bombastischen Welt-Bildern in Champions League-Atmosphäre nur vom Band. Man ahnt Übles. Aber im Tourprogramm von "Mitten im Leben", das am Dienstagabend, in der Salzburgarena erstmals in Österreich zu erleben war, blieb der große Udo am Ende nicht das Geringste schuldig.

Intelligente Lieder, zeitkritische Texte

Mehr als das: Der 80-jährige Grand Seigneur der deutschsprachigen Unterhaltungsmusik vergrößerte den Abstand zu sämtlichen Megastars und Sternchen der Schlagerwelt noch einmal um ein gutes Stück: Was Udo Jürgens gestern an intelligenten Liedern, an zeitkritischen Texten, an Ironie, rührenden Einsichten und klugen Botschaften präsentiert hat, ist nur von einem zu überbieten: seiner eigenen Musikalität und hoch professionellen Bühnenperformance, verbunden mit seinem unerschöpflichen Repertoire an großartigen Hits.

Vitaler Großmeister

Natürlich geht es auch in der aktuellen "Mitten im Leben"-Tour nicht ohne "Griechischer Wein" (diesmal in sehr getragenem, besonders melancholischem Arrangement). Auch "Mit 66 Jahren", "Aber bitte mit Sahne" oder "Ich war noch niemals in New York" fehlen nicht. Dafür bezahlen die Leute, dafür stürzt die sonst so artige Salzburger Bürgerschaft mittlerer Altersstufe wie eine wild gewordene Horde Teenager an den Bühnenrand und giert nach einem kurzen Händedruck des ebenso vitalen wie elegant-sexy wirkenden Großmeisters. Aber davor hört man Lieder, wie sie von der jüngeren Generation von Schlagerstars - von Andreas Gabalier bis Helene Fischer - wohl als "kopflastiges No-Go" abgelehnt würden. Jedenfalls sind derart anspruchsvolle, seriöse und zugleich authentische Schlager in deren Programmen bisher nie aufgetaucht.

Zuhören

Udo Jürgens singt von Umgang mit Zeit. Von der Gefahr des Überwachungsstaates oder von der Dummheit, Reichtum zu scheffeln für die Kinder, die doch bloß einen Drachen bauen wollen mit ihrem Vater. Er singt für gesellschaftspolitische und moralische Eigenverantwortung und nennt das auch so. Wie ein Bürgerschreck bricht er Lanzen für Widerstand und Wut. Und 5.000 hören ihm zu. Und nicht nur, weil sie auf die Oldies warten.

Auch auf der neuen CD "Mitten im Leben" bleibt der Kärntner musikalisch seinem Erfolgsrezept des fetzig-schwungvollen Schlagers zwischen Klavier, Combo und Orchester treu. Textlich sind die Lieder mit Altersklugheit ohne miefige Nostalgie angereichert und ausnahmslos klar und rund gereimt. Jürgens präsentiert sie in einer souveränen Mischung aus Bescheidenheit und der Selbstsicherheit eines seit über sechzig Jahren konkurrenzlos erfolgreichen Unterhaltungsmusikers. Und die Lieder sind - wie seit eh und je - hervorragend gespielt. Im Pepe Lienhard Orchester sitzen Topprofis, immer wieder blitzt solistisches Können auf, und Gastsänger ergänzen die Show. Aber Udo steht im Zentrum.

Vom Anzug bis zum Bademantel

Im geschmackvollem Anzug, dem unvermeidlichen weißen Bademantel und - zum allerletzten Lied - mit legerer Alltagskleidung tanzt und springt er herum auf seiner Riesen-Bühne, die ihm alleine nach den 17 Deutschland-Konzerten im vergangenen November vertraut sein muss, wie unsereins das Stammlokal. Auch stimmlich schultert er das fast dreistündige Konzert. Er weiß außergewöhnlich genau, wo seine Grenzen liegen. Kaum droht der Ton in den Nähe des Bruchs zu geraten, nimmt er sich zurück, spart Kräfte und trumpft kurz darauf mit strahlendem Klang auch in sehr hohen Lagen auf. Dazu ist in dieser Altersklasse nur noch Klassik-Phänomen Placido Domingo in der Lage. Aber der ist immerhin fast sieben Jahre jünger.

Heute kommt Udo Jürgens nach Wien und wer noch kein Fan ist von diesem Ausnahmeentertainer, der könnte es bei dieser Gelegenheit werden. In Salzburg waren am Ausgang jedenfalls nur entspannte und glückliche Gesichter zu beobachten.

Kommentare

Oberon

"5 Minuten vor 12", ein beeindruckender Songtext, und so realistisch.

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